Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch abnorme, synchrone Entladungen von Nervenzellverbänden im Gehirn, was zu vorübergehenden Funktionsstörungen führt. Die Ursachen von Epilepsie sind vielfältig und oft komplex, wobei sowohl genetische als auch erworbene Faktoren eine Rolle spielen können. Es ist wichtig zu beachten, dass der Begriff "Auslöser" oft mit Triggern einzelner Anfälle verwechselt wird. Während Trigger wie Schlafmangel oder Stress Anfälle provozieren können, sind die eigentlichen Ursachen der Epilepsie im Gehirn und Stoffwechsel der Betroffenen zu suchen.
Definition und Formen der Epilepsie
Von Epilepsie spricht man, wenn Anfälle wiederholt spontan auftreten oder nach einem einmaligen Anfall ein erhöhtes Risiko für weitere Anfälle besteht. Dies kann durch Hinweise in der Bildgebung des Gehirns oder in den elektrischen Hirnströmen (EEG) festgestellt werden. Schätzungsweise 0,5-1 % der Bevölkerung in Deutschland leiden an Epilepsie.
Je nach Ursache und Art der Anfälle werden verschiedene Formen von Epilepsie unterschieden:
- Kryptogene Epilepsie: Hier bleibt die genaue Krankheitsentwicklung trotz moderner Untersuchungsmethoden unklar. Es gibt deutliche Hinweise auf eine Ursache im Gehirn, aber diese kann nicht identifiziert werden. Heute wird diese Form oft als Epilepsie mit unbekannter Ursache bezeichnet.
- Idiopathische Epilepsie: In diesen Fällen lässt sich überhaupt keine Ursache für die epileptischen Anfälle finden. Es gibt keinerlei Hinweise auf krankhafte Veränderungen im Gehirn oder Stoffwechselstörungen. Dieser Begriff wird jedoch zunehmend durch "genetische Epilepsie" ersetzt.
- Genetische Epilepsie: Bei vielen Betroffenen bestehen vermutlich oder nachweislich genetische Veränderungen, die zur Entstehung der Epilepsie beitragen. Diese Veränderungen sind jedoch meist nicht direkt vererbbar, sondern erhöhen lediglich die Anfälligkeit für Krampfanfälle. Äußere Faktoren wie Schlafentzug oder hormonelle Umstellungen können dann zum Ausbruch der Erkrankung führen.
- Symptomatische Epilepsie (strukturell/metabolische Epilepsie): Hier lassen sich strukturelle Veränderungen des Gehirns oder Grunderkrankungen als Ursache der epileptischen Anfälle identifizieren. Dazu gehören beispielsweise angeborene Fehlbildungen des Gehirns, Hirnschäden durch die Geburt, Schädel-Hirn-Traumata, Hirntumoren, Schlaganfälle, Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis) oder der Hirnhäute (Meningitis) sowie Stoffwechselstörungen (Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen).
Ursachen von Epilepsie
Die Ursachen von Epilepsie sind vielfältig und können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden:
1. Genetische Ursachen
Eine genetische Veranlagung spielt bei vielen Epilepsieformen eine wichtige Rolle. Manche Menschen haben eine stärkere Veranlagung zu epileptischen Anfällen als andere, was auf Defekte in einem oder mehreren Genen zurückzuführen sein kann. Diese Gene können die Erregbarkeit der Nervenzellen beeinflussen. Häufig sind die betroffenen Gene nicht bekannt, und es müssen bestimmte Gen-Konstellationen vorliegen, damit es zu einer Epilepsie kommt. Daher sind diese Epilepsie-Ursachen meist nicht vererbbar, auch wenn sie neuerdings als genetische Epilepsien bezeichnet werden.
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Mittels genetischer Diagnostik können verschiedene genetische Veränderungen festgestellt werden:
- Abweichungen der Chromosomenzahl: Selten können Veränderungen in der Anzahl der Chromosomen festgestellt werden, wie z. B. Trisomie 21.
- Copy Number Variations (CNV): Größere Verluste oder Zugewinne von genetischem Material können mittels Array-CGH festgestellt werden. Diese Veränderungen sind in der Regel spontan entstanden und nicht ererbt, können aber vom Betroffenen weitervererbt werden.
- Monogenetische Epilepsie: Mutationen in einzelnen Genen, die für die Hirnfunktion wichtig sind, können zu Epilepsie führen. Es sind über 500 Gene bekannt, deren Mutation eine Epilepsie verursachen kann. Diese Gene können im Labor einzeln oder im Rahmen einer Next-Generation-Sequencing (NGS) untersucht werden. Die meisten monogenetischen Epilepsien beruhen auf spontanen Mutationen.
Es ist wichtig zu beachten, dass bei den meisten Menschen mit genetischer Epilepsie die Ergebnisse der Mutationssuche normal sind. In diesen Fällen liegt oft eine polygenetische Veranlagung vor, bei der eine kritische Anzahl an Genen minimale Varianten ihrer Aktivität zeigen, die in Kombination zur Krankheit führen.
2. Strukturelle Ursachen
Strukturelle Veränderungen im Gehirn können ebenfalls Epilepsie verursachen. Diese Veränderungen können durch verschiedene Ereignisse entstehen, die das Gehirn schädigen:
- Schlaganfall: Ein Schlaganfall kann zu Narbenbildung im Gehirn führen, die eine Übererregbarkeit verursachen und fokale Anfälle auslösen können.
- Hirntumor: Tumore im Gehirn können das umliegende Gewebe schädigen und epileptische Anfälle verursachen.
- Schädel-Hirn-Trauma: Verletzungen des Gehirns durch Unfälle können ebenfalls zu Narbenbildung und Epilepsie führen.
- Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis) oder der Hirnhäute (Meningitis): Entzündungen können das Hirngewebe schädigen und epileptische Anfälle auslösen.
- Angeborene Fehlbildungen des Gehirns: Ein Teil dieser Fehlbildungen betrifft beide Hirnhälften und manchmal die gesamte Hirnrinde (Pachygyrie, Lissenzephalie, beidseitige Polymirkogyrie, Bandheterotopie). Die Betroffenen sind meist schwer behindert und haben schwierig zu behandelnde Epilepsien. Andere Fehlbildungen sind regional begrenzt und verursachen fokale Anfälle aus dieser Region (umschriebene Polymikrogyrie, noduläre Heterotopie). Eine besondere Rolle spielen die fokalen kortikalen Dysplasien (fokal= nicht überall, umschrieben; kortikal= die Hirnrinde betreffend; Dysplasie= Fehlanlage). Diese sind eine häufige Ursache schwer behandelbarer fokaler Epilepsien im Kindesalter und entgehen häufig einer Routine-MRT-Untersuchung, vor allem im Alter unter 2 Jahren.
3. Metabolische Ursachen
Stoffwechselstörungen können ebenfalls Epilepsie verursachen. Diese Störungen können die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und zu Anfällen führen. Beispiele für metabolische Ursachen sind:
- Seltene Stoffwechselerkrankungen: Einige seltene Erkrankungen des Stoffwechsels, wie z. B. Phenylketonurie, können Epilepsie verursachen.
- Diabetes: Schwankungen des Blutzuckerspiegels bei Diabetes können ebenfalls Anfälle auslösen.
- Schilddrüsenerkrankungen: Sowohl eine Über- als auch eine Unterfunktion der Schilddrüse können das Risiko für epileptische Anfälle erhöhen.
4. Immunologische Ursachen
In seltenen Fällen können Entzündungsvorgänge im Gehirn, die durch Autoimmunerkrankungen verursacht werden, zu Epilepsie führen. Dabei greift das Immunsystem das Hirngewebe an und schädigt es.
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5. Infektiöse Ursachen
Infektionen des Gehirns, die durch Viren oder Bakterien verursacht werden, können ebenfalls Epilepsie auslösen. Dazu gehören beispielsweise:
- Enzephalitis: Eine Entzündung des Gehirns kann das Hirngewebe schädigen und epileptische Anfälle verursachen.
- Meningitis: Eine Entzündung der Hirnhäute kann ebenfalls zu Epilepsie führen.
- Borreliose: In seltenen Fällen kann eine Borreliose-Infektion das Gehirn betreffen und epileptische Anfälle auslösen.
6. Unbekannte Ursachen
Trotz umfangreicher Untersuchungen bleibt die Ursache der Epilepsie in vielen Fällen unklar. Diese Fälle werden als kryptogene Epilepsien oder Epilepsien mit unbekannter Ursache bezeichnet.
Trigger von epileptischen Anfällen
Obwohl die eigentlichen Ursachen der Epilepsie im Gehirn und Stoffwechsel der Betroffenen liegen, gibt es bestimmte Faktoren, die epileptische Anfälle auslösen oder provozieren können. Diese Trigger sind jedoch nicht die Ursache der Epilepsie, sondern können lediglich die Wahrscheinlichkeit eines Anfalls erhöhen. Zu den häufigsten Triggern gehören:
- Schlafmangel: Unzureichender Schlaf ist einer der größten Auslöser für Anfälle.
- Unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus: Ein gestörter Schlafrhythmus kann ebenfalls Anfälle provozieren.
- Stress: Starke körperliche oder seelische Belastung kann das Risiko für Anfälle erhöhen.
- Fieber: Hohes Fieber, insbesondere bei Kindern, kann epileptische Anfälle auslösen (Fieberkrämpfe).
- Alkohol: Übermäßiger Alkoholkonsum kann Anfälle provozieren.
- Drogen: Viele Freizeitdrogen können die Gehirnchemie beeinflussen und möglicherweise einen Anfall auslösen.
- Flackerndes Licht: In seltenen Fällen können flackernde Lichter (z. B. durch Computerbildschirme oder Stroboskopbeleuchtung) Anfälle auslösen (lichtempfindliche Epilepsie).
- Dehydrierung: Achten Sie darauf, dass Sie immer ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.
- Versäumte Medikamenteneinnahme: Der häufigste Grund für einen Anfall ist das Vergessen der Einnahme der Antiepileptika oder das absichtliche Unterlassen der Einnahme.
Diagnose von Epilepsie
Die Diagnose von Epilepsie umfasst in der Regel eine umfassende Anamnese, eine körperliche Untersuchung und verschiedene diagnostische Tests:
- Anamnese: Der Arzt wird den Patienten oder seine Angehörigen ausführlich nach der Anfallsgeschichte, möglichen Auslösern und Vorerkrankungen fragen. Augenzeugenberichte sind besonders wichtig, um den Anfallhergang genau zu rekonstruieren.
- EEG (Elektroenzephalographie): Das EEG misst die Hirnströme und kann epilepsietypische Auffälligkeiten zeigen. Es ist ein wichtiges Instrument zur Diagnose von Epilepsie und zur Bestimmung der Anfallsart.
- MRT (Magnetresonanztomographie): Die MRT ist ein bildgebendes Verfahren, das detaillierte Bilder des Gehirns liefert. Sie kann strukturelle Veränderungen im Gehirn aufdecken, die als Ursache der Epilepsie in Frage kommen.
- Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen können helfen, metabolische oder infektiöse Ursachen für die Epilepsie zu identifizieren.
- Genetische Tests: In bestimmten Fällen können genetische Tests durchgeführt werden, um genetische Ursachen für die Epilepsie aufzudecken.
Therapie von Epilepsie
Das Ziel der Epilepsie-Behandlung ist die Anfallsfreiheit und eine verbesserte Lebensqualität der Betroffenen. Die Therapie umfasst in der Regel:
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- Medikamentöse Therapie (Antiepileptika): Antiepileptika sind Medikamente, die die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn reduzieren und so Anfälle verhindern können. Es gibt verschiedene Antiepileptika mit unterschiedlichen Wirkmechanismen. Die Wahl des geeigneten Medikaments hängt von der Art der Epilepsie, dem Alter des Patienten und möglichen Begleiterkrankungen ab.
- Chirurgische Therapie: Bei manchen Patienten mit fokaler Epilepsie, bei denen die Anfälle von einem bestimmten Bereich im Gehirn ausgehen, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Dabei wird der anfallsauslösende Bereich im Gehirn entfernt.
- Vagusnerv-Stimulation: Bei der Vagusnerv-Stimulation wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse an den Vagusnerv abgibt. Diese Impulse sollen die Überaktivität der Nervenzellen hemmen.
- Ketogene Diät: In einigen Fällen, insbesondere bei Kindern mit bestimmten Epilepsieformen, kann eine ketogene Diät helfen, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren. Die ketogene Diät ist eine sehr fettreiche und kohlenhydratarme Diät, die den Stoffwechsel des Gehirns verändert.
Ergänzend zur medikamentösen und chirurgischen Therapie können auch psychotherapeutische Maßnahmen hilfreich sein, um den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern und die Lebensqualität zu verbessern.
Leben mit Epilepsie
Epilepsie kann den Alltag der Betroffenen stark beeinflussen. Es ist wichtig, die individuellen Auslöser für Anfälle zu kennen und zu meiden. Darüber hinaus sollten Betroffene und ihre Angehörigen über die Erkrankung informiert sein und wissen, wie sie im Falle eines Anfalls reagieren sollen.
Wichtige Aspekte im Leben mit Epilepsie sind:
- Fahreignung: Menschen mit Epilepsie dürfen in der Regel kein Kraftfahrzeug führen, solange ein Anfallsrisiko besteht. Die genauen Bestimmungen sind von der jeweiligen nationalen Gesetzgebung abhängig.
- Beruf: Die Berufswahl kann durch die Epilepsie eingeschränkt sein. Berufe, bei denen das Auftreten eines Anfalls eine Gefahr darstellen würde, sollten vermieden werden.
- Soziale Aktivitäten: Epilepsie kann zu sozialer Isolation führen. Es ist wichtig, offen mit der Erkrankung umzugehen und sich nicht von sozialen Aktivitäten auszuschließen.
- Notfallplan: Betroffene sollten einen Notfallplan erstellen, der Informationen über ihre Erkrankung, ihre Medikamente und Anweisungen für den Fall eines Anfalls enthält. Dieser Plan sollte Angehörigen, Freunden und Kollegen zugänglich sein.