Ein Wohnrecht ermöglicht es einer Person, in einer Immobilie zu wohnen, ohne eine Kündigung befürchten zu müssen. Oft wird ein lebenslanges Wohnrecht im Grundbuch eingetragen, wenn Eltern ihre Immobilie ihren Kindern schenken. Neben Familienmitgliedern können auch Pflegekräfte Nutznießer eines Wohnrechts sein, jedoch oft befristet. Dieses Recht kann jedoch unter bestimmten Umständen gelöscht werden, insbesondere wenn der Berechtigte an Demenz erkrankt ist oder in ein Pflegeheim umzieht.
Was ist ein Wohnrecht?
Zunächst ist es wichtig, die verschiedenen Begriffe zu klären: Wohnrecht, Wohnungsrecht, Dauerwohnrecht und Nießbrauch. Das Wohnungsrecht ist ein alleiniges Nutzungsrecht, während der Nießbrauch darüber hinaus die wirtschaftliche Verwertung erlaubt. Das Wohnrecht hingegen ist ein Mitbenutzungsrecht, bei dem der Berechtigte und der Eigentümer die Räumlichkeiten gemeinsam nutzen.
Ein Wohnrecht ist eine persönliche Dienstbarkeit und wird als solche im Grundbuch, Abteilung II, eingetragen. Es ist weder vererbbar noch veräusserbar oder anderweitig übertragbar. Die Gründe für die Einräumung eines Wohnrechts sind meist steuerlicher Natur, insbesondere bei Schenkungen von Immobilien, um Erbschaftssteuer zu sparen. Ein weiterer Grund ist die Absicherung des Partners oder anderer Familienmitglieder.
Wohnrecht und Demenz: Die Problematik
Was passiert aber, wenn der Wohnberechtigte an Demenz erkrankt und nicht mehr in der Lage ist, sein Wohnrecht auszuüben? Kann das Wohnrecht in diesem Fall gelöscht werden? Diese Frage ist sowohl emotional als auch rechtlich komplex.
Rechtliche Grundlagen
Das Wohnrecht auf Lebenszeit ist im § 1093 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) definiert. Dieser Paragraph räumt einer bestimmten Person das Recht ein, eine Immobilie bis zu ihrem Lebensende zu nutzen. Damit dieses Recht seine volle Wirkung entfalten kann, muss es im Grundbuch der Immobilie eingetragen sein; eine rein vertragliche Vereinbarung reicht nicht aus.
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Der Umzug ins Pflegeheim
Ein Umzug in ein Pflegeheim wirft die Frage auf, ob das Wohnrecht weiterhin besteht. Grundsätzlich erlischt ein im Grundbuch eingetragenes lebenslanges Wohnrecht nicht automatisch mit dem Umzug in ein Pflegeheim. Die Möglichkeit einer Rückkehr bleibt bestehen, und die Löschung erfordert die Zustimmung des Berechtigten.
Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken hat in einem Beschluss vom 5. August 2010 (Aktenzeichen 5 W 175/10-65) entschieden, dass ein Umzug in ein Pflegeheim und das damit verbundene persönliche Ausübungshindernis das bestehende Wohnrecht nicht automatisch erlöschen lässt. Das Gericht argumentierte, dass die Rückkehr des Berechtigten in die Immobilie nicht gänzlich ausgeschlossen sei, solange der Berechtigte lebt.
Anspruch auf Löschung
Ein genereller Anspruch auf Löschung des Wohnrechts auf Lebenszeit besteht nicht. Ist das Wohnrecht erst einmal im Grundbuch eingetragen, kann es nur mit der Zustimmung des Berechtigten gelöscht werden. Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen ein Wohnrecht auch gegen den Willen des Berechtigten erlöschen kann, etwa bei nachweisbarer Unbewohnbarkeit der Immobilie oder bei einer Zwangsversteigerung.
Im Falle einer Zwangsversteigerung muss der neue Eigentümer das eingetragene Recht des Berechtigten nicht übernehmen, es endet somit auch ohne eine zuvor erklärte Löschungsbewilligung. Dies setzt jedoch voraus, dass das Wohnrecht im Grundbuch einen höheren Rang einnimmt. Eine weitere Ausnahmesituation stellt die vollständige Zerstörung der Immobilie dar.
Verzicht auf das Wohnrecht und Sozialregress
Der Berechtigte kann auf sein Wohnrecht verzichten, beispielsweise bei einem Umzug in ein Pflegeheim. Dieser Schritt ist jedoch nicht risikolos, da das Sozialamt den Verzicht als Schenkung betrachten und Rückforderungen stellen kann (Sozialregress).
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Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (LG) Nürnberg vom 22. Juli 2013 kann der Verzicht auf ein Wohnrecht als Schenkung behandelt werden, wenn der Berechtigte innerhalb von zehn Jahren nach dem Verzicht auf Sozialhilfe angewiesen ist. In diesem Fall kann das Sozialamt die Rückforderung der Schenkung verlangen, um die Pflegekosten zu decken.
Alternativen zur Löschung
Um den Sozialregress zu vermeiden, gibt es Alternativen zur Löschung des Wohnrechts:
- Abkauf des Wohnrechts: Der Immobilieneigentümer kann dem Berechtigten das Wohnrecht abkaufen. Hierfür ist ein schriftlicher Kaufvertrag erforderlich, der notariell beurkundet werden muss.
- Vereinbarung einer Bedingung oder Befristung: Im Vertrag über die Einräumung des Wohnrechts kann eine Bedingung oder Befristung vereinbart werden, die das Wohnrecht bei Eintritt bestimmter Ereignisse (z.B. Umzug in ein Pflegeheim) beendet.
- Nießbrauchrecht: Anstelle eines Wohnrechts kann ein Nießbrauchrecht vereinbart werden. Der Nießbrauch berechtigt den Inhaber nicht nur zum Wohnen, sondern auch zur wirtschaftlichen Nutzung der Immobilie (z.B. Vermietung).
Die Rolle der Demenz
Die Demenz des Wohnberechtigten spielt bei der Löschung des Wohnrechts eine wichtige Rolle. Ist der Betroffene aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in der Lage, seine Rechte und Pflichten zu verstehen und seinen Willen frei zu bestimmen, kann ein Betreuer bestellt werden. Dieser vertritt die Interessen des Betroffenen und entscheidet im Zweifelsfall über die Löschung des Wohnrechts.
Geschäftsunfähigkeit und Betreuung
Wenn eine Person aufgrund von Demenz nicht mehr geschäftsfähig ist, kann sie keine wirksamen Willenserklärungen abgeben, wie z.B. die Zustimmung zur Löschung des Wohnrechts. In diesem Fall muss ein Betreuer bestellt werden, der die rechtlichen Angelegenheiten des Betroffenen regelt.
Die Einrichtung einer Betreuung ist beim Betreuungsgericht zu beantragen. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung vorliegen und bestellt einen geeigneten Betreuer. Der Betreuer hat die Aufgabe, die Interessen des Betroffenen zu wahren und ihn in rechtlichen Angelegenheiten zu vertreten.
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Zustimmung des Betreuers zur Löschung
Der Betreuer kann der Löschung des Wohnrechts nur zustimmen, wenn dies im besten Interesse des Betroffenen ist. Dabei muss er insbesondere berücksichtigen, ob der Betroffene auf die Einnahmen aus dem Wohnrecht (z.B. durch Vermietung) angewiesen ist, um seine Pflegekosten zu decken.
Das Betreuungsgericht muss die Entscheidung des Betreuers genehmigen, wenn es um die Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Wohnrechts geht. Das Gericht prüft, ob die Entscheidung des Betreuers dem Wohl des Betroffenen dient und ob alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Praktische Auswirkungen für Rechteinhaber und Eigentümer
Das Wohnrecht auf Lebenszeit hat konkrete Auswirkungen auf das tägliche Leben sowohl des Rechteinhabers als auch des Eigentümers der Immobilie:
Für den Rechteinhaber
- Sicherheit: Der Rechteinhaber kann in der Immobilie wohnen, ohne Angst vor einer Kündigung haben zu müssen.
- Keine Miete: Da der Rechteinhaber ein Wohnrecht hat, fallen keine Mietzahlungen an.
- Einschränkungen: Der Rechteinhaber darf die Immobilie nutzen, aber nicht vermieten oder verändern.
- Verantwortung: Der Rechteinhaber ist für den ordnungsgemäßen Zustand der von ihm genutzten Räume verantwortlich.
Für den Eigentümer
- Eingeschränkte Nutzung: Der Eigentümer kann die Immobilie nicht uneingeschränkt nutzen oder vermieten.
- Wertminderung: Ein Wohnrecht mindert den Wert der Immobilie erheblich.
- Rechtliche Komplexität: Die Aufhebung des Wohnrechts kann kompliziert sein, insbesondere wenn der Rechteinhaber ins Pflegeheim muss oder verstirbt.
Empfehlungen für die Praxis
Um Streitigkeiten und rechtliche Probleme zu vermeiden, sollten folgende Empfehlungen beachtet werden:
- Klare vertragliche Regelungen: Das Wohnrecht sollte in einem klaren und eindeutigen Vertrag geregelt werden. Alle Regelungen und Beschränkungen müssen im Vertrag verankert werden.
- Beratung durch einen Notar oder Anwalt: Vor der Einräumung eines Wohnrechts sollte man sich von einem Notar oder Anwalt beraten lassen. Dieser kann die rechtlichen Konsequenzen des Wohnrechts erläutern und bei der Gestaltung des Vertrags helfen.
- Offene Kommunikation: Eigentümer und Wohnberechtigte sollten offen miteinander kommunizieren und versuchen, Konflikte einvernehmlich zu lösen.
- Frühzeitige Planung: Bei älteren Menschen sollte frühzeitig geplant werden, was mit dem Wohnrecht geschehen soll, wenn sie pflegebedürftig werden.
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