Tuberöse Sklerose: Ein umfassender Leitfaden für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte

Die Tuberöse Sklerose (TS), auch bekannt als Tuberöse Sklerose Komplex (TSC), ist eine seltene, autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung, die durch das Wachstum von gutartigen Tumoren (Hamartomen) in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist. Betroffen sein können vor allem Haut, Gehirn, Nieren, Herz und Lunge. Die Erkrankung gehört zur Gruppe der Phakomatosen (neurokutane Syndrome). Die Symptome und der Schweregrad der TSC können stark variieren, was die Diagnose und Behandlung zu einer interdisziplinären Herausforderung macht.

Was ist Tuberöse Sklerose?

Die Tuberöse Sklerose ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die durch Mutationen in den Genen TSC1 oder TSC2 verursacht wird. Diese Gene spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation des Zellwachstums und der Zellteilung. Mutationen in diesen Genen führen zu einer gestörten Zellphysiologie und einem ungebremsten Zellwachstum, was die Bildung von Hamartomen in verschiedenen Organen erklärt.

Die Prävalenz der Tuberösen Sklerose wird auf etwa 1:6.000 geschätzt. Da die Symptome sehr unterschiedlich sein können, wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen.

Ursachen der Tuberösen Sklerose

Ursächlich für die Tuberöse Sklerose sind Mutationen in den Genen TSC1 (Genlokus 9q34) und TSC2 (Genlokus 16p13.3). Diese Mutationen werden autosomal-dominant vererbt. In etwa 30 % der Fälle tritt die Mutation spontan auf, ohne dass ein Elternteil betroffen ist. Die Genprodukte Tuberin und Hamartin hemmen über den mTOR-Signalweg das Zellwachstum. Der Tuberin-Hamartin-Komplex inhibiert die Kinase mTOR1. Mutationen in den TSC-Genen führen zu Störungen der Proteine Hamartin (TSC1) bzw. Tuberin (TSC2). Die Folge ist ein ungebremstes Zellwachstum, das die zumeist gutartigen Tumore erklärt.

Symptome der Tuberösen Sklerose

Die Tuberöse Sklerose manifestiert sich durch eine große phänotypische Spannbreite. Nahezu immer sind Haut und Zentralnervensystem betroffen. Die Symptome können von sehr milden Hautveränderungen bis hin zu schweren neurologischen Beeinträchtigungen reichen. Bei Kindern können die Symptome sehr diskret sein.

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Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Hautveränderungen:
    • Hypomelanotische Flecken (helle Flecken auf der Haut, auch "Ash-Leaf-Spots" genannt)
    • Angiofibrome (rote, knotenartige Hautveränderungen im Gesicht, insbesondere im Bereich der Nase und Wangen)
    • Fibröse Plaques (erhabene, verdickte Hautbereiche, insbesondere auf der Stirn)
    • Shagreen-Patch (raue, lederartige Hautveränderungen im unteren Rückenbereich)
    • Unguale Fibrome (kleine, fleischfarbene Tumoren unter oder um die Nägel)
  • Neurologische Symptome:
    • Epilepsie (häufigste neurologische Manifestation, verschiedene Anfallsformen sind möglich)
    • Kognitive Beeinträchtigungen (Lernschwierigkeiten, geistige Behinderung)
    • Verhaltensauffälligkeiten (Autismus-Spektrum-Störungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Angst- und Zwangsstörungen, selbstverletzendes Verhalten)
    • Subependymale Riesenzellastrozytome (SEGA) (gutartige Tumoren im Gehirn, die zu erhöhtem Hirndruck führen können)
  • Nierenbeteiligung:
    • Angiomyolipome (gutartige Tumoren der Niere, können zu Blutungen und Nierenfunktionsstörungen führen)
    • Zysten (flüssigkeitsgefüllte Hohlräume in der Niere)
    • Nierenzellkarzinome (selten, aber erhöhtes Risiko bei TSC-Patienten)
  • Herzprobleme:
    • Herzrhabdomyome (gutartige Tumoren des Herzens, treten häufig im Säuglingsalter auf und können sich spontan zurückbilden)
  • Lungenbeteiligung:
    • Lymphangioleiomyomatose (LAM) (vor allem bei erwachsenen Frauen, führt zu Zystenbildung in der Lunge und kann die Atmung beeinträchtigen)
  • Augenveränderungen:
    • Retinale Hamartome (gutartige Tumoren der Netzhaut, können das Sehvermögen beeinträchtigen)
  • Weitere Organmanifestationen:
    • Hamartome in Leber, Milz, Darm und Zunge
    • Zahnfleischtumoren (Fibrome)
    • Zahnschmelzdefekte (Enamel Pitting)

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Patienten mit Tuberöser Sklerose alle diese Symptome entwickeln. Der Verlauf der Erkrankung ist sehr variabel, und einige Patienten haben nur wenige und milde Symptome, während andere schwer betroffen sind.

Diagnose der Tuberösen Sklerose

Die Diagnose der Tuberösen Sklerose basiert auf klinischen Kriterien, die von der International Tuberous Sclerosis Complex Consensus Conference festgelegt wurden. Diese Kriterien umfassen sowohl Haupt- als auch Nebenkriterien. Die Diagnose kann gestellt werden, wenn eine bestimmte Anzahl von Haupt- und Nebenkriterien erfüllt ist.

Hauptkriterien:

  • Hypomelanotische Flecken (≥ 3, mindestens 5 mm Durchmesser)
  • Angiofibrome (≥ 3) oder fibröse Stirnplaque
  • Unguale oder periunguale Fibrome (≥ 2)
  • Shagreen-Patch
  • Multiple retinale noduläre Hamartome
  • Kortikale Dysplasien (einschließlich Tuber und zerebrale White Matter Radial Migrationslinien)
  • Subependymale Riesenzellastrozytome (SEGA)
  • Herzrhabdomyom (≥ 1)
  • Lymphangioleiomyomatose (LAM)
  • Angiomyolipom (≥ 2)

Nebenkriterien:

  • Multiple Zahnschmelzdefekte
  • Multiple intraorale Fibrome
  • Retinales achromisches Areal
  • Multiple Nierenzysten
  • Nicht-renales Hamartom

Eine definitive Diagnose kann gestellt werden, wenn entweder zwei Hauptkriterien oder ein Hauptkriterium mit zwei Nebenkriterien vorliegen.

Zusätzlich zur klinischen Untersuchung können verschiedene bildgebende Verfahren eingesetzt werden, um die Diagnose zu unterstützen und das Ausmaß der Organbeteiligung zu beurteilen:

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  • MRT des Gehirns: zur Beurteilung von kortikalen Tubern, subependymalen Knötchen und SEGAs.
  • Nierenultraschall: zur Beurteilung von Angiomyolipomen und Zysten.
  • Echokardiografie: zur Beurteilung von Herzrhabdomyomen.
  • CT des Thorax: zur Beurteilung von LAM.
  • Augenärztliche Untersuchung: zur Beurteilung von retinalen Hamartomen.

Eine genetische Analyse kann die Diagnose bestätigen, insbesondere in Fällen, in denen die klinischen Kriterien nicht eindeutig erfüllt sind. Die genetische Untersuchung umfasst die Analyse der Gene TSC1 und TSC2. Die diagnostische Ausbeute bei Untersuchung der TSC1- und TSC2-Gene liegt bei 75-90%.

Die Tuberöse Sklerose kann pränatal mittels Sonografie oder genetischer Pränataldiagnostik diagnostiziert werden.

Therapie der Tuberösen Sklerose

Die Therapie der Tuberösen Sklerose ist komplex und erfordert einen interdisziplinären Ansatz. Da die Erkrankung verschiedene Organe betreffen kann, ist die Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachrichtungen (Neuropädiater, Kardiologen, Nephrologen, Pneumologen, Dermatologen, Augenärzte, Psychiater) erforderlich.

Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu verhindern. Es gibt keine Heilung für die Tuberöse Sklerose.

Die wichtigsten Therapieansätze sind:

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  • Antiepileptische Therapie: zur Kontrolle von epileptischen Anfällen. Verschiedene Antiepileptika können eingesetzt werden, abhängig von der Art der Anfälle. In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um Anfälle zu kontrollieren.
  • mTOR-Inhibitoren: Sirolimus und Everolimus sind Medikamente, die in den mTOR-Signalweg eingreifen und das Wachstum von Tumoren reduzieren können. Sie werden zur Behandlung von SEGAs und Angiomyolipomen eingesetzt.
  • Chirurgische Eingriffe: können erforderlich sein, um große Angiomyolipome zu entfernen, SEGAs zu behandeln oder andere Komplikationen zu beheben.
  • Verhaltenstherapie und pädagogische Förderung: zur Unterstützung von Kindern mit kognitiven Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten.
  • RegelmäßigeScreenings: zur Überwachung des Wachstums von Tumoren und zur Früherkennung von Komplikationen. Dies umfasst regelmäßige MRT-Untersuchungen des Gehirns, Nierenultraschalluntersuchungen und augenärztliche Untersuchungen.

Die Behandlung der Tuberösen Sklerose sollte individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten sein.

Leben mit Tuberöser Sklerose

Das Leben mit Tuberöser Sklerose kann eine Herausforderung sein, sowohl für die Patienten als auch für ihre Familien. Es ist wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen können eine wertvolle Unterstützung bieten.

Am Samstag, den 13. September 2025, fand am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg ein Austausch zur seltenen Erkrankung Tuberöse Sklerose (TSC) statt. Unter dem Titel „Kaffeeklatsch mal anders“ konnten sich Familien mit betroffenen Kindern, erwachsene Patientinnen und Patienten und alle Interessierten über die Erkrankung informieren und austauschen. Zudem hielten Expertinnen des UKS Vorträge und standen für Fragen zur Verfügung. Themenschwerpunkt beim Treffen war die gesunde Ernährung bei TSC. Die Veranstaltung wurde gemeinsam vom zertifizierten TSC-Zentrum am UKS und der Selbsthilfevereinigung Tuberöse Sklerose Deutschland e. V. organisiert.

Eine gesunde Ernährung spielt eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Tuberösen Sklerose. Insbesondere bei Patienten mit Hypercholesterinämie (erhöhter Cholesterinspiegel im Blut) ist eine ausgewogene Ernährung wichtig. Die pädiatrische Diätassistentin der UKS-Kinderklinik, Sibylle Eisinger, hielt einen Vortrag zum Thema „Gesund essen bei Tuberöser Sklerose und Hypercholesterinämie: Ein Leitfaden für Betroffene“.

Forschung zur Tuberösen Sklerose

Die Forschung zur Tuberösen Sklerose hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Es wurden neue Medikamente entwickelt, die das Wachstum von Tumoren reduzieren können. Es wird auch an neuen Therapien geforscht, die die Ursachen der Erkrankung bekämpfen sollen.

Zusammenfassung

Die Tuberöse Sklerose ist eine komplexe Multisystemerkrankung, die durch das Wachstum von gutartigen Tumoren in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist. Die Symptome und der Schweregrad der Erkrankung können stark variieren. Die Diagnose basiert auf klinischen Kriterien und bildgebenden Verfahren. Die Therapie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu verhindern. mTOR-Inhibitoren haben die Behandlung von SEGAs und Angiomyolipomen revolutioniert. Die Forschung zur Tuberösen Sklerose hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, und es werden ständig neue Therapien entwickelt.

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