Vibrationsplatte bei diabetischer Polyneuropathie: Nutzen, Risiken und Anwendung

Vibrationsplatten erfreuen sich wachsender Beliebtheit im Fitnessbereich und werden auch zunehmend in der Therapie eingesetzt. Besonders bei Erkrankungen wie der diabetischen Polyneuropathie stellt sich die Frage, ob und wie diese Geräte sinnvoll genutzt werden können. Dieser Artikel beleuchtet die Möglichkeiten und Risiken des Vibrationstrainings bei diabetischer Polyneuropathie und gibt Hinweise zur korrekten Anwendung.

Was ist eine Vibrationsplatte und wie funktioniert sie?

Das Prinzip einer Vibrationsplatte ist einfach: Ein Motor versetzt eine Platte in Schwingungen, die auf den Körper übertragen werden. Um diese Vibrationen auszugleichen, spannen und entspannen sich die Muskeln reflexartig in schneller Folge. Dieser Effekt erreicht auch die Tiefenmuskulatur, die für die Stabilisierung des Körpers wichtig ist.

Durch diese Muskelaktivierung kann ein Muskelaufbau gefördert werden. Zudem können Vibrationen Impulse geben, die den Aufbau neuer Knochensubstanz unterstützen.

Vorteile des Vibrationstrainings

Vibrationsplatten können für verschiedene Personengruppen von Nutzen sein, darunter:

  • Freizeitsportler: Zur Steigerung der Muskelkraft.
  • Menschen mit Stoffwechselerkrankungen oder Diabetes: Zur Verbesserung der Stoffwechsellage.
  • Reha-Patienten: Nach Sportverletzungen zur Wiederherstellung der Muskelfunktion.
  • Patienten mit Polyneuropathie: Zur Linderung von Schmerzen und Missempfindungen.

Vibrationstraining bei Polyneuropathie

Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die mit Schmerzen, Missempfindungen und Muskelschwäche einhergehen kann. Vibrationstraining kann hier auf verschiedene Weise positive Effekte erzielen:

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  • Stimulation des Nervensystems: Die Vibrationen regen Nervenzellen in den Extremitäten an und senden ein "Feuerwerk" von Informationen an das zentrale Nervensystem. Dies kann zur Ausschüttung von Botenstoffen führen, die Anpassungen im Nervensystem hervorrufen und möglicherweise Synapsen verbessern.
  • Schmerzlinderung: Studien deuten darauf hin, dass Vibrationstraining Schmerzen bei Polyneuropathie, insbesondere bei chemotherapieinduzierter Polyneuropathie und diabetischer Polyneuropathie, reduzieren kann.
  • Verbesserung der Muskelkraft: Obwohl die Effekte auf die Muskelkraft bei gesunden Sportlern begrenzt sind, kann Vibrationstraining bei Patienten mit Polyneuropathie helfen, die Muskelkraft zu erhalten oder sogar zu verbessern.
  • Verbesserung der Körperwahrnehmung: Durch die intensive Reizung des Nervensystems kann die Körperwahrnehmung verbessert werden, was sich positiv auf Gleichgewicht und Koordination auswirken kann.

Wissenschaftliche Erkenntnisse

Mehrere Studien haben die Auswirkungen von Vibrationstraining auf Polyneuropathie untersucht:

  • Chemotherapieinduzierte Polyneuropathie (CIPN): Eine Studie zeigte, dass Vibrationstraining Schmerzen bei Patienten mit CIPN reduzieren kann. Eine andere Studie verglich Vibrationstraining mit Gleichgewichtstraining und fand heraus, dass Vibrationstraining zwar Schmerzen reduzierte, Gleichgewichtstraining jedoch bessere Auswirkungen auf Mobilität und Gangsicherheit hatte.
  • Diabetische Polyneuropathie: Studien haben Verbesserungen der Schmerzen nach Vibrationstraining bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie beobachtet. Allerdings wird die Qualität dieser Studien als nicht ausreichend angesehen, um eine klare Aussage über die tatsächliche Größe der Effekte treffen zu können.

Es ist wichtig zu beachten, dass die langfristigen Auswirkungen des Vibrationstrainings bei Polyneuropathie noch nicht ausreichend untersucht wurden. Bisher liegen nur Studien zum Training über einige Wochen vor.

Risiken und Vorsichtsmaßnahmen

Trotz der potenziellen Vorteile birgt das Vibrationstraining auch Risiken, die insbesondere bei Patienten mit Polyneuropathie beachtet werden sollten:

  • Überlastung: Vibrationstraining kann den Körper stark belasten, insbesondere wenn die Muskeln nicht ausreichend trainiert sind. Dies kann zu Rückenschmerzen und Schädigungen des Skelettsystems führen.
  • Gelenkprobleme: Menschen mit Gelenkproblemen wie Arthrose oder künstlichen Gelenken (Endoprothesen) sollten Vibrationstraining vermeiden, da sich Teile der Prothese lockern könnten.
  • Neurologische Erkrankungen: Bei rheumatischen und neurologischen Erkrankungen, die mit Muskelhypertonie einhergehen, wie beispielsweise nach einem Schlaganfall, ist Vorsicht geboten.
  • Sturzgefahr: Insbesondere zu Beginn des Trainings besteht die Gefahr zu stürzen, da die Vibration der Platte überraschen kann.

Um Risiken zu minimieren, sollten folgende Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden:

  • Ärztliche Beratung: Vor Beginn des Vibrationstrainings sollte ärztlicher Rat eingeholt werden, insbesondere bei Vorerkrankungen.
  • Grundmuskulatur aufbauen: Vor dem Vibrationstraining sollte eine gewisse Grundmuskulatur vorhanden sein, um den Körper während der Vibrationen zu stabilisieren.
  • Sicherheit: Stellen Sie vor Beginn des Vibrationstrainings etwas zum Festhalten bereit, um Stürze zu vermeiden. Im besten Fall bitten Sie zumindest beim ersten Training Ihren Ehepartner, Kinder oder Freunde, sich zur Sicherheit neben Sie zu stellen und zur Not festzuhalten um Stürze zu verhindern.
  • Korrekte Ausführung: Die Übungen sollten sauber und kontrolliert ausgeführt werden. Bei Unsicherheit sollte fachkundiges Personal hinzugezogen werden.
  • Dämpfende Matte: In Mietwohnungen empfiehlt es sich, eine dämpfende Matte unter die Vibrationsplatte zu legen, um die Geräuschentwicklung zu reduzieren.

Auswahl der richtigen Vibrationsplatte

Bei der Auswahl einer Vibrationsplatte sollten folgende Kriterien berücksichtigt werden:

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  • Breite Standfläche: Für eine stabile Ausführung der Übungen ist eine breite Standfläche wichtig.
  • Haltestange: Eine Haltestange kann helfen, das Gleichgewicht zu halten.
  • Dreidimensionale Schwingungen: Ideal sind Schwingungen, die nicht nur wippend, sondern in alle Richtungen des Raums gerichtet sind.
  • Einstellbare Schwingungsfrequenz: Die Schwingungsfrequenz sollte einstellbar sein, um die Vibrationen an die individuellen Bedürfnisse anpassen zu können. Für Knochen sind eher niedrigere Frequenzen (8-10 Hz) geeignet, während für die Aktivierung schneller Muskelfasern höhere Frequenzen (25-40 Hz) erforderlich sind.
  • Seitenalternierende Systeme: Aufgrund der vermuteten Wirkung auf das Nervensystem sind seitenalternierende Systeme möglicherweise am erfolgversprechendsten bei Polyneuropathie.

Es ist ratsam, sich vor dem Kauf fachkundig beraten zu lassen, beispielsweise in einer Physiotherapie-Praxis oder einem Fachgeschäft.

Korrekte Anwendung des Vibrationstrainings bei Polyneuropathie

Um die Vorteile des Vibrationstrainings bei Polyneuropathie optimal zu nutzen und Risiken zu minimieren, sollten folgende Hinweise beachtet werden:

  • Kurze Trainingsintervalle: Anstatt langer Trainingseinheiten sind kurze Intervalle effektiver. Die Vibration sollte immer nur 1 Minute angewandt werden, dann sollte man mindestens 1 Minute Pause machen, bevor man weiter macht. Man kann dies dann mehrmals wiederholen.
  • Niedrige Intensität: Beginnen Sie mit langsamen Schwingungen und steigern Sie diese mit der Zeit langsam.
  • Keine zusätzlichen Übungen: Im Sitzen oder Stehen ohne zusätzliche Bewegungen scheint die Wirkung sogar größer zu sein, als wenn man gleichzeitig Übungen macht. Es ist also besser, während einer Trainingseinheit erst das Vibrationstraining abzuschließen bevor man mit Kraftübungen weitermacht.
  • Regelmäßigkeit: Das Vibrationstraining sollte regelmäßig durchgeführt werden, idealerweise täglich.
  • Kombination mit anderen Therapieformen: Vibrationstraining sollte nicht als alleinige Therapieform betrachtet werden, sondern mit anderen Behandlungen wie Gleichgewichtstraining, Massage, Dehnung, Krafttraining und Ausdauersport kombiniert werden.

Beispiel für ein Trainingsprogramm

Ein mögliches Trainingsprogramm könnte wie folgt aussehen:

  1. Setzen Sie sich auf einen Stuhl und stellen Sie die Füße auf die Vibrationsplatte.
  2. Aktivieren Sie die Vibrationsplatte für 1 Minute. Beginnen Sie mit einer niedrigen Frequenz und steigern Sie diese langsam.
  3. Machen Sie 1 Minute Pause.
  4. Wiederholen Sie die Schritte 2 und 3 mehrmals.
  5. Stehen Sie auf die Vibrationsplatte und wiederholen Sie die Schritte 2 und 3.

Zusätzliche Behandlungsmethoden bei Polyneuropathie

Neben dem Vibrationstraining gibt es weitere Behandlungsmethoden, die bei Polyneuropathie in Betracht gezogen werden können:

  • Gleichgewichtstraining: Hilft, die Körperwahrnehmung und Koordination zu verbessern.
  • Massage und Dehnung: Können Muskelverspannungen lösen und Schmerzen reduzieren.
  • Krafttraining: Hilft, die Muskelkraft zu erhalten oder zu verbessern.
  • Ausdauersport: Kann die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern.
  • Elektrotherapie (TENS): Kann kurzfristig Schmerzen lindern.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Nährstoffen ist wichtig für die Nervenfunktion. Bestimmte Nährstoffe, deren Mangel eine Polyneuropathie auslösen oder verschlimmern kann, sollten vermieden werden.
  • Omega-3-Fettsäuren: Scheinen bei diabetischer Neuropathie hilfreich zu sein.

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