Vitamin B und Demenz: Eine Untersuchung von Studien und Erkenntnissen

Demenz, definiert als der Abbau kognitiver Fähigkeiten, der das tägliche Leben beeinträchtigt, betrifft weltweit Millionen von Menschen. Angesichts der steigenden Prävalenz und der begrenzten therapeutischen Möglichkeiten wird die Forschung nach präventiven und lindernden Strategien immer wichtiger. Dabei rücken B-Vitamine zunehmend in den Fokus, da sie eine zentrale Rolle im Stoffwechsel spielen und potenzielle Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit haben.

Demenz: Eine wachsende globale Herausforderung

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden weltweit etwa 55 Millionen Menschen an Demenz. Jedes Jahr kommen schätzungsweise 10 Millionen neue Fälle hinzu. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz und macht etwa 60 % der Fälle aus. Vaskuläre Demenz, Mischformen und andere Demenzformen wie die Lewy-Körperchen-Demenz, die Parkinson-Demenz, medikamenteninduzierte Demenz oder Demenz infolge eines Schädel-Hirn-Traumas sind weitere Formen. Die Zahl der Demenzerkrankten in Deutschland wird laut Statistiken steigen. Während 2018 knapp 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung lebten - was 1,9 % der Bevölkerung entspricht - gehen Experten von einem Anstieg auf 2,7 Millionen im Jahr 2050 aus (3,4 %).

Es ist wichtig, zwischen primärer und sekundärer Demenz zu unterscheiden. Bei der primären Demenz liegt die Krankheitsursache in kognitiven Arealen des Gehirns selbst und wird nicht durch äußere Einflussfaktoren ausgelöst. Primäre Demenzformen sind bislang nicht reversibel. Die Prävalenz kausal behandelbarer Demenzen wird in der Literatur mit maximal 30 % angegeben, wobei trotz adäquater Therapie nur ein Teil der kognitiven Störungen überhaupt reversibel ist. Die häufigsten kausal behandelbaren Ursachen der kognitiven Störungen von sekundären Demenzformen sind Depressionen, Medikamenten-induzierte kognitive Störungen und ein Vitamin-B12-Mangel. Bei geriatrischen Patienten mit Verdacht auf eine Demenz erwies sich bei Betrachtung der reversiblen Ursachen nach einer depressiven Pseudodemenz ein Vitamin-B12-Mangel sogar als zweithäufigste Ursache der Erkrankung.

Daher zielt die Behandlung betroffener Patienten darauf ab, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen.

Die Rolle von B-Vitaminen im Homocystein-Stoffwechsel

Die Einschränkung kognitiver Fähigkeiten im Alter bis hin zur Demenz einschließlich Alzheimer Demenz (AD) ist nach zahlreichen Studien mit einer Homocystein-Erhöhung assoziiert. Homocystein ist eine nicht-proteinogene, schwefelhaltige Aminosäure, die als Intermediärprodukt im Methioninstoffwechsel entsteht. Die Vitamine B6, B12 und Folsäure spielen eine zentrale Rolle im Stoffwechsel des Homo­cysteins, wobei thera­peutisch Folsäure im Vordergrund steht. Zusätzliche Gabe von Vitamin B12 und Vitamin B6 ergab für das Gesamt­kollektiv der Studie keine wesent­lichen Verbesse­rungen.

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Es gibt zwei Hauptwege für den Homocystein-Stoffwechsel:

  • Remethylierung: Homocystein nimmt eine Methylgruppe von 5-Methyl­tetra­hydrofolat auf und wird zu Methionin remethyliert.
  • Transsulfurierung: Homocystein wird zu Cystathionin transsulfuriert und weiter in harnfähige Endprodukte umgewandelt.

Ein Mangel an B-Vitaminen kann diese Stoffwechselwege beeinträchtigen und zu erhöhten Homocystein-Konzentrationen führen.

Homocystein als Risikofaktor für kognitive Beeinträchtigungen

Mehrere prospektive Studien haben gezeigt, dass eine Homocystein-Erhöhung unabhängig vom B-Vitamin-Status mit kognitiven Einschränk­ungen assoziiert ist. In mehreren Meta-Analysen wurde erhöhtes Homocystein als Risikofaktor für kognitive Einschränkungen, Demenz und AD beschrieben mit einer durchschnitt­lichen Risiko­erhöhung von 53 %, 77 %, 50 % und 15 % für höheres gegen niedrigeres Homo­cystein (unterschiedliche cut-off-level). Bei Patienten mit AD konnte eine Zunahme der kogni­tiven Einschränk­ungen mit anstei­genden Homocystein-Konzentration nachgewiesen werden. In einer Meta-Analyse auf der Basis von 34 Studien mit Mendel’scher Randomisierung bezüglich des C677T Polymor­phismus im MTHFT-Gen ergab sich ein durchschnittlich 37 % höheres Alzheimer-Risiko für die TT-Allele (die für eine Homocystein-Erhöhung determiniert) gegenüber der CC-Allele.

Homocystein hat eine primär prooxidative Wirkung, was seine pathogenen Wirkungen teilweise erklären kann. Es kommt zu einer gesteigerten Bildung von Hydroxyl-Radikalen und anderen reaktiven Sauerstoff-Spezies sowie zu einer erhöhten LDL-Oxidation. Dies kann auch zu neurotoxischen Effekten führen.

B-Vitamine und ihre spezifischen Rollen bei Demenz

Vitamin B12

Neben den klassischen Symptomen eines Vitamin-B12-Mangels wie der megalobastären Anämie oder funikulären Myelose sind auch Störungen von Kognition und Gedächtnis möglich. Ein Vitamin-B12-Mangel kann also mit signifikant geringeren Gedächtnisleistungen verknüpft sein und zählt, wie bereits erwähnt, zu den häufigsten behandelbarenUrsachen einer sekundären Demenz. Bei einem Vitamin-B12-Mangel besteht ein erhöhtes Risiko, eine Demenz zu entwickeln. Beispielsweise konnte eine multizentrische Studie zeigen, dass bereits milde kognitive Defizite mit erniedrigtem Vitamin-B12- und erhöhtem Homocysteinspiegel - einer gefäßschädigenden Aminosäure - korrelieren. Außerdem hatten sich nach drei Monaten Vitamin-B12-Supplementierung die Vitamin-B12-Serumspiegel bei allen Teilnehmenden normalisiert, 84% von ihnen berichteten über eine Verbesserung ihrer kognitiven Symptome und 78% erzielten bessere Punktzahlen im Mini-Mental-Status-Test. Auch andere Studien konnten die beschriebenen Zusammenhänge bestätigen, und deuten zudem auch auf Assoziationen zwischen niedrigen Vitamin-B12-Spiegeln und erhöhten Homocysteinwerten im Serum mit einem erhöhten Alzheimer-Demenz-Risiko hin.

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Die bei einem Vitamin-B12-Defizit beobachteten psychisch-kognitiven Störungen einer Demenz können Monate bis Jahre den hämatologischen Anomalien der Mangel-bedingten megaloblastären Anämie vorausgehen beziehungsweise ganz ohne Anämiesymptome auftreten. Das Vorliegen eines Vitamin-B12-Mangels kann daher übersehen werden, wenn nur das Blutbild als Indikator für ein Vitamin-B12-Defizit herangezogen wird, zumal es zu Beginn eines Mangels zu eher unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Erschöpfung, Konzentrations- und Schlafstörungen, Leistungsschwäche, Stimmungstiefs oder Inappetenz kommen kann. Eine genau Kenntnis der Vitamin-B12-Mangelsymptomatik und eine zielgerichtete Labordiagnostik sind daher insbesondere bei älteren Patienten mit Verdacht auf kognitive Störungen zu empfehlen.

Vitamin B12 übernimmt viele wichtige Aufgaben in unserem Stoffwechsel und ist unter anderem essenziell daran beteiligt, unsere Nerven zu schützen. Ohne Cobalamin, wie Vitamin B12 auch genannt wird, können die Myelinscheiden nicht gebildet werden. Diese umhüllen unsere Nervenfasern und sorgen ähnlich wie eine Kabelisolierung für die korrekte Übertragung der in den Nervenströmen enthaltenen Informationen. Auch bei der Synthese von Hormonen und Neurotransmittern spielt das Vitamin eine Rolle.

Es ist wichtig, einen Vitamin-B12-Mangel frühzeitig zu erkennen und auszugleichen. Ein einfaches Blutbild ist allerdings nicht die geeignetste Methode, um einen Mangel festzustellen. Besser geeignet ist eine Messung der verschiedenen Marker eines Vitamin-B12-Mangels, bis die Diagnose gesichert ist. Dann kann durch eine Therapie mit hochdosiertem Vitamin B12 in Tablettenform oder, zu Beginn bei einem schwerwiegenden Mangel, in Spritzenform ein Mangel unkompliziert ausgeglichen werden.

Vitamin B1

Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist das Risiko im Vergleich zu Nicht-Diabetikern deutlich höher, an Alzheimer-Demenz (AD) zu erkranken. Es gibt mittlerweile zahlreiche Hinweise, dass Typ-2-Diabetes über einen gestörten zentralen Glukosestoffwechsel in den Nervenzellen und eine verminderte Glucoseverwertung im Gehirn zur Alzheimer-Krankheit beitragen kann. Auch ein Vitamin-B1-Mangel könnte eine Rolle bei der Alzheimer-Demenz spielen, denn in Gehirnen von AD-Patienten wurden erniedrigte Vitamin-B1-Konzentrationen nachgewiesen.

Wissenschaftler wiesen in tierexperimentellen Untersuchungen nach, dass eine achtwöchige Behandlung mit der lipidlöslichen Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin bei an Alzheimer erkrankten Mäusen nicht nur krankhafte Hirnveränderungen wie die Plaquebildung reduzieren, sondern auch Leistungsdefizite im Lernverhalten signifikant verbessern kann. Die Wissenschaftler setzten in ihren Untersuchungen die Vorstufe Benfotiamin ein, weil frühere Untersuchungen mit wasserlöslichem Thiamin nur einen geringen positiven Effekt zeigten. Als Hauptgrund wurde die nur sehr geringe Bioverfügbarkeit von oral eingenommenen wasserlöslichen Thiamin-Verbindungen angesehen. Die fettlösliche Vorstufe Benfotiamin gelangt in wesentlich höheren Konzentrationen in den Körper und die Gewebe, was offensichtlich eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit in der Pathogenese der Alzheimer-Demenz ist.

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Eine kleine, aber kontrollierte Humanstudie zum Nutzen von oralem Benfotiamin bei Alzheimer-Demenz zeigte ebenfalls vielversprechende Ergebnisse. Laut der Autoren verbesserte Benfotiamin in präklinischen Untersuchungen bereits pathologische Faktoren, die eine Alzheimer-Demenz definieren. Aufgrund dieser Ergebnisse testeten die Wissenschaftler nun 12 Monate lang Benfotiamin im Vergleich zu Placebo bei Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und leichter Alzheimer-Krankheit. Der primäre klinische Endpunkt war die „Alzheimer's Disease Assessment Scale-Cognitive Subscale“ - abgekürzt als ADAS-Cog. Als weitere Endpunkte wurden der Clinical-Demenz-Rating-(CDR)-Score und die Messung von Blut-AGEs als bekannte Risikofaktoren für die AD-Entwicklung definiert. Die Ergebnisse waren durchaus positiv:

  • Der Anstieg des ADAS-Cog war in der Benfotiamin-Gruppe um 43 % geringer (fast statistisch signifikant (p = 0,125)) im Vergleich zu Placebo, was auf einen geringeren kognitiven Rückgang hinweist.
  • Die Verschlechterung der CDR ist in der Benfotiamin-Gruppe um 77% geringer ausgefallen im Vergleich zu Placebo.
  • Benfotiamin reduzierte signifikant den Anstieg des AGEs.

Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12

Für die längerkettigen Omega-3-Fettsäure kann eine orientierende Empfehlung von 1 g/die EPA + DHA genannt werden. Für die Fettsäurediagnostik bieten wir drei verschiedene Fettsäureprofile an. B-Vitamine können in einem speziellen Panel angefordert werden.

Studienergebnisse zur Wirksamkeit von B-Vitaminen bei Demenz

VITACOG-Studie

Sehr umfangreich dokumentiert sind die Ergebnisse der VITACOG-Studie, bei der auch MRT-Unter­suchungen zum Einsatz kamen, die in den Publi­kationen dokumentiert sind. In der rando­misierten doppelt-blinden Studie erhielten 271 Patienten (Subgruppe von 171 Patienten mit MRT-Scan) über 70 Jahren mit milden kogni­tiven Einschränk­ungen 0,8 mg Folsäure + 0,5 mg Vitamin B12 + 20 mg Vitamin B6 oder Placebo täglich für einen Zeit­raum von 2 Jahren. Primärer Endpunkt war die Zunahme der Hirn-Atrophie-Rate pro Jahr gemäß MRT. Diese lag in der Placebo-Gruppe bei 1.08 %, in der Verum-Gruppe bei 0,76 %, somit 29,6 % niedriger.

Die Daten der VITACOG-Studie wurden auch in Hinblick auf Subgruppen weiter untersucht. Hohes Homocystein ist bei Älteren ein Risikofaktor für Hirnatrophie und eine Einschränkung kognitiver Leistungen bis hin zur Demenz. B-Vitamin-Gabe reduzierte die Hirnatrophie-Rate im Vergleich zu Placebo um ca. 30 %, wobei es zu einer Absenkung des Homocysteins um ca. 32 % kam. Im Quartil mit den höchsten Homocystein-Konzentrationen (> 13.0 µmol/l) war der therapeutische Effekt am größten (Absenkung der Hirnatrophie-Rate um 53 %). Kein Behandlungseffekt ergab sich im Quartil mit den niedrigsten Homocystein-Konzentrationen (< 9,5 µmol/l). Die Reduktion der Hirn­atrophie bei hohen Homocystein-Werten zeigte sich insbesondere in den Bereichen der grauen Substanz, einschließlich des medialen Temporal­lappens, was von besonderer Bedeutung für die Entwick­lung einer AD ist.

Interaktionen mit Omega-3-Fettsäuren

Signifikante Interaktionen ergeben sich zwischen der B-Vitamin-Gabe und der Ver­sorgungs­lage bezüglich der Omega-3-Fettsäuren. Während die B-Vitamin-Gabe im Vergleich zu Placebo bei Probanden mit hohen Konzen­trationen von lang­kettigen Omega-3-Fettsäuren die Hirnatrophie-Rate um 40 % verminderte, ergab sich keine signifikante Ver­besserung bei den Probanden mit niedrigen Konzen­trationen dieser Fett­säuren. In einer weiteren Auswertung der vorgenannten Studie wurden die Inter­aktionen zwischen B-Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren auf verschiedene kog­nitive Testungen untersucht und ein klini­sches Demenz-Rating (CDR - clinical dementia rating) gebildet. Bei höheren Ausgangs­konzen­trationen von Omega-3-Fettsäuren (EPA + DHA) ergab sich für die B-Vitamin-Gruppe eine Ver­besserung gegen­über Placebo, nicht jedoch für niedrige Konzen­trationen an Omega-3-Fettsäuren.

Auch in einer unlängst publizierten Meta-Analyse wurde eine signifikante Besserung neuro­psycho­logi­scher Testun­gen, der kognitiven Leistung und des Gedächt­nisses bei Älteren unter einer kombi­nierten Gabe von B-Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren bestätigt, wenngleich die Studien­lage bei unter­schied­lichem Studien­design nicht einheitlich ist.

Weitere Studien

Eine hochdosierte Therapie mit B-Vitaminen hat in einer randomisierten klinischen Studie in der Public Library of Science One (2010; 5: e12244) das Fortschreiten einer Hirnatrophie bei älteren Menschen mit milder kognitiver Einschränkung (MCI) verzögert. Ob dies allerdings klinische Auswirkungen für den Patienten hat, ist unklar.

Empfehlungen der D.A.CH.-Liga Homocystein

Zur Senkung erhöhter Homocystein-Konzentrationen hat sich die Gabe von B-Vitaminen (B6, B12, Folsäure) bewährt. Die D.A.CH.-Liga Homocystein empfiehlt folgende tägliche Dosierungen:

  • Folsäure: 200-800µg
  • Vitamin B 12: 3-100 µg
  • Vitamin B6: 2-6 mg

Sollte nach 4-6 Wochen keine Absenkung des Homocysteins unter 10 µmol/l erreicht werden, kann eine Dosis­erhöhung wie folgt empfohlen werden:

  • Folsäure: 1-5 mg
  • Vitamin B12: 100-600 µg
  • Vitamin B6: 6-25 mg

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