Die Trigeminusneuralgie ist eine seltene Erkrankung, die durch heftige, blitzartig einschießende Gesichtsschmerzen gekennzeichnet ist. Die Schmerzattacken treten im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus auf, dem fünften Hirnnerven, der für die sensible Wahrnehmung im Gesichtsbereich zuständig ist. Die Erkrankung kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen, da alltägliche Aktivitäten wie Sprechen, Kauen, Schlucken oder Zähneputzen oft als äußerst schmerzhaft empfunden werden.
Was ist eine Trigeminusneuralgie?
Die Trigeminusneuralgie betrifft etwa 4 von 100.000 Menschen pro Jahr. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 53 und 57 Jahren, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer (60% bzw. 40%). Die Erkrankung wird in der Regel als chronisch betrachtet, da wiederkehrende und akute Schmerzepisoden auftreten. Die Schmerzattacken sind oft von kurzer Dauer, jedoch sehr intensiv und quälend.
Die Schmerzen werden von Betroffenen oft als blitzartig einschießend, extrem intensiv, elektrisierend, stechend und scharf beschrieben. Sie treten ohne äußere Schädigung des Körpers oder des Kopfes auf und sind meist auf das Versorgungsgebiet des zweiten oder dritten Astes des Nervus trigeminus oder auch auf beide gemeinsam begrenzt und auf eine Gesichtshälfte beschränkt.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen der Trigeminusneuralgie sind bis heute nicht vollständig verstanden. In den ärztlichen Leitlinien werden anhand der Ursachen verschiedene Erkrankungsformen unterschieden.
Klassische Trigeminusneuralgie
Die klassische Trigeminusneuralgie wird als krankhafter Gefäß-Nerven-Kontakt an der Wurzeleintrittszone des Hirnnervs beschrieben. In den meisten Fällen (70-80%) drückt ein benachbartes Blutgefäß, meist die Arteria cerebelli superior (SCA), auf den Trigeminusnerven. Durch diesen Druck büßt der Nerv im Bereich der Druckstelle seine schützende Myelin-Hülle ein.
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Symptomatische Trigeminusneuralgie
Bei bis zu 15% der Patienten lassen sich mittels moderner Bildgebung auch andere Auslöser nachweisen. In diesen Fällen spricht man von sekundären oder symptomatischen Trigeminusneuralgien. Mögliche Ursachen sind Multiple Sklerose (MS), Gefäßfehlbildungen im Gehirn, Entzündungen oder Verletzungen. An andere Erkrankungen, die sich hinter den typischen Symptomen verstecken können, sollte insbesondere bei jüngeren Patientinnen und Patienten gedacht werden.
Weitere Risikofaktoren
Obwohl die genauen Auslöser nicht immer eindeutig feststellbar sind, können bestimmte Faktoren die Schmerzattacken triggern. Dazu gehören minimale Reize wie Sprechen, Rasieren, Kauen, Zähneputzen, eine Berührung, kaltes Wasser oder ein kalter Luftzug. Auch emotionaler Stress kann die Symptomatik verstärken.
Diagnose
Für die Diagnose sind die individuelle Geschichte der Gesichtsschmerzen und eine ausführliche klinische Untersuchung entscheidend. Durch eine dreidimensionale (3D) Time-of-Flight-Magnetresonanz-Angiografie (3D TOF MRA) in Kombination mit einer hochauflösenden T2-gewichteten Bildgebung (HR T2WI) lassen sich die beschriebenen Kompressionen erkennen.
Differentialdiagnose
Es ist wichtig, die Trigeminusneuralgie von anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen abzugrenzen. Dazu gehören die postzosterische Neuralgie, der Cluster-Kopfschmerz, die kraniomandibuläre Dysfunktion oder die Trigeminusneuropathie. Letztere zeigt sich typischerweise durch Dauerschmerz, der auf eine unmittelbare Schädigung oder Erkrankung des Nervensystems im Kiefer- und Gesichtsbereich zurückzuführen ist (z. B. durch ein Trauma oder eine Infektion). Solche schmerzhaften Neuropathien treten nicht selten nach zahnärztlichen Eingriffen auf.
Behandlungsmöglichkeiten
Es gibt heute vielfältige passgenaue und innovative Behandlungsmöglichkeiten, um die Gesichtsschmerzen einer Trigeminusneuralgie auszuschalten oder zumindest besser zu kontrollieren. Die Wahl der Therapie hängt von der individuellen Patientengeschichte, der Ursache der Erkrankung und den persönlichen Präferenzen ab.
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Medikamentöse Therapie
In einigen Fällen können die Schmerzattacken durch Medikamente gut kontrolliert werden. In Deutschland sind dafür allerdings nur wenige Wirkstoffe zugelassen. Typischerweise wird die medikamentöse Therapie mit Gabapentin oder Pregabalin begonnen. Andere antiepileptische Wirkstoffe, die eingesetzt werden können, sind beispielsweise Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin oder Phenytoin.
Zu berücksichtigen bleiben mögliche Nebenwirkungen einer medikamentösen Behandlung, z. B. eine langfristige Schädigung der Leber. Die individuelle medikamentöse Versorgung sollte stets mit den behandelnden Neurologinnen und Neurologen im Detail abgestimmt werden.
Operative Therapien
Bei den operativen Therapien geht es darum, durch Kompression ausgelöste Gesichtsschmerzen so zu behandeln, dass der Trigeminusnerv entlastet wird. Der direkte Kontakt zwischen dem drückenden Blutgefäß und dem Nerven soll also unterbunden werden.
Mikrovaskuläre Dekompression (Jannetta-OP)
Der amerikanische Neurochirurg Peter Joseph Jannetta hat hierfür einen Eingriff entwickelt, die mikrovaskuläre Dekompression (MVD) oder kurz Jannetta-OP. Dabei wird der Schädel geöffnet und ein Kunststoffstück, zum Beispiel Teflonflies, als Puffer zwischen Gefäß und Trigeminusnerv eingelegt. Nach einer Jannetta-OP sind die Nervenschmerzen im Gesicht in den meisten Fällen verschwunden oder zumindest deutlich gebessert (80 bis 95%), auch die Langzeitergebnisse sind mit ca. 70% Schmerzfreiheit nach 10 Jahren vielversprechend. Mögliche Nebenwirkungen bzw. Komplikationen sind unabhängig vom Alter der Patienten beispielsweise eine Hörminderung oder Hörverlust.
Perkutane Verfahren
Ist die Jannetta-OP nicht möglich oder durch den Patienten nicht gewünscht, kann eine für mehrere Jahre anhaltende Schmerzlinderung bzw. Schmerzfreiheit durch läsionelle Eingriffe am Ganglion Gasseri erzielt werden. Bei der selektiven Thermokoagulation beispielsweise werden mittels Hitze schmerzleitende Fasern geschädigt, typischerweise mit Temperaturen um 72 bis 75 Grad Celsius. Nachteil der perkutanen Verfahren ist, dass es sich um invasive Methoden handelt. Auch kann die Wirkung im Langzeitverlauf nachlassen, Schmerzattacken später also erneut auftreten.
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Radiochirurgische Behandlung (Cyberknife, Gamma-Knife)
Die ambulante radiochirurgische Behandlung mit modernen Robotersystemen, wie z. B. dem CyberKnife und dem ZAP-X, wird bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Trigeminusneuralgie immer häufiger eingesetzt. Neue Erkenntnisse verschiedener Studien belegen für die radiochirurgische Behandlung weniger Komplikationen und eine bessere langfristige Linderung. Je nach individueller Patientengeschichte und Ursache, kann die Trigeminusneuralgie mithilfe der Hochpräzisions-Technologie des CyberKnife-Systems in nur einer einzigen Sitzung ambulant behandelt werden. Danach kommt es innerhalb von wenigen Wochen zu einer Narbenbildung im Trigeminusnerv und damit einhergehend zur Schmerzlinderung bzw. völligen Schmerzfreiheit.
Sollte es zu einem Rezidiv mit Schmerzattacken kommen, kann die erneute radiochirurgische Behandlung der Trigeminusneuralgie Abhilfe schaffen. Im Unterschied zu invasiven Methoden sinkt nämlich mit dem CyberKnife auch bei einer Behandlung des Rezidivs die Wahrscheinlichkeit für einen optimalen Therapieerfolg mit Reduktion der individuellen Krankheitslast nicht. Bei etwa 10% der Patienten kann sich nach einer radiochirurgischen Therapie eine Taubheit in der behandelten Gesichtshälfte entwickeln.
Alternative Behandlungsmethoden
Alternative Methoden bei der Behandlung der Trigeminusneuralgie wurden bisher nicht so gründlich untersucht wie die medikamentösen oder chirurgischen Verfahren. Dennoch konnte manchen Patient:innen mit alternativen Behandlungen geholfen werden, zum Beispiel mit Akupunktur, Biofeedback, Chiropraktik, Vitaminen oder Nahrungsergänzungsstoffen.
Aus Sicht der Anthroposophischen Medizin liegt der Trigeminusneuralgie ein gestörtes Verhältnis zwischen Empfindungs- und Lebensorganisation zugrunde.
Die TCM unterscheidet folgende Ursachen: Wind-Kälte als äußerer pathogener Faktor greift das Gesicht an; dies kann sich auch in Wind-Hitze wandeln. Des Weiteren kommen verschiedene Syndrome, z. B. Magen- und Leber-Feuer oder Nieren-Yin Mangel in Frage.
Leben mit Trigeminusneuralgie
Komplexer gewordene Therapiemöglichkeiten bedeuten, dass die Entscheidung für eine Therapie immer mit Blick auch auf Ihre individuelle Lebenssituation erfolgen sollte.
Die Trigeminusneuralgie ist eine seltene Erkrankung, die zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen kann. Die Schmerzattacken sind unvorhersehbar und können durch alltägliche Aktivitäten ausgelöst werden. Dies kann zu sozialer Isolation, Angstzuständen und Depressionen führen.
Krankheitsbewältigung und Unterstützung
Es ist wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren und sich aktiv an der Therapieentscheidung zu beteiligen. Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann ebenfalls hilfreich sein.
Da die Schmerzattacken heftig sind, verweigern manche Betroffene die Nahrungsaufnahme oder nehmen nur noch Flüssiges mit einem Strohhalm zu sich, um mögliche Schmerzen zu vermeiden. Die Folgen können ein Gewichtsverlust und Flüssigkeitsmangel sein. Die starken Schmerzen sind auch eine enorme psychische Belastung und können mit depressiven Verstimmungen einhergehen.
Für viele Patientinnen und Patienten sind bei einer Trigeminusneuralgie alltägliche Aktivitäten, wie das Gesicht zu waschen, oft äußerst schmerzhaft eingeschränkt. Und da die Schmerzepisoden über längere Zeiträume hinweg bestehen bleiben oder immer wiederkehren, kommt oft eine hohe emotionale Belastung hinzu.
Schmerztagebuch
Ein Schmerztagebuch kann helfen, Triggerfaktoren zu identifizieren und die Wirksamkeit der Behandlung zu dokumentieren.
Rezidiv
Auch trotz erfolgreicher Behandlung kann es erneut zu Schmerzattacken kommen. Es ist möglich, dass bei einem Schmerzrezidiv eine erneute Behandlung erforderlich ist, um die Schmerzen gut zu kontrollieren. In Studien hat sich hier die radiochirurgische Behandlung gegenüber invasiven Verfahren bewährt, bei denen erneute Therapien nach Erstbehandlung nicht mehr so erfolgreich waren.
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