Wobenzym bei Multipler Sklerose: Erfahrungen, Studien und alternative Therapieansätze

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark betrifft. Die Suche nach wirksamen Therapien, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern, ist daher von großer Bedeutung. Neben den konventionellen Behandlungsmethoden rücken auch komplementäre und alternative Therapieansätze (KAT) immer wieder in den Fokus. Ein solches alternatives Verfahren ist die Enzymtherapie, insbesondere mit dem Präparat Wobenzym.

Was ist Wobenzym?

Wobenzym ist ein Kombinationspräparat, das verschiedene Enzyme enthält, darunter Chymotrypsin, Trypsin, Papain, Bromelain, Lipase, Alpha-Amylase, Pankreatin und Rutin. Ursprünglich wurde es zur Behandlung von Schwellungszuständen nach Thrombosen, Verletzungen sowie postoperativen Schwellungen und Entzündungszuständen eingesetzt. In jüngerer Zeit wurde das Anwendungsspektrum werbewirksam auf rheumatische Erkrankungen, Multiple Sklerose, chronische Infektionen, Krebserkrankungen und Erschöpfungszustände erweitert.

Erfahrungsberichte und Studien zur Enzymtherapie bei MS

Die Meinungen über die Wirksamkeit von Wobenzym bei MS sind geteilt. Einige Patienten berichten von positiven Erfahrungen, während andere keine Verbesserung feststellen konnten. Es ist wichtig zu betonen, dass Erfahrungsberichte subjektiv sind und nicht den gleichen Stellenwert wie wissenschaftliche Studien haben.

ESEMS-Studie

Aktuell läuft eine European Study on Enzym Therapy in Multiple Sclerosis (ESEMS), an der 22 neurologische Zentren aus 10 europäischen Ländern teilnehmen. Ziel dieser Studie ist es, den Effekt der Enzymtherapie bei MS wissenschaftlich zu untersuchen.

Ergebnisse erster Auswertungen

Erste Auswertungen nach Studienende zeigten jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen.

Lesen Sie auch: Wirkung von Wobenzym bei Nervenschmerzen

Dr. Baumhackls offene Studie

Dr. U. Baumhackl kommt in seiner offenen Studie "Enzyme versus Azathioprin" zu dem Schluss, dass bei gleicher oder sogar etwas besserer Wirkung der Enzymtherapie sicher eine wesentlich bessere Verträglichkeit zu erwarten ist.

Wirkungsweise von Enzymen

Die Vorstellungen darüber, wie Enzyme möglicherweise wirken können, sind nicht mehr rein spekulativ. In der Induktionsphase, in der aktivierte T-Lymphozyten durch den Körper patrouillieren, die Blut-Hirn-Schranke passieren und Kontakt mit dem ZNS aufnehmen können, findet eine Aktivierung enzephalitischer T-Zellen statt. Es konnte bewiesen werden, dass Trypsin und Papain eine solche T-Zell-Aktivität zu bremsen vermögen. P. V. Lehmann konnte nachweisen, dass das Enzymmischpräparat Phlogenzym® in vivo die Anti-MBP-T-Zellantwort autoreaktiver T-Zellen hemmt und gleichzeitig die costimulierenden Adhäsionsmoleküle verringert. Dabei wird die Reaktionsbereitschaft der T-Zellen nicht unterdrückt (Immunsuppression), sondern die Aktivierungsschwelle verschoben (Dosis-Wirkungskurve). Phlogenzym® bewirkt eine Herabsetzung der Antwortbereitschaft der T-Zellen.

Dr. Neuhofer

Die österreichische Ärztin Frau Dr. Ch. Neuhofer, selbst an MS erkrankt, gilt als Pionierin der MS-Behandlung mittels der systemischen Enzymtherapie.

Kritik und Kontroversen

Trotz einiger positiver Rückmeldungen und vielversprechender Ansätze gibt es auch Kritik an der Enzymtherapie bei MS. Einige Wissenschaftler bezweifeln, dass die Enzyme nach oraler Aufnahme in ausreichender Menge an den Wirkorten im Körper verfügbar sind und dass der behauptete Abbau von Immunkomplexen tatsächlich stattfindet. Zudem wird bemängelt, dass die Unwirksamkeit von Enzymen bei MS in Studien nachgewiesen wurde.

Risiken und Nebenwirkungen

In hohen Dosen kann es zu Völlegefühl, Blähungen und vereinzelt Übelkeit kommen. Allergische Reaktionen (zum Beispiel auf Bromelain - Ananas) treten selten auf und bestehen in einem Exanthem am Stamm. Sie klingen nach Absetzen sofort wieder ab.

Lesen Sie auch: MS-Medikamente im Detail erklärt

Bei Blutgerinnungsstörungen oder Behandlung mit Gerinnungshemmern und in der Schwangerschaft sollte man mit Präparaten wie Wobenzym oder Phlogenzym sehr vorsichtig sein (besonders wenn man Ananas oder Papaya nicht verträgt). Problematisch bei Pankreatinpräparaten ist, dass sie die Resorption von Folsäure beeinträchtigen können.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Es besteht die Möglichkeit, Enzyme mit praktisch allen zur Diskussion stehenden Therapieformen der MS zu kombinieren. Meiner Erfahrung nach besteht jedoch eine sehr stark eingeschränkte Wirkung der Enzyme bei gleichzeitiger Gabe von Azathioprin (Imurek C), weshalb ich von einer Kombination beider Medikamente abrate. Sehr gut lässt sich die Enzymtherapie mit allen anderen naturheilkundlich orientierten Therapieformen kombinieren.

Alternative Therapieansätze bei MS

Neben der Enzymtherapie gibt es eine Vielzahl weiterer komplementärer und alternativer Therapieansätze, die von MS-Patienten genutzt werden. Einige Beispiele sind:

  • Ungesättigte Fettsäuren: Die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren, die in Fischöl enthalten sind, kann entzündungshemmende Eigenschaften besitzen.
  • Vitamine und Mineralstoffe: Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D, Vitamin E, Selen und anderen Mikronährstoffen ist wichtig für das Immunsystem und kann sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken.
  • Ernährung: Eine ausgewogene, fleischarme und vitalstoffreiche Ernährung mit viel Gemüse, Obst und ungesättigten Fettsäuren kann das Immunsystem unterstützen und Mangelzustände verhindern.
  • Bewegung und Sport: Regelmäßige körperliche Aktivität, wie z. B. Hippotherapie (Reittherapie), kann die körperlichen Funktionen verbessern und die Lebensqualität steigern.
  • Entspannungstechniken: Qigong, Tai-Chi, Reiki, Shiatsu und andere Entspannungstechniken können helfen, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu verbessern.

Es ist wichtig zu beachten, dass die wissenschaftliche Datenlage für viele dieser alternativen Therapieansätze begrenzt ist. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass KAT sich weniger auf objektiv messbare Befunde der MS auswirken als auf die Selbstwahrnehmung, das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität.

Therapien, von denen abgeraten werden muss

Von einigen KAT muss wegen potenzieller Risiken abgeraten werden.

Lesen Sie auch: Wie man MS vorbeugen kann

  • Frischzelltherapie: Bei dieser Therapie werden dem Patienten Frischzellen aus Organen von Schafsfeten in den Gesäßmuskel injiziert. Aufgrund des Risikos von Überempfindlichkeitsreaktionen und anderer schwerwiegender Nebenwirkungen ist von dieser Therapie abzuraten.
  • Quecksilberausleitung (Amalgamentfernung): Obwohl ein Zusammenhang zwischen Amalgambelastung und MS diskutiert wird, gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass die Entfernung von Amalgamfüllungen den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst.
  • Oxyvenierung: Bei dieser Therapie wird dem Patienten Sauerstoff über das Blut zugeführt. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit dieser Therapie bei MS.
  • Bienengifttherapie: Es liegen keine placebokontrollierten Studien zur Wirksamkeit bei MS vor.

tags: #wobenzym #multiple #sklerose #erfahrungsberichte