Tabletten gegen Epilepsie: Arten und Wirkung

Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende, unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. Dank moderner Untersuchungs- und Behandlungsmethoden kann heute jedoch auch mit dieser Diagnose ein Leben mit hoher Lebensqualität geführt werden. Die Basis der Behandlung sind die Antikonvulsiva - Medikamente gegen Epilepsie. Diese Medikamente, auch Antiepileptika genannt, spielen eine zentrale Rolle bei der Kontrolle und Reduktion von Anfällen.

Was sind Antikonvulsiva?

Antikonvulsiva sind Medikamente, die primär zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden. Sie zielen darauf ab, die neuronale Aktivität im Gehirn zu stabilisieren und die Häufigkeit und Schwere von Anfällen zu reduzieren.

Wirkmechanismen von Antikonvulsiva

Die Wirkmechanismen von Antikonvulsiva sind vielfältig und umfassen:

  • Natriumkanal-Blocker: Diese Medikamente, wie Carbamazepin, Phenytoin und Lamotrigin, verhindern die repetitive, hochfrequente Entladung von Aktionspotentialen in den Neuronen. Sie stabilisieren die spannungsabhängigen Natriumkanäle in einem inaktivierten Zustand, was die neuronale Feuerrate verlangsamt und die Ausbreitung von Anfallsaktivitäten verhindert.

  • Calciumkanal-Blocker: Bestimmte Antikonvulsiva, wie Ethosuximid, Gabapentin und Pregabalin, blockieren die T-Typ-Calciumkanäle in den thalamischen Neuronen. Diese Kanäle sind an der Entstehung thalamokortikaler Rhythmen beteiligt, die bei Absencen-Anfällen eine Rolle spielen. Durch die Hemmung dieser Kanäle wird die abnormale neuronale Aktivität reduziert.

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  • GABAerge Wirkung: Viele Antikonvulsiva, wie Benzodiazepine (Diazepam, Lorazepam), Barbiturate (Phenobarbital) und Valproinsäure, verstärken die inhibitorische Wirkung des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Sie erhöhen entweder die GABA-Freisetzung, verstärken die GABA-Wirkung an GABAA-Rezeptoren oder hemmen den GABA-Abbau, was zu einer erhöhten neuronalen Hemmung führt, die die Anfallsaktivität dämpft.

  • Glutamat-Rezeptor-Antagonisten: Einige Antikonvulsiva, wie Topiramat und Felbamat, wirken als Antagonisten an Glutamatrezeptoren, insbesondere am NMDA-Rezeptor. Da Glutamat der primäre erregende Neurotransmitter im Zentralnervensystem ist, führt dessen Hemmung zu einer Verringerung der neuronalen Erregbarkeit.

  • SV2A-Liganden: Levetiracetam und Brivaracetam binden an das synaptische Vesikelprotein 2A (SV2A) in präsynaptischen Neuronen. Es wird angenommen, dass diese Bindung die Freisetzung von Neurotransmittern moduliert und dadurch die neuronale Hyperaktivität und Anfallsneigung reduziert.

  • Mehrfachwirkmechanismen: Einige Antikonvulsiva, wie Valproat und Topiramat, haben mehrere Wirkmechanismen, die sowohl die Verstärkung der GABAergen Aktivität als auch die Hemmung von Natrium- und/oder Calciumkanälen umfassen können.

Arten von Antiepileptika

Es gibt verschiedene Arten von Antiepileptika, die sich in ihren Wirkmechanismen und Anwendungsgebieten unterscheiden. Die Therapie bzw. welches Antikonvulsivum gegen Anfälle das richtige ist, hängt von der Art der Epilepsie (fokal oder generalisiert) und der Art der Anfälle ab (fokal, generalisiert, Absencen, Myoklonie etc.). Fokale und generalisierte Epilepsien sind unterschiedlich zu behandeln, da verschiedene Medikamente für verschiedene Arten von Epilepsie besonders gut oder nicht so gut wirksam sind. Paradoxerweise kann man durch den falschen Einsatz von Antiepileptika Epilepsien auch verschlimmern. Aus diesem Grund ist es am Anfang wichtig, eine genaue Diagnose zu stellen und zwischen fokalen und generalisierten Epilepsien zu unterscheiden. Fokale/generalisierte Epilepsien sind etwas anderes als fokale/generalisierte Anfälle - generalisierte Anfälle können sowohl bei fokalen als auch bei generalisierten Epilepsien auftreten.

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Vorwiegend spannungsabhängige Natriumkanäle blockierende Antiepileptika

  • Carbamazepin
  • Eslicarbazepin
  • Lacosamid
  • Lamotrigin
  • Oxcarbazepin
  • Phenytoin
  • Rufinamid
  • Valproinsäure
  • Zonisamid

Vorwiegend die Wirkung von GABA verstärkende Antiepileptika

  • Barbiturate (z.B. Phenobarbital)
  • Benzodiazepine (z.B. Diazepam, Lorazepam)
  • Tiagabin
  • Vigabatrin
  • Valproinsäure

Levetiracetam: Ein wichtiges Mittel gegen Krampfleiden

Levetiracetam gehört zu den wichtigsten Mitteln gegen Krampfleiden. Es senkt die Gefahr eines epileptischen Anfalls und gilt allgemein als gut verträglich. Es kann auch mit anderen Medikamenten kombiniert werden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Schläfrigkeit und Kopfschmerzen.

Levetiracetam senkt die Übererregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn durch Bindung an ein spezielles Protein (synaptisches Vesikelprotein 2A). Durch dieses Andocken wird die freigesetzte Menge eines erregenden Botenstoffes reduziert. Außerdem beeinflusst Levetiracetam den Calciumspiegel in den Nervenzellen verschiedener Hirnareale. In Summe sinkt so die neuronale Erregung.

Anwendungsgebiete von Levetiracetam

Zu den Anwendungsgebieten (Indikationen) von Levetiracetam gehören verschiedene Formen von Krampfleiden, namentlich:

  • fokale Anfälle (auf eine Gehirnregion begrenzt) mit oder ohne sekundärer Generalisierung (= Übergreifen auf beide Gehirnhälften) - Levetiracetam wird hier entweder allein (als Monotherapie) oder als Zusatztherapie zu anderen Medikamenten eingesetzt
  • myoklonische Anfälle (Anfälle mit plötzlichen einschießenden Zuckungen der Muskulatur) - der Wirkstoff wird hier als Zusatztherapie eingesetzt
  • tonisch-klonische Anfälle (beginnen mit einer plötzlichen Steifheit des Körpers, gefolgt von krampfartigen Zuckungen) - auch hier dient der Wirkstoff als Zusatztherapie

Anwendung von Levetiracetam

Medikamente mit Levetiracetam werden üblicherweise in Form von Tabletten oder Trinklösungen angewendet. In akuten Fällen darf der Wirkstoff auch direkt in die Blutbahn gespritzt werden. Die Dosierung beträgt normalerweise zwischen 500 und 1500 Milligramm Levetiracetam, wird jedoch individuell vom Arzt festgelegt. Die Einnahme von Levetiracetam-Tabletten und -Trinklösungen erfolgt in der Regel zweimal täglich unabhängig von den Mahlzeiten und immer zur ungefähr gleichen Zeit. Soll der Wirkstoff abgesetzt werden, sollte dies "ausschleichend" (nicht abrupt) erfolgen.

Nebenwirkungen von Levetiracetam

Sehr häufig ruft Levetiracetam Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel und Schläfrigkeit hervor. Häufig kommt es durch die Einnahme des Arzneimittels zu Angststörungen, depressiven Verstimmungen, Gewichtsabnahme und Magen-Darm-Beschwerden. Beim abrupten Absetzen von Levetiracetam kann es durch das plötzliche Fehlen des Wirkstoffs zu vermehrten Krampfanfällen kommen. Deshalb sollte die Dosis stets schrittweise reduziert werden, wenn die Anwendung beendet werden soll.

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Wichtige Hinweise zur Einnahme von Antiepileptika

  • Regelmäßige Einnahme: Medikamente gegen Epilepsie müssen Sie in der Regel über viele Jahre einnehmen. Die regelmäßige Einnahme von Antikonvulsiva ist dafür wichtig, die Anfälle zuverlässig unterdrücken zu können. Die Medikamente werden in der Regel zweimal täglich eingenommen. Es gibt wenige Medikamente, die nur einmal täglich eingenommen werden und auch wenige Medikamente, die öfter als zweimal eingenommen werden. Bei der Einnahme ist es wichtig, dass man die Zeitpunkte, bei denen man die Medikamente nimmt, in den Tagesablauf so verankert, dass man sicher daran erinnert.

  • Einnahme vergessen: Wenn man die Medikamente unregelmäßig einnimmt, dann sinkt der Schutz, den die Medikamente dem Patienten oder Betroffenen geben. Daher passiert nicht jedes Mal, wenn ein Medikament vergessen wird, gleich ein Anfall - jedoch steigt jedes Mal, wenn Medikamente vergessen werden das Risiko, dass doch ein Anfall auftreten könnte. Damit steigt auch das Risiko, dass man sich in einem Anfall verletzen kann und bei bestimmten Anfallstypen sogar am Anfall sterben kann.

  • Wirkung und Nebenwirkungen: Medikamente gegen Epilepsie wirken dann ausreichend, wenn idealerweise keine Anfälle mehr auftreten und wenn auch keine nennenswerten Nebenwirkungen auftreten. Es ist hilfreich, einen sogenannten Anfallskalender zu führen. Darin dokumentiert man, welche Medikamente man wann einnimmt, wann Anfälle auftreten und wie sie sich äußern. Dies kann es Ärztinnen und Ärzten erleichtern, den Krankheitsverlauf zu beurteilen.

  • Umgang mit Nebenwirkungen: Antiepileptika haben sehr verschiedene Nebenwirkungen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie im Gehirn wirken; jedes Medikament, das irgendwo wirkt, verursacht auch genau an diesem Ort Nebenwirkungen. Die meisten Nebenwirkungen von Antikonvulsiva sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit, zum Teil etwas verlangsamtes Denken, Zittern oder Schwindel. Das sind alles Sachen, die vom Gehirn und somit vom Wirkort der Medikamente hervorgerufen werden. Es muss dazu gesagt werden, dass in der Mehrzahl der Fälle die Medikamente gut vertragen werden und keine Nebenwirkungen auftreten.

  • Schwangerschaft und Verhütung: Bestimmte Antiepileptika können die Wirksamkeit der Antibabypille herabsetzen. Umgekehrt kann die Pille die Wirksamkeit bestimmter Antiepileptika beeinflussen. Deshalb ist es für junge Frauen mit Epilepsie wichtig, frühzeitig mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt über das Thema Verhütung zu sprechen und zu überlegen, welche anderen Verhütungsmethoden infrage kommen. Frauen mit Kinderwunsch fragen sich häufig, ob eine Schwangerschaft trotz Epilepsie möglich ist. Die meisten Frauen mit Epilepsie bringen aber gesunde Kinder zur Welt. Wichtig ist, sich rechtzeitig ärztlich beraten zu lassen und sich auf eine Schwangerschaft vorzubereiten.

Therapieziele und Therapierefraktärität

Die Behandlung von Epilepsie zielt natürlich immer darauf ab, die beste Lebensqualität zu erreichen. Zu Beginn der Erkrankung ist ganz klar das Behandlungsziel die Anfallsfreiheit. Die Anfallsfreiheit macht den größten Unterschied in der Lebensqualität - die Reduktion von Anfällen wie z.B. von vier auf zwei Anfällen im Monat ist zwar natürlich eine Verbesserung, aber nicht das, was den großen Sprung in der Lebensqualität macht. Das liegt daran, dass die Anfälle nach wie vor unvermittelt auftreten und unvorhersehbar sind und man nie weiß, wann der Anfall kommt. Das heißt: das Initialtherapieziel ist die Anfallsfreiheit. Das sollte mit dem ersten oder spätestens dem zweiten Antiepileptikum bzw. Antikonvulsivum gelingen. Wenn dies nicht erreicht wird, obwohl es das richtige Medikament bzw. die richtigen Medikamente waren, diese über eine entsprechende Zeit und auch in einer entsprechenden Dosis gegeben worden sind und auch entsprechend vertragen wurden, dann spricht man von einer sogenannten Therapierefraktärität.

Weitere Therapieoptionen bei Epilepsie

Neben der medikamentösen Therapie gibt es weitere Optionen zur Behandlung von Epilepsie:

  • Operative Therapien: Resektive Verfahren, Kallosotomie
  • Stimulationsverfahren: Vagusnervstimulation
  • Diät: Ketogene Diät

Notfallmaßnahmen

Selten gibt es bei Epilepsie eine schwere Komplikation, die sich SUDEP nennt. Der Begriff steht für Sudden Unexplained Death in Epilepsy Patients; das heißt, dass nach einem Anfall, welcher meist generalisiert ist, das Herz und das Atemzentrum so stark unterdrückt werden, dass der bzw. die Betroffene anschließend verstirbt. Das ist sehr ernst zu nehmen - zum Glück passiert das nicht häufig, etwa einer von 1000, aber es kommt vor. Deswegen ist es ganz wichtig, die Medikamente regelmäßig zu nehmen - der beste Schutz gegen SUDEP ist Anfallsfreiheit. Bei einem „Status epilepticus“, wenn ein generalisierter epileptischer Anfall länger als fünf Minuten dauert oder mehrere Anfälle rasch hintereinander auftreten, muss sofort der Rettungsdienst unter der 112 gerufen werden. Meist gibt die Notärztin oder der Notarzt zuerst ein Beruhigungsmittel (Benzodiazepin).

Bedeutung einer umfassenden Betreuung

Die Behandlung von Epilepsie zielt nicht nur auf die Kontrolle epileptischer Anfälle ab, sondern berücksichtigt den gesamten Menschen in seiner individuellen Lebenssituation. Es geht darum, die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern und ihnen trotz der Erkrankung ein erfülltes Leben zu ermöglichen. Dabei stehen nicht nur medizinische Aspekte im Vordergrund, sondern auch psychologische, soziale und emotionale Faktoren. Die Beziehung zwischen Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten ist zentral. Es geht nicht nur darum, eine Krankheit zu behandeln, sondern einen Menschen in einer bestimmten Lebensphase mit all seinen Ängsten, Hoffnungen und Wünschen.

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