Epilepsie und epileptische Anfälle: Ein umfassender Überblick

Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle sind kurzzeitige Funktionsstörungen des Gehirns, die in der Regel plötzlich und ohne erkennbaren Auslöser auftreten und nach wenigen Sekunden bis Minuten wieder verschwinden. Der Begriff "epileptischer Anfall" ist eine Sammelbezeichnung für sehr unterschiedliche Krankheitsbilder. Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht jeder einmalige Anfall gleichbedeutend mit einer Epilepsie ist.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Ein epileptischer Anfall, oft auch als Krampfanfall bezeichnet, entsteht durch eine Störung der elektrochemischen Signalübertragung der Nervenzellen im Gehirn. Das harmonische Zusammenspiel der Nervenzellen (Neurone) im menschlichen Gehirn wird plötzlich gestört, und viele Nervenzellen entladen sich gleichzeitig und reizen entweder einzelne Hirnregionen oder beide Gehirnhälften. Dieser ungewohnte Impuls führt zum epileptischen Anfall.

Die Erscheinungsform und Ausprägung eines epileptischen Anfalls hängt von der jeweils betroffenen Gehirnregion ab. Manche Patienten verspüren zum Beispiel nur ein leichtes Zucken oder Kribbeln einzelner Muskeln. Andere sind kurzzeitig "wie weggetreten" (abwesend).

Gelegenheitsanfall vs. Epilepsie

Tritt der Anfall nur einmalig auf, wird er als "Gelegenheitsanfall" bezeichnet. Etwa 5-10 % aller Menschen erfahren einmal in ihrem Leben einen solchen Gelegenheitsanfall. Ursachen hierfür können z.B. akute Erkrankungen des Gehirns (z. B. bei einer begrenzten Entzündung des Gehirns mit Eiterbildung, einem sogenannten Hirnabszess), schwere Kopfverletzungen, Situationen, in denen das Gehirn nicht genug Sauerstoff bekommt, oder die Einnahme einer Überdosis von Medikamenten sein.

Bei einer Epilepsie hingegen liegt eine langfristige Veränderung des Gehirns vor. Sie äußert sich durch wiederholt auftretende epileptische Anfälle, die nur mit geeigneten therapeutischen Maßnahmen wirksam behandelt werden können. Es treten mindestens zwei epileptische Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auf. Meist kommen diese Anfälle "aus dem Nichts" (unprovozierte Anfälle).

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Definition der Epilepsie nach ILAE

Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) definiert Epilepsie wie folgt:

  1. Es treten mindestens zwei epileptische Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auf.
  2. Es tritt zwar nur ein einziger unprovozierter Anfall oder Reflexanfall auf, aber die Wahrscheinlichkeit für weitere Anfälle in den nächsten zehn Jahren liegt bei mindestens 60 Prozent.
  3. Es liegt ein sogenanntes Epilepsie-Syndrom vor, zum Beispiel das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS).

Ursachen und Auslöser epileptischer Anfälle

Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig. Neben angeborenen und erworbenen strukturellen Schädigungen des Gehirns können akute Reizungen, zum Beispiel durch hohes Fieber, Alkoholvergiftungen oder Entzündungen des Gehirns beziehungsweise der Hirnhäute, einen epileptischen Anfall, eine Anfallsserie oder sogar einen sogenannten Status epilepticus als lebensbedrohliche Krise auslösen.

Einige mögliche Ursachen und Auslöser sind:

  • Genetische Faktoren
  • Schädel-Hirn-Trauma (z.B. Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt, z.B. Durchblutungsstörung (z.B. Akute Krankheit (z.B.
  • Auslöser wie z.B.

Oft ist die genaue Ursache jedoch unbekannt.

Arten von epileptischen Anfällen

Epileptische Anfälle können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden, wobei die Unterscheidung zwischen fokalen und generalisierten Anfällen am häufigsten ist.

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Fokale Anfälle

Fokale Anfälle, auch als partielle oder lokalisationsbezogene epileptische Anfälle bezeichnet, gehen immer von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung (früher auch komplex-fokal genannt) und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung (früher einfach fokale Anfälle).

Die Symptome fokaler Anfälle richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. Eine häufige Anfallsform fokalen Ursprungs sind vegetative fokale Anfälle. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden in der Literatur beschrieben. Die Sinneswahrnehmung kann durch einen fokalen Anfall gestört werden. Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster, wie z. B. Schmatzen oder Nesteln.

Generalisierte Anfälle

Bei generalisierten Anfällen lässt sich keine bestimmte Hirnregion zuordnen, in der der epileptische Anfall entsteht. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen.

Zu den häufigsten Formen generalisierter Anfälle gehören:

  • Absencen: Es kommt zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient bzw. die Patientin seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere.
  • Myoklonische Anfälle: Sie verursachen keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußern sich mit Muskelzuckungen.
  • Tonisch-klonische Anfälle (Grand-mal-Anfälle): Sie sind die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht. Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient bzw. die Patientin im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann.
  • Atonische Anfälle: Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.

Diagnose von Epilepsie

Kommt es erstmalig zu einem Anfall bzw. besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer Epilepsie, sollte von einem in der Epilepsiebehandlung erfahrenem Facharzt geprüft werden, ob es sich dabei um einen epileptischen Anfall oder ein anderes behandlungsbedürftiges Ereignis gehandelt hat. Die Epilepsiediagnostik ist ein Prozess, bei dem verschiedene Untersuchungen durchgeführt und deren Ergebnisse aufeinander bezogen werden müssen.

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Zu den wichtigsten diagnostischen Maßnahmen gehören:

  • Anamnese: Eine genaue Beschreibung des ersten Anfalls, welche Medikamente bereits eingenommen wurden und bei welchem Medikament weniger Anfälle und/oder Nebenwirkungen auftraten. Da häufig Teile des Anfalls oder der ganze Anfall nicht bewusst miterlebt werden, ist eine möglichst gute Fremdbeschreibung - z.B. durch Angehörige, Freunde, Arbeitskollegen - unverzichtbar. Hilfreich kann auch die Aufzeichnung einer kurzen Videosequenz mit dem Handy sein.
  • EEG (Elektroenzephalografie): Die Ableitung von elektrischer Hirnaktivität über etwa 45 Minuten (Standard-EEG) bzw. mehrere Tage unter gleichzeitiger Videografie (EEG-Video-Monitoring), um mit der elektrischen Hirnaktivität beziehungsweise deren Abweichung von der Norm das in diesem Moment gezeigte Verhalten und die Bewegungen der Betroffenen abzugleichen und zuzuordnen.
  • MRT (Magnetresonanztomographie): Mit Hilfe der MRT-Untersuchung (auch Kernspintomogramm genannt) können hirnorganische Veränderungen sichtbar gemacht werden. Diese können Hinweise auf die Ursache der Epilepsie bzw. der epileptischen Anfälle geben.

Behandlung von Epilepsie

Welche Behandlung sinnvoll ist, hängt von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf ab. Meist wird eine Epilepsie mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Es stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung.

Medikamentöse Therapie

Die Epilepsiebehandlung wird in der Regel medikamentös begonnen, mit sogenannten Antiepileptika. Diese werden zur Vorbeugung von epileptischen Anfällen, aber auch zur Unterbrechung akuter Anfälle eingesetzt. Antiepileptika wirken direkt auf das Nervensystem und die Nervenzellen. Sie sorgen dafür, dass die Reizweiterleitung der Nerven gehemmt und die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn vermindert wird. Im Wesentlichen werden zwei Wirkmechanismen unterschieden: Die Blockierung epileptischer Impulse sowie das Verhindern der Ausbreitung epileptischer Aktivität.

Wenn ein Medikament in einer niedrigen Dosierung nicht wirkt, kann zunächst die Dosis erhöht werden. Zeigt sich kein Erfolg, probiert man ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder kombiniert mehrere Wirkstoffe.

Wer sich für eine Behandlung mit Medikamenten entscheidet, nimmt diese meist über mehrere Jahre ein. Wenn in dieser Zeit keine Anfälle aufgetreten sind, können manche Menschen versuchsweise auf Medikamente verzichten. Andere benötigen ihr Leben lang Medikamente.

Antiepileptika können Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Schwindel haben. Manchmal bestehen spezielle Risiken, zum Beispiel während der Schwangerschaft für das ungeborene Kind. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist dann besonders wichtig.

Chirurgische Eingriffe

Können die Medikamente Anfälle nicht verhindern, ist ein Eingriff eine Alternative. Wenn sich bei fokalen Anfällen feststellen lässt, welcher Bereich des Gehirns die Anfälle auslöst, kann er entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.

Vagusnerv-Stimulation

Dabei wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden und soll die Überaktivität der Nervenzellen hemmen. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien. Daher wird die Vagus-Stimulation von den gesetzlichen Krankenkassen nur unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall erstattet.

Neurostimulation

Unter Neurostimulation versteht man zusammengefasst, dass Strukturen im Gehirn oder solche, die dort hinführen (wie der Vagus-Nerv), mit niedriger Stromstärke stimuliert werden. Im direkten Vergleich scheint die Tiefe Hirnstimulation - die allerdings nur unter bestimmten Bedingungen in Frage kommt - effektiver als die Vagus-Nerv-Stimulation zu sein.

Verhaltenstherapeutische Ansätze

Parallel zur medikamentösen Epilepsietherapie kann auch der verhaltenstherapeutische Ansatz der Anfallsselbstkontrolle in die Behandlung integriert werden.

Psychotherapie

Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.

Was tun bei einem epileptischen Anfall?

Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Ruhe bewahren und Betroffene vor Verletzungen schützen.

Die wichtigsten Maßnahmen sind:

  • Gefährliche Gegenstände aus der Nähe der krampfenden Person entfernen.
  • Den Kopf schützen, zum Beispiel, indem man eine Jacke oder ein Kissen darunter legt.
  • Die Person sanft in die stabile Seitenlage bringen, um die Atemwege freizuhalten.
  • Betroffene niemals festhalten.
  • Niemals einen Gegenstand als eine Art Beißkeil in den Mund stecken.

Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.

Leben mit Epilepsie

Die Epilepsie gilt als eine der am besten zu behandelnden neurologischen Erkrankungen der Welt, und bis zu zwei Drittel der Patientinnen und Patienten werden durch die medikamentöse Therapie mit Antikonvulsiva anfallsfrei. Da Epilepsie jedoch nicht heilbar ist, gilt die Anfallskontrolle als wichtigstes Ziel. Diese ist oft nur durch eine lebenslange Einnahme der Anfallssuppressiva möglich, welche dann aber oft ein uneingeschränktes und selbstständiges Leben bis ins hohe Alter ermöglicht.

Risiken und Vorsichtsmaßnahmen

Epileptische Anfälle können zu Verletzungen und sogar zum Tod führen. Außerdem besteht ein gewisses Risiko, bei einem Status epilepticus oder durch SUDEP (siehe unten) zu versterben oder Langzeitschäden davon zu tragen.

Einige Vorsichtsmaßnahmen, die Menschen mit Epilepsie treffen können, sind:

  • Scharfe Kanten und Gegenstände in der Wohnung sichern bzw.
  • Einen Anfallskalender verwenden, um ggf. vorhandene Anfallsauslöser zu erkennen und die Behandlung zu verbessern.
  • Epilepsie-Überwachungsgeräte können ärztlich verordnet und von der gesetzlichen Krankenversicherung als Hilfsmittel übernommen werden.
  • Sturzmelder können bei Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Sturz helfen.

SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy)

SUDEP ist die Abkürzung für "sudden unexpected death in epilepsy". Übersetzt heißt das "plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie". Wie auch beim sog. plötzlichen Kindstod können Menschen mit Epilepsie plötzlich und unerwartet versterben. Meistens werden Betroffene morgens tot im Bett gefunden. Die Todesursache lässt sich oft nicht klären. Das passiert zwar nur sehr selten, aber bei Menschen mit Epilepsie häufiger als bei Menschen ohne Epilepsie. Bei tonisch-klonischen Anfällen (Grand-mal-Anfällen) ist das Risiko besonders hoch, besonders wenn diese im Schlaf kommen.

Hilfsmittel und Unterstützung

Es gibt verschiedene Hilfsmittel und Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Epilepsie:

  • Epilepsie-Überwachungsgeräte: Bei einem erkannten Anfall löst das Gerät einen Alarm aus, z.B. bei den Eltern, beim Partner, anderen Angehörigen oder in einer Notrufzentrale.
  • Sturzmelder: Sie können bei Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Sturz helfen.
  • Epilepsie-Hunde: Warnhunde haben die Fähigkeit, einen kommenden Anfall zu spüren und warnen dann den Betroffenen, sodass dieser Zeit hat, sich z.B. vor Verletzungen zu schützen. Anzeigehunde lernen, einen tatsächlichen Anfall zu erkennen und dann in vorher geübter Art und Weise zu helfen, z.B.

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