Transiente neurologische Symptome nach Spinalanästhesie: Ursachen und Behandlung

Die Spinalanästhesie (SPA) ist eine rückenmarksnahe Form der Regionalanästhesie, die zur zeitlich begrenzten Unterbrechung der Erregungsleitung der Spinalnervenwurzeln führt. Sie dient der Schmerzleitungsblockade sowie der Muskelrelaxation. Dies geschieht mithilfe eines Lokalanästhetikums, das in den Subarachnoidalraum injiziert wird. Die Spinalanästhesie wird vor allem bei großen operativen Eingriffen unterhalb des Bauchnabels eingesetzt, also im Bereich des Unterbauches, des Beckens sowie des Perineums (Damm) und an der unteren Extremität. Vorteile gegenüber der Allgemeinanästhesie ergeben sich vor allem für Patienten, die an einem erhöhten Risiko für Komplikationen, Atemwegserkrankungen oder Diabetes mellitus leiden.

Anatomische Grundlagen der Spinalanästhesie

Um die Ursachen für transiente neurologische Symptome (TNS) nach Spinalanästhesie besser zu verstehen, ist ein Überblick über die relevanten anatomischen Strukturen notwendig.

Die Wirbelsäule

Die Wirbelsäule gliedert sich in Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sowie Kreuz- und Steißbein und schützt im Spinalkanal das Rückenmark. Über das Rückenmark kommunizieren Extremitäten, Rumpfwand und Eingeweide mit den höheren Zentren des zentralen Nervensystems. Die 31 paarigen Spinalnerven verbinden das Rückenmark mit der Peripherie. Sie setzen sich jeweils aus einer afferenten dorsalen Wurzel (Radix dorsalis) mit angelagertem sensiblen Ganglion und einer efferenten ventralen Wurzel (Radix ventralis) zusammen und bilden den gemischten Spinalnerv, der den Spinalkanal durch das jeweilige Foramen intervertebrale verlässt.

Das Rückenmark des Erwachsenen ist mit 45 cm deutlich kürzer als der Spinalkanal. Beim Neugeborenen endet das Rückenmark bei L3/4, ab dem 12.-16. Lebensjahr sind die Relationen des Erwachsenen erreicht: Das Rückenmark endet in rund 50 % der Fälle auf Höhe der Unterkante des ersten, in etwa 40 % im Niveau des zweiten Lendenwirbelkörpers. Unterhalb L1 verlaufen die lumbalen und sakralen Spinalnerven gebündelt als sog. Cauda equina zu den jeweiligen Foramina intervertebralia.

Subarachnoidalraum und Dura Mater

Während das Rückenmark auf Höhe des 2. Lendenwirbelkörpers endet, zieht sich der Subarachnoidalraum bis S2. Der Subarachnoidalraum erstreckt sich nach kaudal beim Erwachsenen bis zum zweiten, beim Kind bis zum dritten Sakralwirbel (Neugeborenes bis S4). Er wird von einer nicht vaskularisierten Membran, der Arachnoidea mater spinalis umschlossen. Neben dem Liquor zerebrospinalis enthält der Subarachnoidalraum die Spinalnerven, Blutgefäße zur Versorgung des Rückenmarks und die seitlichen Lig. denticulata. Subarachnoidal- bzw. Der Außenseite der Arachnoidea liegt die Dura mater eng an. Der Spalt zwischen beiden Membranen enthält lediglich wenig seröse Flüssigkeit, die ein Gleiten der Dura auf der Arachnoidea erlaubt. Die elastische Arachnoidea kann leicht von der Dura abgelöst werden. Die Dura mater besteht aus einem äußeren endostalen Anteil, der in Schädel und Rückenmarkkanal dem Knochen eng anliegt, und einem meningealen Anteil, der intrakraniell das Gehirn umhüllt und sich zur Falx cerebri faltet. Am Foramen magnum ist der meningeale Teil der Dura dem Knochen angeheftet und setzt sich kaudal als spinale Dura mater bis in den Sakralbereich fort.

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Periduralraum

Der spinale Periduralraum enthält Fett- und Bindegewebe, Lymphbahnen und Blutgefäße, insbesondere gut ausgebildete Venengeflechte. Bei Abflussbehinderungen im Bereich der V. cava inferior dienen die periduralen Venenplexus als Kollateralverbindung. Das Fettgewebe des dorsalen Periduralraums ist homogen, nicht bindegewebig segmentiert und stellenweise über Pedikel dorsal am Lig. flavum angeheftet. Die Weite des dorsalen Periduralraums ist in der Medianebene am größten. Nach dorsal begrenzt das Lig. flavum den Periduralraum. Es besteht aus 2 seitlichen Bändern, die sich in unterschiedlicher Dicke und Tiefe vom Foramen magnum bis zum Hiatus sacralis ziehen. Dorsal anschließend befindet sich zwischen den Dornfortsätzen das Lig. interspinale. Über die Dornfortsätze zieht sich das Lig. supraspinale, das als Lig. nuchae am Hinterkopf endet.

Blutversorgung des Rückenmarks

Die Blutversorgung des Rückenmarks erfolgt hauptsächlich über zwei dorsolaterale Aa. spinales posteriores (in der Regel aus der A. vertebralis absteigend) und eine ventrale A. spinalis anterior (Vereinigung von Abgängen aus den Aa. vertebrales beider Seiten). Das Versorgungsgebiet der A. spinalis ant. umfasst die vorderen ( {2/3} ) des Rückenmarks, während das dorsale ( {1/3} ) von den Aa. spinales post. perfundiert wird. Der thorakolumbale Übergang des ventralen Rückenmarks ist am schlechtesten mit Kollateralen versorgt. Hier erfolgt ein Großteil der Blutversorgung über die besonders kräftig ausgebildete A. radikularis magna (Adamkiewicz), die in 75 % der Fälle den 8.-12. thorakalen Spinalnerven begleitet.

Liquor cerebrospinalis

Die Determinanten des zerebralen Blutflusses gelten auch für das Rückenmark: der spinale Perfusionsdruck ist der mittlere arterielle Blutdruck abzüglich des zerebrospinalen Drucks. Der Liquor cerebrospinalis bewegt sich ungehindert zwischen dem kraniellen und spinalen Subarachnoidalraum. In den Ventrikeln werden unter Normalbedingungen täglich 600 ml Liquor durch Ultrafiltration gebildet. Die Elimination geschieht intrakraniell über supratentorielle Drainage in die venösen Sinus und spinal hauptsächlich über Venengeflechte der Pia mater in das System der V. azygos und hemiazygos. Welcher Volumenanteil des Liquor cerebrospinalis sich im Spinalkanal befindet, unterliegt starken interindividuellen Schwankungen.

Segmentale Zuordnung der Spinalnerven

Die segmentale Zuordnung der Dermatome zu den Spinalnerven ermöglicht eine Beurteilung der Anästhesieausbreitung anhand taktiler Reize. Die autonome Innervation der Organe ist ebenfalls segmental gegliedert, weist aber weite Überlappungen auf. Die Dornfortsätze der Wirbelkörper dienen bei den rückenmarknahen Verfahren als Orientierungshilfe. Die Verbindung der beiden Spinae iliacae superiores schneidet die Wirbelsäule in der Regel auf Höhe des 4. Allerdings verschiebt sich diese Korrelation mit zunehmendem Alter; auch die Palpation durch das Subkutangewebe ist unzuverlässig.

Physiologische Auswirkungen der Spinalanästhesie

Die Spinalanästhesie führt zu verschiedenen physiologischen Veränderungen, die für die Entstehung von Komplikationen relevant sein können.

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Sympathikolyse und ihre Folgen

Die Sympathikolyse manifestiert sich als erste der Blockaden und bildet sich als letzte zurück. Bei ausreichender Konzentration des Lokalanästhetikums werden die dicken motorischen Fasern blockiert. Die muskuläre Relaxation ist bei manchen Eingriffen erwünscht, in anderen Fällen als Nebenwirkung anzusehen. Die Sympathikolyse bei rückenmarknaher Anästhesie ist für den charakteristischen Blutdruckabfall verantwortlich. Der erniedrigte vaskuläre Widerstand hat einen gesteigerten Blutfluss in den blockierten Segmenten zur Folge. Da zusätzlich die Herzfrequenz bei rückenmarknaher Anästhesie in der Regel abnimmt, sinkt das Herzminutenvolumen ab. Die Blockade der kardioakzeleratorischen Fasern (T1-T4) reduziert die Herzfrequenz lediglich um etwa 10 %, sodass dieser Effekt bei erhaltener Vorlast nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Bezold-Jarisch-Reflex

Der Bezold-Jarisch-Reflex, dessen Rezeptoren im linken Ventrikel lokalisiert sind, beantwortet eine myokardiale Überlastung mit einer Sympathikushemmung. Es kommt zu Bradykardie, Vasodilatation und Hypotension, um den Ventrikel zu entlasten. In den blockierten Segmenten ist der Metabolismus sowohl durch die Sympathikolyse als auch durch die Muskelrelaxation vermindert.

Atemfunktion

Die Blockade der thorakalen Segmente T1-T6 kann durch Überwiegen des Vagotonus eine Bronchokonstriktion verursachen. Die sensorische Blockade des Thorax kann zu Erstickungsängsten führen, wenn der Patient seine Atemexkursionen nicht mehr fühlt („affektive Dyspnoe“).

Ursachen für transiente neurologische Symptome (TNS) nach Spinalanästhesie

Transiente neurologische Symptome (TNS) sind neurologische Beschwerden, die nach einer Spinalanästhesie auftreten und sich innerhalb von Stunden bis Tagen vollständig zurückbilden. Die genauen Ursachen für TNS sind nicht vollständig geklärt, aber es gibt verschiedene Theorien und Risikofaktoren, die diskutiert werden.

Definition und Symptome

TNS äußern sich typischerweise durch Schmerzen im Bereich der unteren Extremitäten, insbesondere in den Oberschenkeln und im Gesäß. Die Schmerzen können brennend, ziehend oder krampfartig sein und werden oft als Muskelkater beschrieben. Zusätzlich können Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle auftreten. Die Symptome beginnen meist innerhalb von 24 Stunden nach der Spinalanästhesie und verschwinden in der Regel innerhalb von 1 bis 7 Tagen.

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Risikofaktoren

Verschiedene Faktoren können das Risiko für TNS nach Spinalanästhesie erhöhen:

  • Lokalanästhetika: Bestimmte Lokalanästhetika, insbesondere Lidocain, werden häufiger mit TNS in Verbindung gebracht als andere Substanzen wie Bupivacain oder Ropivacain.
  • Patientencharakteristika: Ambulante Patienten, Patienten in Kniegelenksarthroskopie, und Patienten in Steinschnittlagerung scheinen häufiger betroffen zu sein.
  • Lagerung: Die Steinschnittlagerung während der Operation könnte durch Dehnung der Nerven zur Entstehung von TNS beitragen.
  • Mehrfachpunktionen: Wiederholte Punktionsversuche bei der Spinalanästhesie können das Risiko für TNS erhöhen.

Mögliche Pathomechanismen

Obwohl die genauen Ursachen für TNS unklar sind, werden verschiedene Mechanismen diskutiert:

  • Direkte Neurotoxizität: Lokalanästhetika, insbesondere Lidocain, könnten eine direkte schädigende Wirkung auf die Nervenwurzeln haben.
  • Ischämie: Eine verminderte Blutversorgung der Nervenwurzeln durch Vasokonstriktion oder Hypotension könnte zu TNS führen.
  • Entzündung: Eine Entzündungsreaktion im Bereich der Nervenwurzeln als Folge der Punktion oder der Lokalanästhetikainjektion könnte TNS verursachen.
  • Muskelverspannung: Muskelverspannungen im Bereich des Rückens und der Beine aufgrund der ungewohnten Lagerung während der Operation könnten zu den Schmerzen beitragen.

Differentialdiagnose

Es ist wichtig, TNS von anderen neurologischen Komplikationen nach Spinalanästhesie abzugrenzen, die schwerwiegender sein können. Dazu gehören:

  • Epidurales Hämatom: Eine Blutung im Epiduralraum kann zu einer Kompression des Rückenmarks und zu neurologischen Ausfällen führen.
  • Spinales Hämatom: Eine Blutung im Subarachnoidalraum kann ähnliche Symptome wie ein epidurales Hämatom verursachen.
  • Meningitis: Eine Entzündung der Hirnhäute kann nach einer Spinalanästhesie auftreten und zu Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit und neurologischen Symptomen führen.
  • Cauda-Equina-Syndrom: Eine Schädigung der Cauda equina, dem Nervenwurzelgeflecht im unteren Spinalkanal, kann zu Blasen- und Mastdarmstörungen sowie zu Lähmungen der Beine führen.
  • Adhäsive Arachnoiditis: Eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation, bei der es zu einer Entzündung und Verklebung der Arachnoidea kommt, was zu chronischen Schmerzen und neurologischen Ausfällen führen kann.

Prävention

Einige Maßnahmen können helfen, das Risiko für TNS nach Spinalanästhesie zu verringern:

  • Wahl des Lokalanästhetikums: Die Verwendung von Lokalanästhetika, die weniger häufig mit TNS in Verbindung gebracht werden, wie Bupivacain oder Ropivacain, kann eine Option sein.
  • Sorgfältige Punktionstechnik: Eine atraumatische Punktionstechnik mit möglichst wenigen Punktionsversuchen kann das Risiko für TNS reduzieren.
  • Vermeidung der Steinschnittlagerung: Wenn möglich, sollte die Steinschnittlagerung vermieden oder die Lagerungszeit verkürzt werden.
  • Adäquate Flüssigkeitszufuhr und Blutdruckkontrolle: Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und die Aufrechterhaltung eines stabilen Blutdrucks können die Durchblutung der Nervenwurzeln gewährleisten.

Therapie

TNS sind in der Regel selbstlimitierend und erfordern keine spezifische Therapie. Symptomatische Maßnahmen können jedoch helfen, die Beschwerden zu lindern:

  • Schmerzmittel: Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac können zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
  • Muskelrelaxantien: Muskelrelaxantien können bei Muskelverspannungen helfen.
  • Physiotherapie: Physiotherapeutische Maßnahmen wie Dehnübungen und Massagen können die Muskeln entspannen und die Durchblutung fördern.

Fazit

Transiente neurologische Symptome (TNS) sind eine häufige, aber in der Regel harmlose Komplikation nach Spinalanästhesie. Die Symptome sind meist selbstlimitierend und verschwinden innerhalb weniger Tage. Durch die Wahl des Lokalanästhetikums, eine sorgfältige Punktionstechnik und die Vermeidung von Risikofaktoren kann das Risiko für TNS reduziert werden. Eine symptomatische Behandlung kann helfen, die Beschwerden zu lindern. Es ist wichtig, TNS von anderen, schwerwiegenderen neurologischen Komplikationen abzugrenzen und diese gegebenenfallsDifferentialdiagnostisch auszuschliessen und einer adäquaten neurologischen Behandlung und Überwachung zuzuführen.

Die Spinalanästhesie ist ein effektives Verfahren, um Operationen an Becken und unterer Extremität durchzuführen, insbesondere bei Patienten mit spezifischen kardiovaskulären oder neurologischen Erkrankungen. Die Entscheidung für eine Spinalanästhesie sollte jedoch immer nach sorgfältiger Anamnese, körperlicher Untersuchung und Aufklärung des Patienten erfolgen. Direkt vor der Spinalanästhesie werden Blutdruck und Herzfrequenz gemessen, diese Parameter werden während des gesamten Verlaufs beobachtet. Anschließend erfolgen das Legen eines venösen Zugangs und die Gabe einer Elektrolytlösung. Der Patient kann zum Legen einer Spinalanästhesie entweder in Seitenlage oder im Sitzen gelagert werden, wichtig ist dabei die Krümmung der Wirbelsäule (Buckel), da die Wirbelkörper und die Dornfortsätze so auseinandergezogen werden. Zunächst erfolgt eine Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung) der Einstichstelle und anschließend wird der Subarachnoidalraum lokalisiert. Dieses erfolgt mithilfe der Technik des Widerstandsverlustes, dabei orientiert sich der Anästhesist an den anatomischen Widerständen, die seiner Nadel begegnen.

Die unilaterale (einseitige) Spinalanästhesie ist für alle Operationen, die nur eine untere Extremität betreffen, ein geeignetes Verfahren. Bei der unilateralen Spinalanästhesie werden in Seitenlage hyper- (oder hypo)bare Lokalanästhetikumlösungen langsam injiziert. Dieses Verfahren benötigt eine etwas längere Vorbereitungszeit und einen langsameren Wirkeintritt. Die Anästhesie setzt in der Regel sofort ein, kann aber auch erst mit einer Latenz von bis zu 10 Minuten wirken.

Im Aufwachraum muss der Patient durchgehend im Hinblick auf Blutdruck und Herzfrequenz überwacht werden. Nach der Spinalanästhesie ist eine spezielle, neurologische Überwachung indiziert, da in seltenen Fällen die Möglichkeit einer Spinalblutung besteht. Diese kann zu starken radikulären Schmerzen, fortschreitenden motorischen und sensiblen Ausfällen sowie zu Blasenentleerungsstörungen führen und muss sofort neurologisch behandelt werden.

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