Tiefe Hirnstimulation bei Parkinson: Kostenübernahme, Verfahren und Perspektiven

Die Tiefe Hirnstimulation (THS), im anglo-amerikanischen Raum als Deep Brain Stimulation (DBS) oder umgangssprachlich als „Hirnschrittmacher“ bezeichnet, ist eine etablierte Behandlungsmethode für Bewegungsstörungen. Seit ihrer Erstanwendung in den späten 1980er Jahren wurden weltweit etwa 85.000 Patienten operativ behandelt, hauptsächlich aufgrund von Morbus Parkinson.

Anwendungsbereiche der Tiefen Hirnstimulation

Die THS ist eine von mehreren Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinson, Dystonie oder Tremor und wird dann durchgeführt, wenn die medikamentöse Behandlung nicht oder nicht mehr ausreichend ist. Nicht alle Patienten kommen für diese Therapieform in Frage; die Entscheidung wird in einem sorgfältigen Untersuchungsprogramm von spezialisierten Fachärzten in einem Implantationszentrum getroffen.

Die THS kann die Erkrankungen nicht heilen, aber eine deutliche und lang anhaltende Linderung der Symptome bewirken. Sie verbessert die Beweglichkeit und damit die Lebensqualität. Ferner kann man nach einer THS-Operation die bestehende Medikation und ggf. durch sie bedingte Nebenwirkungen regelhaft deutlich reduzieren.

Die meisten Anwendungsfälle kommen aus dem Bereich der Bewegungsstörungen, an erster Stelle die Parkinson-Krankheit. Daneben sind häufige Indikationen für die THS:

  • Essentieller Tremor: Gekennzeichnet durch rhythmisches Zittern beider Hände oder gegebenenfalls anderer Körperteile.
  • Dystonien: Bewegungsstörungen, bei denen eine unwillkürliche und nicht unterdrückbare, anhaltende oder immer wieder auftretende Muskelkontraktion zu abnormalen, sich häufig wiederholenden Bewegungen oder abnormalen Haltungen führt.

Neben Bewegungsstörungen kommen unter anderem auch bestimmte psychiatrische Erkrankungen für eine THS in Frage. Mehrere Studien haben die Möglichkeiten der THS zur Behandlung von streng selektierten Patienten und Patientinnen mit Zwangserkrankung oder Tourette-Syndrom belegt. Daneben kann auch eine austherapierte Depression mit der THS behandelt werden. Zu guter Letzt werden auch die Möglichkeiten der THS zur Behandlung der Alzheimer-Demenz erforscht.

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Wann kommt die Tiefe Hirnstimulation in Frage?

Die THS ist immer die Therapie der letzten Wahl: Ausschließlich Patienten und Patientinnen, die nicht mehr konservativ behandelt werden können, kommen für eine THS in Frage. Bei Patienten und Patientinnen mit Bewegungsstörungen geht es beispielsweise darum, dass sie nicht mehr auf Medikamente reagieren, dass die Auswirkungen der Medikamente unvorhersehbar werden oder dass die Patienten und Patientinnen zu sehr unter den Nebenwirkungen der Medikamente leiden. Für die psychiatrischen Erkrankungen geht es dabei nicht nur um medikamentöse Behandlungen, sondern auch um Psychotherapie.

Die THS ist per Definition eine symptomatische Behandlung. Das bedeutet, dass nur den Symptomen entgegengewirkt werden kann und dass im Falle einer neurodegenerativen Erkrankung (wie die Parkinson-Erkrankung) die Krankheit selbst weiter fortschreitet. Durch die THS erfahren die Patienten jedoch für viele Jahre einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität.

Ablauf der Tiefen Hirnstimulation

Bei der Tiefen Hirnstimulation wird unter örtlicher Betäubung ein kleines Bohrloch, je nach Symptomausprägung in einer oder beiden Hirnhälften, in der Schädeldecke angelegt. Mit Hilfe eines sogenannten stereotaktischen Rahmens, der um den Kopf des Patienten gespannt wird und hohe Zielgenauigkeit garantiert, wird dann je eine vierpolige Elektrode mit einem Durchmesser von ca. 1,3 mm in das oder die Bohrlöcher eingeführt. Der genaue Zielpunkt wird zuvor durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) festgelegt.

Nach Einführen der Elektrode/n werden über ein Testsimulationsgerät elektrische Signale abgegeben und die damit zusammenhängenden Effekte vom behandelnden Neurologen begutachtet und optimiert. Bei Patienten mit Morbus Parkinson wird dieser Eingriff meist unter örtlicher Betäubung vorgenommen, da dann die Mitarbeit des Patienten erforderlich ist, um mögliche Nebenwirkungen, wie Kribbeln, Sprechstörungen, Augenbewegungsstörungen oder Muskelverkrampfungen festzustellen und vermeiden zu können. Nur bei optimaler Position der Elektrode kann ein gutes Ergebnis erzielt werden!

Ist die optimale Stimulationsposition gefunden, werden die Elektrode/n unter Röntgenkontrolle endgültig platziert. In einem zweiten Schritt wird dann unter Vollnarkose der Hirnschrittmacher (Impulsgeber=IPG) links oder rechts knapp unter dem Schlüsselbein implantiert. Er wird mit einem dünnen Kabel, das unter der Haut vorgeschoben wird, an die im Gehirn liegende/n Elektrode/n angeschlossen. In einigen Kliniken erfolgt die Implantation des Hirnschrittmachers direkt nach der Elektrodenimplantation.

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Nach der erfolgreichen Implantation werden von außen mit Hilfe eines Programmiergerätes die optimalen Einstellungen mittels Funkübertragung getroffen. Es gibt nicht-wiederaufladbare (Batterie) und wiederaufladbare (Akku) Hirnschrittmacher (Impulsgenatoren). Wiederaufladbare Impulsgeneratoren haben den Vorteil der längeren Haltbarkeit, müssen aber entweder alle 1-2 Tage 10-20 Minuten oder 1x/Woche etwa 1-2 Stunden vom Patienten selbst zu Hause aufgeladen werden. Dies geschieht über eine Art Gürtel und kann bspw. beim Essen, Hausarbeiten, Fernsehen oder Lesen getan werden. Bei nicht-wiederaufladbaren Impulsgeneratoren ist nach 3-5 Jahren ein Austausch des in der Regel unter dem Schlüsselbein implantierten Impulsgebers in örtlicher Betäubung nötig, da dann die Wirkung der Batterie nachlässt. Wiederaufladbare Geräte müssen erst nach voraussichtlich 20-25 Jahren ausgetauscht werden. Für den Austausch ist nur ein kleiner Hautschnitt unter dem Schlüsselbein erforderlich, der meist ambulant durchgeführt wird. Ein Eingriff am Kopf ist nicht nochmals nötig! Der Patient hat die Möglichkeit, mit Hilfe eines kleinen Handgerätes das Implantat selbständig ein- und auszuschalten und ggf.

Die Rolle der interdisziplinären Zusammenarbeit

Die Entscheidung, ob ein Patient für die THS geeignet ist, wird immer multidisziplinär getroffen, also in einem Team, an dem Experten und Expertinnen aus unterschiedlichen Fachbereichen teilnehmen. In der Uniklinik Köln findet jede Woche eine multidisziplinäre THS-Konferenz statt, in der alle Patienten und Patientinnen, die zur Eignung einer THS getestet worden sind, von einem Team aus den Bereichen Neurologie, Neurochirurgie, Neuropsychologie und Psychiatrie ausführlich besprochen werden. Nur, wenn alle den Patienten oder die Patientin für die Operation geeignet halten, bieten wir eine solche Operation an. Auf die gleiche Weise gelangen wir auch zur Entscheidung für eine THS bei psychiatrischen Erkrankungen - immer zusammen mit einem Kollegen oder einer Kollegin aus der Psychiatrie, der oder die viel Erfahrung mit der THS hat.

Kostenübernahme durch Krankenkassen

Für die Bewegungsstörungen Parkinson-Krankheit, Essenzieller Tremor und Dystonie gibt es grundsätzlich eine Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen. Für die psychiatrischen Erkrankungen wird erst die Krankenkasse mit der Bitte um Kostenübernahme kontaktiert. Nein, die Operationskosten werden ebenso wie die Kosten für andere medizinisch notwendige Eingriffe von den Krankenkassen übernommen, da es sich bei dem Schrittmacherverfahren in der Parkinsontherapie um ein inzwischen weltweit anerkanntes Standardverfahren handelt. Die Batterien halten je nach Einstellung des Gerätes ca. 5 - 8 Jahre. Die Tiefe Hirnstimulation gehört inzwischen zum Leistungskatalog der gesetzlichen und privaten Krankenkassen und ist bei der Behandlung von Bewegungsstörungen seit über 20 Jahren etabliert. 1995 wurde sie für die Behandlung des Tremors und 1998 für die Behandlung von Morbus Parkinson zugelassen.

Technische Aspekte und Innovationen

In den letzten zehn Jahren gab es signifikante technische Fortschritte. 2015 sind die sogenannten direktionalen Elektroden auf den Markt gekommen. Davor gab es nur Elektroden mit vier (oder acht) ringförmig angeordneten Kontakten. Das heißt, wenn ein Kontakt eingeschaltet ist, erfolgt die Stimulation immer im 360-Grad-Radius um diesen Kontakt herum. Die direktionalen Elektroden geben uns hingegen die Möglichkeit, nur in eine bestimmte Richtung zu stimulieren, also zum Beispiel weg von einer Struktur, die zu bestimmten Nebenwirkungen wie Sprachstörungen führen würde. Mit diesen direktionalen Elektroden werden die oben genannten Nebenwirkungen der THS weniger häufig beobachtet. Auch was die MRT-Tauglichkeit betrifft, gibt es weitere Fortschritte.

Zuletzt ist mit der Brain-Sensing-Technologie wieder ein weiterer wichtiger Schritt in der Entwicklung der THS-Systeme hinzugekommen. Mit den neuesten Implantaten kann nicht nur Strom abgegeben, sondern auch die elektrische Aktivität tief im Gehirn abgeleitet werden. Anhand der gemessenen Hirnsignale kann dann die Stimulationseinstellung weiter optimiert werden. Eine sehr wichtige Eigenschaft ist, dass der „Hirnschrittmacher“ mit diesem System so programmiert werden kann, dass die Stromstärke automatisch an die Symptome angepasst wird. Dies wird als sogenannte adaptive oder Closed-Loop-Stimulation bezeichnet. In der Uniklinik Köln haben wir gerade mit einer Studie zu dieser adaptiven Stimulation begonnen.

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Ein wesentlicher Vorteil des wiederaufladbaren „Schrittmachers“ ist, dass er nicht nach ein paar Jahren ausgetauscht werden muss. Die Zeit, nach der ein nicht wiederaufladbares Gerät ersetzt werden muss, hängt vom individuellen Stromverbrauch ab und liegt bei Patienten und Patientinnen mit Bewegungsstörungen zwischen drei und sieben Jahren. Dieser Austausch geht immer mit einer kleinen Operation einher. Die wiederaufladbaren Systeme bleiben zwischen 15 bis 25 Jahre aktiv, so lange ist also keine Operation nötig. Ein weiterer Vorteil ist ihre geringere Größe. Das Wiederaufladen ist einfach und erfolgt in der Regel ein Mal pro Woche. Mit einem kabellosen Gerät, das in einer Art Weste über den „Schrittmacher“ gelegt wird, kann das System aufgeladen werden. Komplikationen eingesetzt. Medikamenteneinstellung gerechtfertigt.

Mögliche Komplikationen und Nebenwirkungen

In sehr seltenen Fällen kann es durch die Operation zu Komplikationen, wie Blutungen im Gehirn oder Austritt von Hirnwasser oder Infektionen kommen. Der Patient wird vor der OP durch den betreuenden Arzt über die Operation und die damit zusammenhängenden Risiken aufgeklärt. Wie nach jeder anderen Operation ist es ratsam, sich in den ersten Wochen nach der OP nicht übermäßig anzustrengen. Grundsätzlich sollten vor allem Sportarten, die mit heftigen Kopferschütterungen einhergehen, vermieden werden, ansonsten gibt es kaum Einschränkungen. Allerdings müssen in der Nähe elektromagnetischer Felder Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden: Untersuchungen mit Magnetresonanztomographie (MRT) oder Tiefenwärmebehandlungen dürfen bei Hirnschrittmacherpatienten nicht oder nur in Ausnahmefällen und unter Berücksichtigung besonderer Sicherheitskriterien angewendet werden! Einige Schrittmachertypen sind MRT fähig, müssen aber vor und nach einer MRT Untersuchung umprogrammiert werden.

Die Nebenwirkungen durch die Stimulation sind abhängig vom stimulierten Hirnareal. Bei der Parkinson-Erkrankung ist dies der Nucleus subthalamicus. Dadurch besteht das Risiko von Persönlichkeitsveränderungen, die bei etwa 10 bis 15 Prozent der Fälle beobachtet werden. Im Fall des Essenziellen Tremors sind Sprach- und Gangstörungen möglich: Der Patient oder die Patientin hat zum Beispiel das Gefühl, wie mit einer dicken Zunge zu sprechen oder fühlt sich beim Gehen weniger stabil. Durch eine THS bei Zwangserkrankung kann es zu einer erhöhten Impulsivität kommen. Diese hängt meist mit dem tiefsten Kontakt der Elektrode zusammen und kann leicht behoben werden.

Unerwünschte Nebenwirkungen der Stimulation treten in der Regel innerhalb der ersten Monate auf. Es kommt normalerweise nicht vor, dass dies erst nach längerer Zeit geschieht. Die Nebenwirkungen sind aber reversibel: Wenn die Stimulation reduziert oder ausgeschaltet wird, verschwinden diese Nebenwirkungen wieder. So können sie meist schnell behoben werden oder es lässt sich ein Kompromiss dafür finden. Die Kunst besteht darin, durch die Anpassung der Stimulationsparameter die gute Wirkung ohne Nebenwirkungen zu behalten.

Alltag mit einem THS-System

Nach der Implantation eines THS-Systems können Patienten und Patientinnen für gewöhnlich alles tun wie zuvor, mit Ausnahme von ein paar Dingen, die berücksichtigt werden müssen. In Deutschland gibt es zum Beispiel ein Gesetz, wonach Menschen nach einer Hirnoperation (also auch nach einer THS-Implantation) über einen Zeitraum von drei Monaten kein Auto fahren dürfen. Im Flughafen darf der Patient oder die Patientin nicht durch die Sicherheitsschleuse gehen und generell darf der Körper keinem Strom ausgesetzt sein wie zum Beispiel im Rahmen manch einer physiotherapeutischen Behandlung. Ein MRT des Kopfes oder andere Körperteile ist weiterhin möglich, allerdings müssen dann bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Und im Falle einer späteren Operation muss der Operateur oder die Operateurin auf einige elektrisch unterstütze Techniken verzichten. Dies sind alles Dinge, die auch für Menschen mit einem Herzschrittmacher gelten.

Perspektiven und Forschung

Gleichermaßen bedeutsam ist für uns die wissenschaftliche Arbeit zur weiteren Optimierung der Therapie der Tiefen Hirnstimulation. Zu aktuellen Forschungsprojekten können Sie sich auf der Seite unserer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe "Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation" informieren. In der Ambulanz für Tiefe Hirnstimulation werden zum einen Patienten behandelt, die bereits ein Hirnschrittmachersystem tragen (regelmäßige Nachsorge), zum anderen ist diese Ambulanz auch zur individuellen Beratung vor einer möglichen Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation gedacht.

Die THS kann im Vergleich zu anderen Verfahren für die Behandlung des M. in der Medizin als kosteneffektiv angesehen werden. behandelt wurden. motorische Komplikationen und Medikamentenkosten beeinflussen ließ.

Anlaufstellen und Spezialsprechstunden

In der Spezialsprechstunde für Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation werden unter anderem Patienten mit Morbus Parkinson, atypischen Parkinson Syndromen, Dystonien, Tremorerkrankungen (Essentieller Tremor und andere) und Kleinhirnerkrankungen sowie anderen seltenen Bewegungsstörungen betreut. Auch Patienten, die entweder für die Hirnschrittmachertherapie in Frage kommen oder bereits einen Hirnschrittmacher implantiert haben, werden in dieser Sprechstunde ambulant behandelt. Ein Schwerpunkt liegt außerdem auf der Betreuung von Patienten mit Apomorphin- oder Duodopa-Pumpen. Die Ambulanz bietet Patienten und Angehörigen eine überregionale Anlaufstelle für eine spezifische Diagnosestellung und Therapie an. Wir besprechen mit Ihnen die Symptome, Ihren Krankheitsverlauf, die Ziele der Therapie und erarbeiten gemeinsam ein individuelles Behandlungskonzept. Sollten medikamentöse Optionen nicht mehr ausreichen, werden auch weitere Therapiemaßnahmen, wie Apomorphin- und Duodopa-Pumpen, oder, in enger Zusammenarbeit mit der Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie, funktionelle Operationen, wie die Tiefe Hirnstimulation, geplant und begleitet.

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