Tuberöse Sklerose: Verhaltensauffälligkeiten, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Die Tuberöse Sklerose (TS), auch bekannt als Bourneville-Pringle-Syndrom oder Tuberous Sclerosis Complex (TSC), ist eine seltene genetische Erkrankung, die durch das Wachstum von gutartigen Tumoren (Hamartomen) in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist. Besonders häufig sind das Gehirn, die Haut, die Nieren und das Herz betroffen. Die Erkrankung manifestiert sich oft bereits im Kindesalter und kann eine Vielzahl von Symptomen verursachen, die von Patient zu Patient unterschiedlich sein können. Dazu gehören epileptische Anfälle, Störungen der geistigen Entwicklung und Verhaltensauffälligkeiten.

Genetik und Ursachen

Die Tuberöse Sklerose wird in etwa 25 % der Fälle autosomal dominant vererbt. In den übrigen 50-80 % der Fälle tritt sie sporadisch auf, das heißt, sie entsteht durch eine neue Mutation. Bislang wurden zwei Gene identifiziert, die mit der Tuberösen Sklerose in Verbindung stehen: TSC1 (Chromosom 9) und TSC2 (Chromosom 16). In der Regel liegt nur eine Mutation in einem dieser Gene vor.

  • TSC1: Dieses Gen kodiert für Hamartin, ein Protein, das die Zelladhäsion im Zusammenspiel mit Aktin-Filamenten reguliert.
  • TSC2: Dieses Gen beeinflusst das Eiweiß mTOR, das für Zellwachstum und -teilung zuständig ist. Liegt eine genetische Veränderung von TSC1 oder TSC2 vor, wird die Aktivität von mTOR nicht mehr ausreichend gehemmt, was zu Veränderungen in der Zellstruktur und vermehrter Zellteilung führt. Dies führt zur Bildung von Hamartomen.

Symptome der Tuberösen Sklerose

Die Symptome der Tuberösen Sklerose sind vielfältig und können sich in unterschiedlicher Ausprägung zeigen. Die wichtigsten klinischen Symptome ergeben sich aus der Beteiligung verschiedener Organe:

ZNS (Zentralnervensystem)

  • Fehlbildungstumoren (Hamartome): Diese treten am Kortex und in periventrikulärer Lokalisation auf und sind im MRT sichtbar (Tuber corticale).
  • Subependymale Riesenzellastrozytome (SEGA): Diese Tumore können in die Ventrikelhöhle hineinragen.
  • Epileptische Anfälle: Sie treten bei bis zu 90 % der TS-Kranken auf. Liegen infantile Spasmen in Kombination mit einer Hypsarrhythmie im EEG vor, spricht man von einem West-Syndrom.
  • Geistige Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten: Diese können in unterschiedlicher Ausprägung auftreten, darunter Autismus und Lernbehinderungen. Es kommt zu einer deutlichen Einschränkung der Kognition.
  • Entwicklungsverzögerungen: Neurologische Abklärung bei Verhaltensauffälligkeiten und psychiatrischen Erkrankungen ist nötig.
  • Subependymale Noduli (SEN): Weitere Veränderungen im Gehirn, die bei Tuberöse Sklerose Complex abseits der Tubera und der Epilepsie auftreten und Beschwerden verursachen können.

Niere

  • Angiomyolipome: Diese Tumore haben eine Wachstumstendenz und neigen zu spontanen Rupturen mit lebensbedrohlichen Blutungen. Flankenschmerzen oder ein tastbarer Tumor können auftreten.
  • Nierenzysten: Multiple Nierenzysten sind ein Nebensymptom der Tuberösen Sklerose.
  • Nierenzellkarzinome können sich bei tuberöser Sklerose in sehr jungem Alter manifestieren.

Haut

  • Adenoma sebaceum (Angiofibrome der Haut): Hierbei handelt es sich um Angiofibrome der Haut, die wie ein vesikopapulöses Exanthem oder Akne im Gesicht aussehen. Schmetterlingsförmig angeordnete rotgelbliche Knötchen im Gesicht (Adenoma Sebaceum) entstehen nach einigen Jahren.
  • Hypopigmentierungen der Haut: Diese sind 1-3 cm groß und treten multipel auf. Erste Krankheitszeichen sind kleine, weiße blattförmige Flecken am Körper von Geburt an.
  • Bindegewebsnävi:
  • Hautläsionen:

Weitere Symptome

  • Herz: Fetale Herztumore (Rhabdomyome) können z. B. Herzklappen oder Herzkammern verengen und zu verminderter Kontraktionsfähigkeit des Herzens führen.
  • Lunge: Bei Frauen können ab der Pubertät Lungenveränderungen auftreten. In der Lunge treten Zysten auf, die symptomlos sein, aber im Falle eines Risses zu einem Pneumothorax (krankhafte Luftansammlung im Brustkorb) führen können.
  • Augen: Können zur Einschränkung des Sehfelds oder Sehvermögens führen. Am Augenhintergrund bilden sich tumoröse Knoten.
  • Zähne und Mundraum: Typisch sind Defekte des Zahnschmelzes und gutartige Tumore im Bereich des Zahnfleisches. Gingivale Fibrome sind ein Nebensymptom.
  • Hamartomatöse rektale Polypen:
  • Knochenzysten:
  • Nichtrenale Hamartome:
  • Verdauungsorgane, Knochen oder Zähne: Gewebswucherungen und -fehlbildungen können auftreten.

Diagnose

Die Diagnose der Tuberösen Sklerose wird in der Regel klinisch gestellt, entweder durch das Vorliegen von zwei Hauptsymptomen oder einem Hauptsymptom und zwei Nebensymptomen. Zu den Hauptsymptomen gehören beispielsweise Angiofibrome, kortikale Tubera und subependymale Riesenzellastrozytome. Nebensymptome sind unter anderem multiple Nierenzysten, nichtrenale Hamartome und Knochenzysten.

Weitere diagnostische Maßnahmen umfassen:

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  • Molekulargenetische Analyse: Diese ist zeit- und kostenaufwändig und führt nicht immer zum Nachweis der verursachenden Mutation. Sie kann aber in ca. 80% durch den Nachweis einer Mutation in einem der beiden TSC-Gene bestätigt werden.
  • Bildgebung: CT oder MRT des Gehirns, Ultraschalluntersuchungen der Nieren und des Herzens. Regelmäßige Bildgebung der Nieren ist wichtig, da sich Nierenzellkarzinome in sehr jungem Alter manifestieren können.
  • EEG (Elektroenzephalogramm): Zur Diagnose von Epilepsie.

Behandlung

Die Tuberöse Sklerose ist nach heutigem Stand nicht heilbar. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Da die Erkrankung sehr vielfältig sein kann, muss die Therapie individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden.

Behandlungsmöglichkeiten

  • Neurologische Therapie:
    • Antiepileptika: Zur Behandlung von Epilepsie und Spastik. Das Medikament Everolimus (EVE) kann bei therapieresistenten Epilepsien zu Erfolgen führen, wirkt aber immunsuppressiv und kann Nebenwirkungen haben.
    • mTOR-Inhibitoren: Zur Verkleinerung von subependymalen Riesenzellastrozytomen (SEGA).
    • Ketogene Diät: Eine fettreiche Ernährung kann sich bei Patient*innen mit häufigen epileptischen Anfällen positiv auswirken.
  • Urologische Therapie: Regelmäßige Bildgebung der Nieren zur Früherkennung von Nierenzellkarzinomen.
  • Chirurgische Eingriffe: Gelegentlich erforderlich, um Tumore zu entfernen, die zu groß werden oder Komplikationen verursachen.
  • Weitere Medikamente: Je nach Bedarf, z. B. Herzmedikamente.
  • Zahnmedizinische Untersuchungen: Regelmäßige Kontrollen sind wichtig.

Interdisziplinäre Betreuung

Eine umfassende interdisziplinäre Betreuung ist für Menschen mit Tuberöser Sklerose von großer Bedeutung. Dies beinhaltet die Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachrichtungen (Neuropädiatrie, Urologie, Dermatologie, Kardiologie, etc.), Therapeuten, Sozialarbeitern und Pflegekräften. Spezialisierte Zentren, wie das TSC-Zentrum Saarland am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS), bieten eine solche umfassende Betreuung für Kinder und Erwachsene an.

Frühzeitige Erkennung und Verlaufskontrollen

Um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, sind regelmäßige Verlaufskontrollen unerlässlich. Dies gilt insbesondere für die Nieren (regelmäßige Bildgebung) und das Gehirn (MRT-Kontrollen mindestens bis zum 25. Lebensjahr).

Verhaltensauffälligkeiten bei Tuberöser Sklerose

Verhaltensauffälligkeiten sind ein häufiges Symptom bei Menschen mit Tuberöser Sklerose. Diese können sich in vielfältiger Weise äußern, darunter:

  • Autismus-Spektrum-Störungen:
  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS):
  • Angststörungen:
  • Depressionen:
  • Aggressives Verhalten:
  • Schlafstörungen:
  • Lernschwierigkeiten:
  • Geistige Behinderung:

Die Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten bei Tuberöser Sklerose sind komplex und können verschiedene Faktoren umfassen, wie z. B. die Auswirkungen der Tumore im Gehirn, die Epilepsie, genetische Faktoren und psychosoziale Belastungen.

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Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten

Der Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten bei Tuberöser Sklerose erfordert einen individuellen und multidisziplinären Ansatz. Mögliche Maßnahmen umfassen:

  • Verhaltenstherapie:
  • Ergotherapie:
  • Logopädie:
  • Medikamentöse Behandlung: In einigen Fällen können Medikamente zur Behandlung von spezifischen Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt werden.
  • Pädagogische Förderung:
  • Psychologische Unterstützung: Für Betroffene und ihre Familien.

Prognose

Die Prognose der Tuberösen Sklerose hängt von der Ausprägung der Erkrankung und den betroffenen Organsystemen ab. Renale Komplikationen (Nierenzellkarzinom, rupturierte Angiomyolipome, Niereninsuffizienz) bestimmen die Prognose. Eine gute Anfallskontrolle scheint sich positiv auf geistige Entwicklungsprozesse auszuwirken. DankFortschritten in der medizinischen Versorgung und der Entwicklung neuer Therapien können viele Menschen mit Tuberöser Sklerose heute ein weitgehend normales und produktives Leben führen.

Tuberöse Sklerose - Informationen für Betroffene und Angehörige

Die Diagnose Tuberöse Sklerose kann für Betroffene und ihre Familien eine große Herausforderung darstellen. Es ist wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren und sich Unterstützung zu suchen.

Anlaufstellen und Unterstützung

  • Tuberöse Sklerose Deutschland e.V.: Bietet Informationen, Beratung und Unterstützung für Betroffene und ihre Familien.
  • Spezialisierte Zentren: Wie das TSC-Zentrum Saarland am UKS.
  • Selbsthilfegruppen: Bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Leben mit Tuberöser Sklerose

Mit der richtigen Behandlung und Unterstützung können Menschen mit Tuberöser Sklerose ein erfülltes Leben führen. Wichtig ist, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen, regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen und eine individuelle Therapie zu erhalten. Auch eine gesunde Lebensweise, ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung können dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern.

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