Demenz verstehen und behandeln: Aktuelle Erkenntnisse und Therapieansätze

Wenn im Alter das Gedächtnis nachlässt und wichtige Termine oder Namen immer wieder vergessen werden, wächst die Sorge. Dies können erste Anzeichen einer beginnenden Alzheimer-Demenz sein. Bei dieser Krankheit entstehen Ablagerungen im Gehirn, sogenannte Plaques, und Nervenzellen gehen nach und nach zugrunde. Für Betroffene und ihre Angehörigen ist die Diagnose ein einschneidendes Ereignis, denn bisher lässt sich die Alzheimer-Demenz nicht aufhalten oder heilen. Doch in den letzten Jahren hat sich in den Bereichen Diagnostik und Therapie einiges getan.

In Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, die meisten von ihnen an Alzheimer erkrankt. Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen, bei denen die Gehirnleistung beeinträchtigt ist. Die Alzheimer-Krankheit ist die weltweit häufigste Form der Demenz: Zwei Drittel aller Menschen mit Demenz sind an Alzheimer erkrankt. Die Erkrankung des Gehirns verläuft zunächst viele Jahre unbemerkt.

Symptome der Alzheimer-Demenz

Die Alzheimer-Demenz manifestiert sich durch eine Reihe von Symptomen, die sich im Laufe der Zeit verschlimmern. Zu den charakteristischen Anzeichen gehören:

  • Gedächtnisprobleme: Ein typisches frühes Symptom der Alzheimer-Demenz ist das Vergessen von aktuellen Ereignissen. Das Kurzzeitgedächtnis kann neu aufgenommene Informationen nicht mehr verarbeiten.
  • Veränderungen im Denkvermögen: Bei einer Alzheimer-Demenz treten kognitive Beeinträchtigungen auf. Die Fähigkeit zu denken, zu planen und zu urteilen nimmt ab.
  • Wortfindungsprobleme: Es kann zu Wortfindungsstörungen (Aphasie) kommen, bei denen es schwerfällt, Worte zu finden oder sich flüssig auszudrücken.
  • Desorientierung: Menschen mit Alzheimer können sowohl zeitlich als auch räumlich desorientiert sein.
  • Probleme bei Alltagsaufgaben und Selbstversorgung: Alltägliche Aktivitäten wie Anziehen, Körperpflege, sichere Mobilität oder Kochen und Essen können Betroffenen plötzlich schwerfallen.
  • Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit: Eine Alzheimer-Demenz kann bei den Betroffenen zu Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Aggressivität und sozialem Rückzug führen.

Ursachen und Risikofaktoren der Alzheimer-Demenz

Die genauen Ursachen der Alzheimer-Demenz sind noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt mehrere Faktoren, die das Risiko für die Erkrankung erhöhen können:

  • Amyloid-Klümpchen im Gehirn: In den Gehirnen von Alzheimer-Erkrankten sammeln sich zwischen den Nervenzellen Proteinstückchen (Amyloid-Beta), die zu unlöslichen, giftigen Fasern verkleben und den Nervenzellen schaden. In einem gesunden Gehirn kommunizieren die Nervenzellen über Botenstoffe, was es beispielsweise ermöglicht, Erinnerungen abzuspeichern.
  • Tau-Protein-Verwicklungen: Ein weiteres typisches Merkmal von Alzheimer ist die Anhäufung von sogenannten Tau-Proteinen in den Gehirnzellen. Diese verdrehten und faserigen Proteine (Fibrillen) lassen die Zellen absterben und zerstören Nervenverbindungen. Bereiche des Gehirns, die beispielsweise für das Gedächtnis zuständig sind, schrumpfen.
  • Infektionen: Verschiedene Viren und Bakterien könnten an der Entstehung von Alzheimer beteiligt sein, insbesondere wenn sie Entzündungen an Nerven im Gehirn auslösen.
  • Genetische Faktoren: Es gibt bestimmte Genvarianten, die das Risiko für Alzheimer erhöhen. Dazu zählt vor allem der sogenannte ApoE4-Genotyp. Gentest auf die Genvariante ApoE4.
  • Alter: Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für Alzheimer.
  • Geschlecht: Studien deuten darauf hin, dass Männer ein höheres Alzheimer-Risiko haben als Frauen.
  • Durchblutungsstörungen: Weitere Risikofaktoren sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, hoher Blutdruck und hohe Cholesterinwerte.
  • Umwelt und Lebensweise: Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung, ausreichend körperlicher Aktivität und geistiger Stimulation kann das Risiko für eine Alzheimer-Demenz verringern.

Diagnostik der Alzheimer-Demenz

Oftmals wird Alzheimer-Demenz erst diagnostiziert, wenn bereits deutliche Symptome auftreten. In der Regel ist das Gehirn dann schon stark geschädigt und Betroffene leben durchschnittlich nur noch weniger als zehn Jahre - auch wenn der Verlauf sehr individuell ist. Eine frühzeitige Diagnose soll nicht nur die Behandlungsmöglichkeiten verbessern, sondern Betroffene und ihre Familien könnten rechtzeitig geeignete Unterstützung beim Umgang mit der Erkrankung suchen. Die Pflege von Menschen mit Alzheimer erfordert viel Geduld, Verständnis und spezialisierte medizinische Betreuung, um die Lebensqualität der Betroffenen so gut wie möglich zu erhalten.

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Forschende arbeiten daher an der Entwicklung sicherer Frühtests, die bereits vor Eintritt der Demenz Hinweise auf die Alzheimer-Krankheit geben, wenn das Gehirn noch nicht stark geschädigt ist. Der sogenannte Precivity-Bluttest aus den USA kann bei ersten Symptomen nachweisen, ob es sich um eine Alzheimer-Demenz handelt, indem er das Verhältnis von zwei Amyloid-Proteinen zueinander ermittelt. Der Elecsys pTau181-Test misst das chemisch veränderte Tau-Protein, das als Alzheimer-Indikator gilt. Beide Bluttests haben inzwischen eine EU-Zulassung.

Behandlungsmöglichkeiten der Alzheimer-Demenz

Zur Behandlung der Alzheimer-Demenz stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Zum einen sogenannte Cholinesterase-Hemmer wie die Wirkstoffe Donepezil, Galantamin oder Rivastigmin, die die Botenstoffe im Gehirn vermehren und dadurch die geistige Leistungsfähigkeit steigern, zum anderen Glutamat-Antagonisten, wie Memantin, die bei weiter fortgeschrittener Demenz eingesetzt werden. Diese Medikamente können Symptome lindern und das Fortschreiten leicht verzögern. Auf den Untergang der Nervenzellen haben diese Mittel aber keinen Einfluss. Häufig leiden Alzheimer-Erkrankte auch an Depressionen, die mit Antidepressiva behandelt werden.

Mittlerweile gibt es erste Medikamente, die die schädlichen Prozesse im Gehirn direkt beeinflussen und die Alzheimer-Erkrankung im Entstehungsprozess bremsen sollen. Der Antikörper-Wirkstoff Lecanemab ist seit 1. September 2025 in Deutschland auf dem Markt. Für den Antikörper Donanemab hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA im Juli eine Zulassungsempfehlung erteilt. Die Antikörper richten sich gegen die Amyloid-Stückchen, so dass diese vom Immunsystem beseitigt werden können, bevor sie Schaden anrichten. So zeigt eine Studie von 2023, dass Donanemab das Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung um 35 Prozent verlangsamen kann. Bereits eingetretene Symptome können nicht beeinflusst werden. Keine Einnahme von stark wirkenden Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung (zum Beispiel Marcumar oder Apixaban), da das Risiko für Blutungen im Gehirn zu groß ist.

Neue Antikörper-Therapie: Lecanemab

Für den Neurologen Thorsten Bartsch ist das neue Medikament Lecanemab nichts weniger als ein "Meilenstein“. Erstmals, sagt der Leiter der Gedächtnisambulanz am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, könne bei Alzheimer direkt in den Krankheitsprozess eingegriffen werden.

Am Anfang einer Alzheimer-Erkrankung beobachten Forschende unter anderem eine falsche Zerlegung bestimmter Proteine. Im Gehirn entstehen instabile Eiweißstücke, Beta-Amyloid. Auch bei Gesunden passiert das - der Körper kann die Eiweißbruchstücke allerdings noch abbauen. Bei Alzheimer aber entsteht zu viel Beta-Amyloid, das sich zu sogenannten Protofibrillen zusammenlagert. Sie gelten als besonders schädlich für die Nervenzellen. Bislang konnten Neurologen wie Thorsten Bartsch nichts gegen den geistigen Verfall ihrer Patientinnen und Patienten tun, nur versuchen, die Symptome zu lindern.

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2023 wurde dann in den USA der neue Wirkstoff Lecanemab zugelassen. Seit Anfang September ist das Medikament in Deutschland verfügbar. Dabei handelt es sich um einen Antikörper, der an die entscheidenden Formen von Beta-Amyloid bindet. Die dadurch entstehenden Komplexe können von den Immunzellen aufgenommen und abgebaut werden.

Kontroverse um die Antikörper-Therapie

Die neue Antikörper-Therapie bei Alzheimer-Demenz ist nicht unumstritten. Zum einen ist sie sehr aufwendig: Der Wirkstoff muss den Erkrankten alle zwei bis vier Wochen über die Dauer von zwei Stunden intravenös verabreicht werden. Zum anderen können erhebliche Nebenwirkungen auftreten wie Blutungen und Schwellungen (Ödeme) im Gehirn, die sogar tödlich verlaufen können. Auch die Kosten sind sehr hoch: So wird der Antikörper Lecanemab pro behandelter Person voraussichtlich etwa 20.000 bis 30.000 Euro im Jahr kosten. Hinzu kommen Kosten für die engmaschigen Untersuchungen aufgrund der möglichen Nebenwirkungen.

Tatsächlich kommt das neue Medikament aber wohl nur für rund zehn Prozent der von Alzheimer Betroffenen infrage - in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung. Denn Lecanemab kann den Krankheitsprozess nicht stoppen, sondern nur bremsen. "Je früher die Therapie anfängt, desto besser ist der Erfolg", sagt der Göttinger Neurowissenschaftler André Fischer vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen. Alzheimer-Patienten mit einer bestimmten genetischen Anlage - zwei Kopien des sogenannten ApoE4-Gens - sind wegen ihres erhöhten Risikos für diese Komplikationen grundsätzlich von einer Behandlung ausgeschlossen. Insgesamt ist die Therapie mit Lecanemab aufwändig, denn sie erfordert alle zwei Wochen eine Infusion.

Prävention der Alzheimer-Demenz

Unabhängig von neuen Antikörper-Medikamenten setzt Thorsten Bartsch auf Prävention durch eine Veränderung des Lebensstils. Auch andere Risikofaktoren für eine Demenz sind beeinflussbar: Diabetes und Übergewicht lassen sich ebenso behandeln wie Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel. Hörgeräte sorgen für soziale Teilhabe - auch das ein wichtiger Faktor, um die grauen Zellen fit zu halten. Um einer Demenz vorzubeugen, ist es wichtig frühzeitig anzufangen, das Gehirn fit zu halten.

Was dem Körper schadet, ist auch schädlich für das Gehirn: Faktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel und Bluthochdruck erhöhen das Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Früh im Leben an das eigene Gehirn zu denken ist wichtig, denn Gehirngesundheit entscheidet sich im mittleren Lebensalter. Forschende haben 12 Faktoren ausfindig gemacht, die vorbeugend wirksam sein können gegen das Vergessen. Die Ergebnisse wurden aus Daten weltweit errechnet. Da sich die Lebensumstände, also die Ausgangslage in den Regionen unterscheiden, sind wohl nicht alle Faktoren in allen Ländern gleich bedeutend.

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Die Vermeidung aller schädigenden Faktoren könnte bis zu 40 Prozent des Risikos senken und dazu beitragen, den kognitiven Abbau zu bremsen.

  1. geringe Bildung in jungen Jahren (7 Prozent)
  2. unbehandelte Schwerhörigkeit (8 Prozent)
  3. Hirnverletzungen (3 Prozent)
  4. Bluthochdruck (2 Prozent)
  5. Alkoholkonsum (1 Prozent)
  6. Adipositas mit BMI über 30 (1 Prozent)
  7. Rauchen (5 Prozent)
  8. Depression (4 Prozent)
  9. Soziale Isolation (4 Prozent)
  10. Bewegungsmangel (2 Prozent)
  11. Luftverschmutzung (2 Prozent)
  12. Diabetes (1 Prozent)

Die Faktoren 2 bis 6 sind wirksam, wenn sie bereits im mittleren Lebensalter berücksichtigt werden. Die Vermeidung der Faktoren 7 bis 12 kann in jedem Lebensalter zur Risikoreduktion beitragen, auch im höherem Lebensalter.

Außerdem lohnt es sich, den Kopf lebenslang vor Stößen und Stürzen zu bewahren. Auch vorerst unbemerkte kleine Schäden können in der Summe das Gehirn belasten. Verzicht auf Kopfbälle und ein Fahrradhelm schützen das empfindliche Gehirn. Dabei geht es immer darum, das Gehirn möglichst wenig zu belasten und aktiv eine geistige Reserve aufzubauen. Auch Gedächtnistrainig, Stressbewältigung und ausreichend Schlaf haben schützende Wirkungen. Das alles kann dazu beitragen, dass beispielsweise durch Alzheimerkrankung entstehende Ablagerungen weniger Gedächtnisprobleme verursachen.

Eine Schlüsselfunktion für das Gehirn hat das Herz. Es pumpt Blut als Treibstoff für das Gehirn nach oben, denn es verbraucht 20 Prozent unserer Energie. Wichtig für Herz und Hirn sind gesunde Blutgefäße und ein gesunder Blutdruck. Bei vielen Demenzerkrankungen ist der hohe Blutdruck eine entscheidende Ursache, Mediziner sprechen dann sogar von einer vaskulären Demenz. Bewegung senkt hohen Blutdruck und hilft, frisches Blut ins Gehirn zu schicken. Außerdem bilden sich durch die Bewegung Muskeln, die Hormone produzieren. Im Tierversuch zeigte sich, dass diese sogenannten Myokine bis ins Gehirn wandern. Dort sorgen sie zum Beispiel dafür, dass bestimmte Wachstumsfaktoren vermehrt freigesetzt werden.

Impfung gegen Gürtelrose

Darüber hinaus gibt es eine weitere Möglichkeit, das Risiko für eine Demenz zu reduzieren: Die Impfung gegen Gürtelrose-Viren. Das belegt eine jüngst im Fachmagazin Nature publizierte Studie aus Wales. Dort bekamen Seniorinnen und Senioren, die am Stichtag jünger als 80 Jahre alt waren, eine kostenlose Gürtelrose-Impfung. Sie erkrankten in den folgenden sieben Jahren seltener an Gürtelrose als die nur wenige Tage älteren, nicht Geimpften. Ähnliche Effekte sind auch bei anderen Viren denkbar, sagt Konstantin Sparrer vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Ulm. Unklar ist aber noch, wie genau Virusinfektionen Demenzerkrankungen befördern. Entweder die Viren dringen direkt ins Gehirn ein und schädigen dort die Nervenzellen. Oder das Immunsystem wird durch die Infektion so stark stimuliert, dass es überreagiert. In der Forschung zeichne sich ab, so Konstantin Sparrer, "dass jegliche Virusinfektion nicht gut ist für eine Demenz“. Von den empfohlenen Impfungen zur Vorbeugung von Entzündungen im Gehirn scheint vor allem die Impfung gegen Herpes Zoster (Gürtelrose) gute Ergebnisse zu erzielen. Laut einer im April 2025 im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Studie sank das Demenz-Risiko mit der Impfung um etwa 20 Prozent. Ein internationales Forschungsteam analysierte Gesundheitsdaten von 280.000 älteren Menschen, die in Wales an einem Impfprogramm teilgenommen hatten. Der Schutzeffekt schien bei Frauen größer zu sein als bei Männern. Größere Gewissheit könnte eine große randomisierte, kontrollierte Studie bringen.

Jodmangel in Deutschland

Deutschland ist Jodmangelland. Das Spurenelement Jod wird vor allem von der Schilddrüse benötigt, um Hormone herzustellen. Der Körper kann es nicht selbst produzieren - Jod muss mit der Nahrung aufgenommen werden. Bis in die 80er-Jahre herrschte in Deutschland ein teilweise erheblicher Jodmangel und bis heute haben Menschen mit den gesundheitlichen Folgen zu kämpfen. Jetzt wird vor einem erneuten Abwärtstrend in der Jodversorgung gewarnt.

Eine gesunde Darmflora, auch Mikrobiom genannt, spielt eine wichtige Rolle fürs allgemeine Wohlbefinden und die Gesundheit. Die Darmflora ist wichtig für die Verdauung und die Abwehr von Krankheiten.

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