Die Tuberöse Sklerose (TS), auch bekannt als Tuberöse Sklerose Komplex (TSC) oder Morbus Bourneville-Pringle, ist eine autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung, die zu den Phakomatosen (neurokutane Syndrome) gehört. Sie ist durch multiple, lokale Areale unvollständiger und abnormer Gewebedifferenzierung, sogenannte Hamartien, gekennzeichnet, die bei verstärkter Proliferation als Hamartome bezeichnet werden, aber gutartig bleiben. Die Inzidenz wird mit ca. 1:6.000 bis 1:7.000 angegeben.
Ursachen und Genetik
Ursächlich für die Tuberöse Sklerose sind Mutationen in den TSC-Genen TSC1 und TSC2. In Familien mit mehreren Betroffenen sind Varianten des TSC1- und des TSC2-Gens gleich häufig, 70% der TSC-Fälle treten allerdings sporadisch durch Neumutationen auf, wobei in diesen Fällen nur in 10-15% TSC1 und in 70% TSC2 verändert ist. Insgesamt sind TSC2-Varianten drei- bis viermal häufiger als TSC1-Varianten. Die Genprodukte Tuberin und Hamartin bilden einen Komplex und haben eine zentrale Funktion innerhalb grundlegender Signaltransduktionswege, über die Zelladhäsion, Transkription und Zellproliferation, Vesikeltransport und Zellmigration gesteuert werden. Eine zentrale Rolle stellt die Insulin-vermittelte mTOR-Signaltransduktion dar. Der Tuberin-Hamartin-Komplex inhibiert die Aktivität der Serin-Kinase mTOR (mammalian Target of Rapamycin). Infolge von pathogenen TSC1- oder TSC2-Varianten kommt es zur Überaktivierung der mTOR-Signaltransduktion und zu einer verstärkten Proliferation in den charakteristischen TSC-Läsionen. Durch die Interaktion von Hamartin und Tuberin führt die Inaktivierung beider Kopien eines der beiden TSC-Gene zum Funktionsverlust des gesamten Proteinkomplexes und somit zur gleichen Pathogenese. Bei Ausfall des TSC1/TSC2-Komplexes kann die aktivierte mTOR-Signaltransduktion auch durch Medikamente gehemmt werden. Die Varianten sind in beiden TSC-Genen über nahezu alle Exons bzw. angrenzende Intronsequenzen verteilt und umfassen alle Mutationstypen. Im TSC1-Gen machen Varianten, die zum vorzeitigen translationalen Stop führen, mit ca. 90% den Hauptanteil aus. Dagegen sind pathogene Missense-Varianten und größere genomische Deletionen mit weniger als 6% bzw. 3% relativ selten. Im TSC2-Gen sind alle Arten von kleinen Nukleotidveränderungen etwa gleich häufig, wobei die Konsequenz ebenfalls in 75% ein vorzeitiger translationaler Stop ist. Verluste größerer Genbereiche machen etwa 5% aus, wobei in 4,5% Teile des Gens und 0,5% das gesamte Gen betreffen. Von den kompletten Gendeletionen ist in der Hälfte neben dem TSC2-Gen zusätzlich das chromosomal benachbarte PKD1-Gen für die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) betroffen.
Aufgrund von Mutationen in den Tumorsuppressorgenen TSC1 und TSC2 kommt es zu einer gestörten Zellphysiologie. Die Tumorsuppressorproteine hemmen die übermäßige Proliferation von Zellen und regulieren deren Wachstum und Zellzyklus. Die Genprodukte Tuberin und Hamartin hemmen über den mTOR-Signalweg das Zellwachstum. Der Tuberin-Hamartin-Komplex inhibiert die Kinase mTOR1.
Klinische Manifestationen
TSC kann sich in fast allen Organen manifestieren, wobei Gehirn, Herz, Nieren, Lunge, Haut und Augen am häufigsten betroffen sind. Die Organmanifestationen sind jedoch alle fakultativ, keines dieser Symptome ist immer nachweisbar. Einige Symptome haben keinen Krankheitswert, weisen jedoch darauf hin, dass die betroffene Person Anlageträger ist.
Zu den Hauptsymptomen gehören:
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- Hautveränderungen: Diese sind oft ein wichtiges diagnostisches Kriterium.
- Neurologische Symptome: Epilepsie und kognitive Beeinträchtigungen sind häufig.
- Tumoren in verschiedenen Organen: Gutartige Tumoren können in Niere, Herz, Gehirn und anderen Organen auftreten.
Hautveränderungen im Detail
Fast alle Patienten mit TSC zeigen sogenannte "White Spots" bzw. hypomelanotische Flecken. Diese Depigmentierungen sind bei älteren Patienten und gebräunter Haut oft gut sichtbar; bei Säuglingen muss danach aber mit ultraviolettem Licht („Wood-Lampe") gezielt gesucht werden. Diese ähneln in ihrer Form oft einem Eschenblatt.
Weitere charakteristische Hautsymptome sind:
- Faziale Angiofibrome (Adenoma sebaceum): Bilateral symmetrische, rötliche Knötchen im Gesicht, die oft als kosmetisch störend empfunden werden. Sie treten typischerweise auf der Nase, den Wangen und am Kinn lokalisiert und in Form eines Schmetterlings verteilt auf. Die Angiofibrome treten meist im Alter von drei bis vier Jahren in Erscheinung und werden mit zunehmendem Alter auffälliger. Aufgrund der enthaltenen Gefäße neigen sie bei Verletzung leicht zum Bluten.
- Shagreen-Patch (Pflasterstein-Naevus): Ein Areal verdickter Haut, das sich wie eine "Pflasterstein"-Oberfläche anfühlt, meist im unteren Rückenbereich. Sie fühlen sich an, als wären kleine Pflastersteine aneinandergereiht worden wären. So kann sich eine Ausdehnung von mehreren Zentimetern im Durchmesser für ein Pflasterstein-Muttermal ergeben.
- Fibrome: Gutartige Tumoren unterhalb der Fingernägel (subunguale Fibrome) oder an den seitlichen Nagelrändern (Koenen-Tumoren). Letztere treten meist später als die übrigen Hautveränderungen auf. Die kleinen, hautfarbenen Knötchen befinden sich an den seitlichen Nagelrändern oder in der Nagelwachstumszone. Je nach Wuchsrichtung oder Lokalisation z. B. Druck im Schuh verursachen und dadurch schmerzen oder bluten.
- Stirnplaque: Ein erhabener, oft auch an der behaarten Kopfhaut, meist an der Stirn-Haar-Grenze, auftretender Bereich verdickter Haut. Diese können eine Größe von mehreren Zentimetern erreichen. Sie bestehen, wie auch die Pflasterstein-Muttermale, entweder schon bei Geburt oder entwickeln sich innerhalb der ersten zehn Lebensjahre.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Hautveränderungen zwar typisch für TSC sind, aber auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Eine sorgfältige Untersuchung und Diagnose ist daher entscheidend.
Weitere Organmanifestationen
Neben den Hautveränderungen können bei TSC auch andere Organe betroffen sein:
- Zentralnervensystem (ZNS): Subependymale Knötchen, subependymale Riesenzellastrozytome (SEGA) und kortikale Tubera. Die Riesenzellastrozytome können aber zu einem Aufstau des Nervanwasserabflusses (Hydrozephalus) führen. Die kortikalen Tubera können zu epileptischen Anfällen, Wesensänderungen, Verhaltensauffälligkeiten und neurokognitiven Problemen führen. Bis zu 90% der Patienten mi TSC entwickeln eine Epilepsie.
- Herz: Kardiale Rhabdomyome, die aber meist ohne spezifische Therapie im Verlauf zurückbilden. Selten kann es aber auch zu Rhythmusstörungen oder einer Einschränkung der Herzfunktion kommen.
- Nieren: Angiomyolipome und Zysten, die zu Einschränkungen der Nierenfunktion und Nierenblutungen führen können.
- Lunge: Lymphangioleiomyomatose (LAM), eine seltene Komplikation, die vor allem bei jungen Frauen auftritt.
Diagnose
Anhand der aktualisierten, 2013 veröffentlichten diagnostischen Kriterien kann die Diagnose Tuberöse Sklerose (TSC) sowohl genetisch als auch klinisch gestellt werden. Demnach ist der alleinige Nachweis einer pathogenen Variante im TSC1- oder TSC2-Gen ausreichend für die Diagnosestellung. Die Diagnose wird klinisch anhand von bestimmten Kriterien gestellt und durch die Gendiagnostik bestätigt.
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Bei Verdacht auf tuberöse Sklerose werden in der Regel unterschiedliche Untersuchungen durchgeführt:
- Hautuntersuchung: Beurteilung der typischen Hautveränderungen.
- Neurologische Untersuchung: Abklärung von Epilepsie, Entwicklungsverzögerungen und anderen neurologischen Symptomen.
- Bildgebung: CT oder MRT des Gehirns, Ultraschalluntersuchungen der Nieren und des Herzens.
- Genetische Untersuchung: Analyse der TSC1- und TSC2-Gene zur Bestätigung der Diagnose.
Therapie
Tuberöse Sklerose ist nicht heilbar. Der interdisziplinäre Therapieansatz dient der Überwachung und Behandlung der klinischen Manifestationen der tuberösen Sklerose. Die Therapie ist symptomatisch, antiepileptisch sowie heilpädagogisch.
Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Zu den wichtigsten Therapieansätzen gehören:
- Antiepileptische Medikamente: Zur Kontrolle von epileptischen Anfällen.
- mTOR-Inhibitoren (Sirolimus, Everolimus): Eine neue Behandlungsmethode stellen die mTOR-Inhibitoren wie Sirolimus und Everolimus dar, die in den mTOR-Signalweg eingreifen. Für die Behandlung von epileptischen Anfällen, von Angiomyolipomen der Niere und von Riesenzellastrozytomen des Gehirns ist Rapamycin (Everolimus, Sirolimus) zugelassen.
- Topische Rapamycin-Therapie: Eine australisch-amerikanische Arbeitsgruppe hat nun Daten einer randomisierten, doppel-verblindeten Studie an 179 Patienten mit TSC-abhängigen fazialen Angiofibromen publiziert, bei denen eine topische Rapamycin-Therapie getestet wurde. Nach 6 Monaten unter dieser topischen Behandlung verzeichneten die mit der 1%-igen Formulierung therapierten Patienten eine Verbesserung des AGS um 16,7 Punkte im Vergleich zu 11,0 Punkten bei 0,1-%-Konzentration und zu 2,1 Punkten in der Kontrollgruppe. Bei Vergleich der Fotos wurden von den Experten Verbesserungen gegenüber dem Ausgangsbefund in 81,8 % (1 % Rapamycin), 65,5 % (0,1 % Rapamycin) und 25,5 % (Kontrollgruppe) festgestellt. Die Verträglichkeit der topischen Medikation wird als gut und ohne messbare systemische Absorption beschrieben. An Nebenwirkungen traten bei 10 % in der Rapamycin-1-%-Gruppe Schmerz und bei 8,5 % Pruritus an der Applikationsstelle auf.
- Lasertherapie und Chirurgie: Zur Entfernung von Angiofibromen und anderen Hautveränderungen. Laserbehandlungen oder bei sehr schweren Verläufen chirurgische Verfahren in Betracht gezogen werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Angiofibrome wieder nachwachsen.
- Weitere Therapien: Je nach Bedarf können weitere Therapien wie Ergotherapie, Logopädie und psychologische Unterstützung erforderlich sein.
Behandlung von Hautveränderungen
Für die Behandlung von fazialen Angiofibromen steht eine standardisierte Gelformulierung zur medikamentösen Behandlung dieser Hautveränderungen für Patienten mit TSC im Alter ab 6 Jahren zur Verfügung. Häufige Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Applikationsstelle, Juckreiz, Akne, akneähnlicher Hautausschlag, Augenrötung und Hautreizungen. Um die Wirkung sollten Betroffene aber nach Möglichkeit Sonnenlicht meiden und geeignete Sonnenschutzmaßnahmen treffen. Die systemische Verfügbarkeit ist gering.
Zusätzlich zu den genannten Therapien können Laserbehandlungen oder in schweren Fällen chirurgische Verfahren in Betracht gezogen werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Angiofibrome wieder nachwachsen.
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Prognose
Die Ausprägung der Symptome und Einschränkungen kann sehr unterschiedlich sein. Patientinnen mit Epilepsie, die vor dem 12. Lebensmonat auftritt, haben eine schlechtere Prognose hinsichtlich ihrer Beschwerden. Eine gute Anfallskontrolle scheint sich positiv auf geistige Entwicklungsprozesse auszuwirken. Der Umfang der Behandlung hängt teilweise vom Ausmaß der Erkrankung und den betroffenen Organsystem ab. Im Allgemeinen sollten sich Patientinnen mindestens zu jährlichen Routinekontrollen bei Hausärztinnen und anderen Spezialistinnen (wie Neurolog*innen) vorstellen.
Renale Komplikationen (Nierenzellkarzinom, rupturierte Angiomyolipome, Niereninsuffizienz) bestimmen die Prognose.
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