Anatomie des Knies: Verlauf der Nerven und ihre Bedeutung

Das Kniegelenk (Articulatio genus) ist eines der größten und kräftigsten Gelenke des menschlichen Körpers. Als Drehscharniergelenk ermöglicht es Beugung (Flexion) bis zu 150°, Überstreckung (Extension) bis zu 10° sowie leichte Innen- und Außendrehungen. Beteiligt sind im Wesentlichen der Oberschenkelknochen (Femur), das Schienbein (Tibia) und die Kniescheibe (Patella). Bänder, Menisken und Schleimbeutel schützen und stabilisieren das komplexe Zusammenspiel dieser Strukturen.

Die Knochen und ihre Rollen

Am Kniegelenk sind drei Hauptknochen beteiligt:

  • Oberschenkelknochen (Femur): Der Gelenkkopf des Femurs weist zwei kräftige, mit Gelenkknorpel überzogene Knochenvorsprünge auf, die Condylen.
  • Schienbein (Tibia): Das Schienbein bildet zusammen mit dem Femur das Kniekehlgelenk.
  • Kniescheibe (Patella): Die Patella ist das größte Sesambein des Menschen und in die Sehnenstruktur des Oberschenkelmuskels eingebettet. Sie dient als Abstandshalter und ermöglicht eine größere Hebelwirkung bei der Kniestreckung.

Das Wadenbein (Fibula) liegt seitlich außen am Schienbeinkopf an, zählt aber nicht direkt zum Kniegelenk.

Menisken: Stoßdämpfer und Kraftverteiler

Die Menisken (Außen- und Innenmeniskus) bestehen aus Faserknorpel und bilden das Verbindungsstück zwischen Oberschenkelknochen und Schienbein. Sie sorgen für eine bessere Kraftverteilung im Knie und federn Stöße ab. Der Innenmeniskus befindet sich an der Innenseite des Knies, der Außenmeniskus an der Außenseite.

Bänder: Stabilisatoren des Kniegelenks

Das Kniegelenk ist durch einen ausgeprägten Bandapparat gesichert, der verhindert, dass sich die knöchernen Strukturen zu stark gegeneinander verschieben.

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  • Seitenbänder: Die Seitenbänder (Innenband und Außenband) stabilisieren das Knie hauptsächlich gegen Biegebelastungen in der Frontalebene und verhindern, dass das Knie seitlich wegknickt.
  • Kreuzbänder: Im Inneren des Kniegelenks befinden sich das vordere und das hintere Kreuzband. Das vordere Kreuzband (Lig. cruciatum anterius) verhindert, dass sich das Schienbein nach vorne verschiebt (vordere Schublade). Das hintere Kreuzband verhindert, dass sich das Schienbein nach hinten verschiebt (hintere Schublade).

Weitere Strukturen

  • Schleimbeutel: Schleimbeutel schützen das Gelenk bei der Kniebewegung vor Reibung und Druck. Sie befinden sich über der Kniescheibe vor und hinter der Patellasehne und können sich entzünden, was sehr schmerzhaft sein kann.
  • Gelenkkapsel: Wie jedes echte Gelenk ist das Kniegelenk von einer Gelenkkapsel umschlossen. Ihre Außenhülle besteht aus stabilisierenden Fasern, ihre Innenhaut (Synovia) produziert die Gelenkflüssigkeit. Die viskose, klare Gelenkschmiere ermöglicht, dass die beteiligten Knochenenden schmerzfrei aneinander vorbeigleiten.

Nervenversorgung des Knies: Der Nervus femoralis und seine Bedeutung

Um die komplexen Bewegungen und die Sensibilität des Knies zu gewährleisten, ist eine präzise Nervenversorgung notwendig. Der wichtigste Nerv in diesem Bereich ist der Nervus femoralis.

Ursprung und Verlauf des Nervus femoralis

Der Nervus femoralis ist der stärkste Ast des lumbalen Nervengeflechts (Plexus lumbalis) und der längste sowie kräftigste Nerv, der aus den Rückenmarkssegmenten L1 bis L4 entspringt. Er wird auch als Oberschenkelnerv oder Femoralnerv bezeichnet.

Der Nervus femoralis tritt an der lateralen Seite des Musculus psoas major unter der Fascia iliaca aus. Anschließend verläuft er zwischen dem Musculus psoas und dem Musculus iliacus durch die Lacuna musculorum zum Oberschenkel. Zusammen mit der Vena femoralis und der Arteria femoralis gelangt er weiter nach distal zum Adduktorenkanal. Schließlich setzt er sich im Rahmen seines sensiblen Endastes, dem Nervus saphenus, fort. Der Nervus saphenus verläuft zunächst durch das Septum intermusculare vastoadductorium nach ventral/medial.

Funktion des Nervus femoralis

Oberhalb des Leistenbandes gibt der Nervus femoralis Äste (Rami musculares) zum Musculus iliopsoas und zum Musculus pectineus ab. Unterhalb des Ligamentum inguinale verlassen sensible Hautäste den Nerven zur Versorgung des ventralen Oberschenkels. Weiter distal gehen Muskeläste zum Musculus quadriceps femoris sowie zum Musculus sartorius ab. Der Nervus saphenus (Endast) innerviert schließlich sensibel die Haut am medialen Unterschenkel und Fuß.

Der Nervus femoralis ist also essenziell für:

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  • Motorik: Beugung der Hüfte (Musculus iliopsoas, Musculus sartorius) und Streckung des Knies (Musculus quadriceps femoris).
  • Sensibilität: Versorgung der Haut an der Oberschenkelvorderseite und an der Innenseite des Unterschenkels durch den Nervus saphenus.

Schädigung des Nervus femoralis

Eine Schädigung des Nervus femoralis kann vor allem bei operativen Eingriffen an der Leiste und im kleinen Becken auftreten. Die Symptome einer Nervus-femoralis-Läsion (Femoralisparese) umfassen:

  • Sensibilitätsstörungen an der Oberschenkelvorderseite und an der Innenseite des Unterschenkels.
  • Ausfälle der Kniestrecker und der Hüftbeuger, was zu Schwierigkeiten beim Aufrichten aus dem Liegen (Musculus iliopsoas) und beim Treppensteigen (Musculus quadriceps femoris) führt.

Diagnose und Therapie

Die Diagnose einer Femoralisparese erfolgt durch:

  • Klinische Untersuchung: Prüfung der Muskelkraft, insbesondere der Kniestreckung, und des Patellarsehnenreflexes. Prüfung M. iliopsoas im Sitzen (Hüftbeugung gegen Widerstand) und Prüfung des M. sartorius im Sitzen (Außenrotation des Oberschenkels gegen Widerstand).
  • Elektroneurographie (NLG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit.
  • Elektromyographie: Untersuchung der verschiedenen Köpfe des Musculus quadriceps femoris.

Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Schädigung und kann Physiotherapie, Schmerztherapie (Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin/Oxcarbazepin), Injektionen mit Kortison oder in seltenen Fällen eine operative Dekompression umfassen.

Der Nervus saphenus: Ein sensibler Ast mit Risiko

Der Nervus saphenus ist der längste rein sensible Ast des Nervus femoralis. Er verläuft an der Innenseite des Oberschenkels abwärts, zieht am Knie vorbei und setzt seinen Weg an der Innenseite des Unterschenkels fort. Durch seinen langen und oberflächlichen Verlauf ist er anfällig für Verletzungen, insbesondere bei Knie-Operationen oder direkten Stößen gegen den Unterschenkel.

Nervus peroneus communis

An der Außenseite des Knies verläuft der Nervus peroneus communis (gemeinsamer Wadenbeinnerv) direkt unter der Haut und ist daher ebenfalls anfällig für Läsionen. Er ist einer der beiden Äste des Ischiasnervs (Nervus ischiadicus) und versorgt sensorisch das Kniegelenk, die äußere Haut der Wade und den Fußrücken. Schädigungen können zu einer eingeschränkten Streckung und Einwärtsdrehung des Fußes sowie der Zehenstreckung führen, was zu einem Spitzfuß führen kann.

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Zusammenspiel von Nerven, Muskeln und Gelenken: Beispiele aus dem Alltag

Der Nervus femoralis spielt eine entscheidende Rolle bei alltäglichen Bewegungen.

  • Aufstehen vom Stuhl: Das Gehirn sendet ein Signal über den Nervus femoralis an den Musculus quadriceps femoris, der das Knie streckt und das Aufstehen ermöglicht.
  • Treppensteigen: Der Musculus quadriceps femoris muss das Körpergewicht gegen die Schwerkraft stemmen, wobei der Nervus femoralis die notwendige Steuerung liefert.
  • Gehen und Laufen: Bei jedem Schritt sorgt der Nervus femoralis dafür, dass das Knie im richtigen Moment gestreckt wird.

Eine Schädigung des Nervus femoralis kann zu einem "Giving-way-Phänomen" führen, bei dem das Knie plötzlich und unvorhergesehen wegknickt.

Ursachen für Schädigungen des Nervus femoralis

Eine Läsion des Nervus femoralis kann verschiedene Ursachen haben:

  • Druckschäden bei Operationen: Insbesondere bei Hüft- und Knieoperationen kann der Nerv durch Lagerung oder Wundhaken unter Druck geraten.
  • Diabetes mellitus: Eine langjährige Zuckererkrankung kann zu einer diabetischen Neuropathie führen.
  • Weitere Ursachen: Direkter Druck, Verletzungen oder Erkrankungen in unmittelbarer Nähe des Nervs.

Prävention und Schutz

Obwohl nicht alle Schädigungen des Nervus femoralis vermeidbar sind, gibt es Maßnahmen zur Prävention:

  • Starke Muskulatur: Trainieren Sie gezielt die Rumpf-, Hüft- und Beinmuskulatur, um das Kniegelenk zu stabilisieren und den Nerv zu entlasten.
  • Vermeidung von Druck: Vermeiden Sie es, lange Zeit direkten Druck auf die Leiste auszuüben, beispielsweise durch ungünstige Sitzhaltungen oder schlecht sitzende Gürtel.

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