Neurologie: Definition, Aufgaben und Bedeutung

Die Neurologie ist ein medizinisches Fachgebiet, das sich mit der Diagnose, Therapie und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur beschäftigt. Das Nervensystem umfasst dabei Gehirn, Rückenmark und die peripheren Nerven. Mehr als 100 Milliarden Nervenzellen steuern innerhalb dieses Systems unsere Bewegung, Sprache, Denken und Fühlen.

Definition und Ursprung

Der Begriff Neurologie stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern „neuron“ (Nerv) und „logos“ (Lehre) zusammen. Wörtlich übersetzt bedeutet Neurologie also „die Lehre von den Nerven“. Die Stammform Neuro-, vor Vokalen Neur- ‘das Nervensystem, Nervengewebe betreffend, von den Nerven herrührend’ wird zum Bestimmungswort gelehrter Bildungen in Naturwissenschaft und Medizin.

Historisch gesehen war die Neurologie zunächst ein Teilgebiet der inneren Medizin, da sich viele neurologische Erkrankungen in Form von körperlichen Beschwerden äußern. Die Behandlung von "Geisteskranken" entwickelte sich jedoch bereits im 18. Jahrhundert zu einer selbstständigen Fachrichtung, die zur Gründung der Psychiatrie führte. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts etablierte sich die Neurologie als eigenständige Disziplin.

Aufgaben und Tätigkeitsbereiche der Neurologie

Die Aufgaben der Neurologie sind ebenso vielfältig wie die Krankheitsbilder. Eine Neurologin bzw. ein Neurologe untersucht die Beschwerden der Patientinnen und Patienten zunächst durch eine ausführliche Anamnese, um die möglichen Ursachen zu ermitteln. Darauf aufbauend wählt sie oder er die geeigneten diagnostischen Verfahren wie bildgebende Verfahren oder Laboruntersuchungen aus und leitet die passende Therapie ein.

Was eine Neurologin oder ein Neurologe macht, lässt sich in drei Hauptaufgaben unterteilen: Sie oder er führt eine ausführliche Anamnese durch, setzt diagnostische Verfahren wie MRT, EEG oder Blutuntersuchungen ein und leitet eine individuell angepasste Therapie ein. Zusätzlich spielen Neurologinnen und Neurologen eine wichtige Rolle bei der langfristigen Betreuung von chronischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Epilepsie oder Morbus Parkinson.

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Diagnostik

In der Neurologie kommen verschiedene diagnostische Methoden zum Einsatz, um neurologische Erkrankungen präzise zu erkennen. Zentrales Element ist zunächst eine gründliche Befragung (Anamnese) der Patientinnen und Patienten. Dabei erkundigt sich die Ärztin oder der Arzt der Neurologie nach Beschwerden, Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahmen. Im Anschluss erfolgen spezifische neurologische Untersuchungen, darunter:

  • Laboruntersuchungen von Blut und Liquor: Die Analyse von Gehirn- oder Nervenwasser hilft bei der Diagnostik von durch Erreger ausgelösten Erkrankungen des Nervensystems. Der Liquor wird durch eine Punktion im Rückenmark entnommen.
  • Ultraschalluntersuchungen: Mit einem Ultraschall der hirnversorgenden Gefäße können mögliche Durchblutungsstörungen und die Versorgung des Gehirns überprüft werden.
  • Elektrophysiologische Diagnostik (EEG): Diese Methode misst die Hirnströme und wird beispielsweise bei Epilepsie eingesetzt. Die EEG-Ableitungen erfolgen standardmäßig nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für klinische Neurophysiologie (Ten-Twenty-System), bei besonderen Fragestellungen werden auch Provokationsverfahren eingesetzt.
  • Bildgebende Verfahren: CT und MRT sind in der Neurologie unverzichtbar. Sie erlauben eine detaillierte Darstellung der Gehirnstrukturen und werden sowohl bei Schlaganfällen oder Hirnblutungen als auch zur Diagnose degenerativer Erkrankungen genutzt. Die neuroradiologische Diagnostik erfolgt in der Radiologischen Abteilung, wobei eine neuroradiologische Expertise vorhanden ist.
  • Neurophysiologisches Labor: Hier können die Funktion der zentralen und peripheren Nervenbahnen sowie der Muskulatur gemessen werden. Im zentralen Nervensystem werden die Funktion der akustischen, sensiblen, visuellen und motorischen Bahnen untersucht. Dies geschieht mit den jeweiligen sogenannten evozierten Potentialen (AEP, SSEP, VEP, MEP). Im Bereich des peripheren Nervensystems werden sensible und motorische Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG) gemessen, was insbesondere bei Polyneuropathien eine wichtige Rolle spielt. Mit der Elektronystagmographie (ENG) können Augenbewegungsstörungen objektiviert werden. Diese Untersuchung ist insbesondere zur Einordnung von Schwindelerkrankungen hilfreich.

Behandlung

Im Fachgebiet Neurologie sind die Behandlung und die Therapie stark von der jeweiligen neurologischen Erkrankung abhängig. Viele Krankheitsbilder, wie Migräne, Myopathien oder Epilepsie, lassen sich heute durch moderne medikamentöse Therapien gut behandeln. Welche Maßnahmen für die Patientin oder den Patienten geeignet sind, wird gemeinsam mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt für Neurologie individuell auf die Krankengeschichte abgestimmt. Erkrankungen wie ein Schlaganfall oder eine Hirnblutung gehören zu den medizinischen Notfällen, die eine sofortige Behandlung erfordern. Die Schlaganfallmedizin hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Schlaganfälle und Hirninfarkte werden heute schwerpunktmäßig in spezialisierten Schlaganfallstationen, den sogenannten Stroke Units, behandelt. Diese bieten eine engmaschige Überwachung und ermöglichen eine schnelle Reaktion bei Komplikationen. Bei einer Hirnblutung stehen zudem neurochirurgische Therapien zur Verfügung, die darauf abzielen, die Blutung zu stoppen und Folgeschäden zu minimieren.

Rehabilitation

Die neurologische Reha wird angeboten, um Patientinnen und Patienten nach Schlaganfällen, Hirnblutungen oder anderen neurologischen Erkrankungen bei der Wiedererlangung ihrer Selbstständigkeit zu unterstützen. Es werden individuell abgestimmte Therapieprogramme angeboten, die Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie umfassen.

Häufige neurologische Erkrankungen

Die Neurologie befasst sich mit einer Vielzahl von Krankheitsbildern, die sowohl den Alltag der Patientinnen und Patienten stark beeinflussen als auch in akuten medizinischen Notfällen lebensrettende Maßnahmen erfordern können. Zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen gehören:

  • Kopfschmerzen und Migräne: Ein neurologisches Krankheitsbild, das typischerweise mit anfallsartigen Kopfschmerzen einhergeht. Neben pulsierenden Kopfschmerzen sind Übelkeit sowie Lärm- und Lichtempfindlichkeit typische Begleiterscheinungen. Die sogenannte Migräne mit Aura geht zusätzlich mit Lähmung, Sehstörungen oder Taubheitsgefühlen einher.
  • Schlaganfall: Eine Gefäßerkrankung des Gehirns, bei der die Verengung eines Gefäßes durch ein Gerinnsel zu einer Minderdurchblutung führt. Teilweise kommt es auch durch den Einriss des Gefäßes zu einer Hirnblutung.
  • Epilepsie: Hierbei wird die elektrische Übertragung der Nervenzellen gestört, was zu anfallsartigen Störungen wie Zuckungen, Bewusstseinsstörungen oder Ohnmacht führt.
  • Multiple Sklerose: Eine chronische Autoimmunerkrankung, die durch Entzündungen in Gehirn oder Rückenmark ausgelöst wird. Typische Beschwerden sind z. B. Sehstörungen, Lähmungen, Gefühlsstörungen oder Sprachstörungen.
  • Morbus Parkinson: Hier führen veränderte Neurotransmittersysteme zu fortschreitenden Bewegungsstörungen, Muskelsteifigkeit, Zittern oder auch Standunsicherheit.
  • Demenz: Die häufigste Erkrankung im Alter, wobei man zwischen verschiedenen Demenzformen unterscheidet.
  • Myopathien: Muskelerkrankungen, die mit einer allgemeinen Schwäche der Muskulatur, Muskelschwund sowie Muskelschmerzen einhergehen.

Ursachen neurologischer Erkrankungen

Neurologische Erkrankungen können durch vielfältige Ursachen wie genetische Veranlagungen, Autoimmunprozesse oder Durchblutungsstörungen ausgelöst werden. Auch Entzündungen, Verletzungen oder neurodegenerative Vorgänge spielen eine Rolle.

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Es gibt jedoch auch beeinflussbare Risikofaktoren, die das Risiko für bestimmte neurologische Erkrankungen erhöhen können. Dazu gehören:

  • Schwerhörigkeit: Bei den Betroffenen verringern sich die geistigen Fähigkeiten wesentlich schneller als bei gut hörenden Altersgenossen.
  • Einnahme bestimmter Medikamente: Medikamente gegen Inkontinenz, Schlafstörungen oder Depressionen scheinen in höherer Dosis oder bei länger Anwendung das Risiko für Demenz zu erhöhen. Auch Säureblocker, die vielfach im Einsatz gegen Sodbrennen sind, könnten das Demenzrisiko erhöhen.
  • Vitamin-D-Mangel: Menschen mit Vitamin-D-Mangel haben ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken.
  • Stress: Große seelische Belastungen treiben das Demenzrisiko in die Höhe.
  • Unstabile Persönlichkeit: Wer emotional weniger stabil ist, trägt offenbar ein erheblich höheres Risiko für Alzheimer.
  • Einsamkeit: Wer einsam ist, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, später an Demenz zu erkranken.
  • Diabetes und Bluthochdruck: Diabetiker haben ein höheres Risiko für Demenz. Bluthochdruck erhöht die Gefahr der sogenannten vaskulären Demenz.
  • Rauchen: Nikotin und Co. verengen die Gefäße, was die Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Nährstoffen erschwert und zu kognitiven Einbußen und schlussendlich auch zu Demenz führen kann.
  • Luftverschmutzung: Menschen, die in Stadtvierteln mit extrem hoher Luftverschmutzung wohnen, haben ein höheres Risiko, an Demenz zu erkranken.
  • Übergewicht oder Untergewicht: Beides ist nicht gut, wenn es um das Risiko für Demenz geht.
  • Depressionen: Je stärker die Symptome der Depression, desto höher das anschließende Risiko für die Demenz.

Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung, dem Verzicht auf Nikotin und übermäßigen Alkoholkonsum sowie die Vermeidung von Stress kann dazu beitragen, das Risiko für neurologische Erkrankungen zu senken.

Wann sollte man einen Neurologen aufsuchen?

Man sollte eine Neurologin oder einen Neurologen aufsuchen, wenn Beschwerden auftreten, die auf Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks, der Nerven oder der Muskulatur hinweisen könnten. Dazu zählen Symptome wie anhaltende Kopfschmerzen, Schwindel, Lähmungen, Kribbeln oder Sehstörungen. Auch bei plötzlichen Anfällen, Gedächtnisverlust oder Bewegungsstörungen kann ein Besuch in der Neurologie notwendig sein.

Spezialisierungen innerhalb der Neurologie

Die Neurologie umfasst eine Vielzahl spezialisierter Teilbereiche, die auf unterschiedliche Aspekte des Nervensystems und seiner Erkrankungen eingehen. Dazu gehören:

  • Neuroradiologie: Konzentriert sich auf die diagnostische Darstellung und Beurteilung von Gehirn und Nervensystem mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie MRT, CT oder Sonographie.
  • Neurochirurgie: Befasst sich mit der operativen Behandlung von Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems.
  • Neuropädiatrie: Spezialisiert sich auf die Diagnostik und Therapie neurologischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.
  • Neurologische Rehabilitation: Unterstützt Patientinnen und Patienten nach neurologischen Erkrankungen bei der Wiedererlangung ihrer Selbstständigkeit.

Bedeutung der Neurologie

Der Bedarf an Fachärzten für Neurologie wächst stetig, was auf die älter werdende Bevölkerung und die damit einhergehende steigende Zahl neurologischer Erkrankungen und Störungen zurückzuführen ist. Die Neurologie spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose, Behandlung und Rehabilitation von Erkrankungen des Nervensystems und trägt dazu bei, die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten zu verbessern.

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