Sprachstörungen nach Schlaganfall: Ursachen und Behandlung

Ein Schlaganfall kann zu einer Vielzahl von neurologischen Beeinträchtigungen führen, darunter auch Sprachstörungen, die als Aphasie bezeichnet werden. Aphasie ist ein Oberbegriff für erworbene Sprachstörungen, die durch Schädigungen in bestimmten Hirnarealen verursacht werden. Der Begriff Aphasie stammt vom altgriechischen Wort "aphasia", was übersetzt "Sprachlosigkeit" bedeutet. Obwohl der Begriff Sprachlosigkeit suggeriert, handelt es sich bei Aphasie nicht um einen vollständigen Verlust der Sprache, sondern um eine Beeinträchtigung der Fähigkeit, Sprache zu verstehen und/oder zu produzieren.

Was ist Aphasie?

Aphasie ist eine erworbene Störung des Sprachsystems, bei der die Fähigkeit zu sprechen in der Regel nicht vollständig verloren gegangen ist. Sie betrifft die Fähigkeit, Sprache zu erzeugen und ihren Sinn zu verstehen. Es handelt sich um eine Sprachstörung (Störung von Sprachproduktion und Sprachverständnis). Sie ist keine Folge eines Problems der Mundmuskulatur oder Motorik wie bei einer Sprechstörung, etwa dem Stottern oder auch einer Gesichtslähmung. Die Aphasie entsteht infolge einer Hirnschädigung, meist durch einen Schlaganfall.

Es ist wichtig zu betonen, dass Aphasie keine geistige Behinderung ist. Die geistigen Fähigkeiten des Aphasikers, wie beispielsweise das Denken, Wissen oder Erinnern, sind weitgehend unbeeinträchtigt. Da sich Aphasiker sprachlich nicht mehr so gut mitteilen können, werden sie manchmal als verwirrt angesehen und teils nur noch eingeschränkt in Gespräche einbezogen. Ein solcher Umgang bringt viele Menschen mit Aphasie verständlicherweise in eine hilflose und unmündige Situation.

Ursachen von Aphasie

Die Ursache einer Aphasie ist immer eine Schädigung des Gehirns. In den meisten Fällen liegt die Schädigung im Bereich der linken Großhirnhälfte, da sich dort bei den meisten Menschen das Sprachzentrum befindet.

Ein Schlaganfall (Apoplex) ist mit Abstand die häufigste Ursache für eine Aphasie. Bei einem Schlaganfall kommt es zu einer Durchblutungsstörung im Gehirn, die dazu führt, dass bestimmte Hirnareale nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Dies kann zu einer Schädigung des Sprachzentrums führen und eine Aphasie auslösen. Laut Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe entsteht Aphasie in 80 Prozent der Fälle durch einen Schlaganfall. Etwa ein Drittel der Aphasie-Betroffenen erholt sich aber binnen vier Wochen wieder von der Sprachstörung und erlebt "weitestgehend eine Normalisierung der Sprachfunktion", so die Deutsche Schlaganfallhilfe.

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Weitere Ursachen für Aphasie können sein:

  • Schädel-Hirn-Verletzungen
  • Hirntumore
  • Entzündungen im Gehirn
  • Sauerstoffmangel
  • Alzheimer-Demenz oder Frontotemporale Demenz (selten)
  • Multiple Sklerose (MS)

Formen der Aphasie

Aphasien werden in verschiedene Formen unterteilt, abhängig davon, welche sprachlichen Fähigkeiten beeinträchtigt sind und wo im Gehirn die Schädigung vorliegt. Eine gängige Einteilung unterscheidet zwischen flüssigen und nicht-flüssigen Aphasien.

Flüssige Aphasien

Bei flüssigen Aphasien ist der Sprachfluss in der Regel erhalten, aber die Sprache kann unverständlich oder inhaltlich leer sein.

  • Wernicke-Aphasie: Das hervorstechende Symptom der Wernicke-Aphasie ist die Einschränkung des Sprachverständnisses. Gesprochene Worte oder Sätze werden nur noch unvollständig oder gar nicht mehr sinngemäß verarbeitet. Lautsprache bzw. Spontansprache flüssig mit guter Artikulation, häufig aber übermäßige und unkontrollierte Sprachproduktion, medizinisch Logorrhoe genannt. Wortfindungsstörungen, falsche Wortwahl, wiederholtes Suchen nach dem sinngemäßen Wort, viele unspezifische Worte wie “es” oder “Ding”. Vertauschen von Wörtern, zum Beispiel “Teller statt Tisch” oder “Hemd statt Hose”, die sogenannten phonematischen Paraphasien. Schreiben entsprechend der Spontansprache gestört. Häufigste Ursache ist ein Schlaganfall durch Unterversorgung des Wernicke-Areals mit Blut, also ein Hirninfarkt. Die veraltete Bezeichnung der Wernicke-Aphasie lautet „sensorische Aphasie“. Sie gehört zur Gruppe der flüssigen Aphasien. Die Satzbauteile geraten beim Sprechen durcheinander und Wörter werden verwechselt. So lässt sich der Sinn des Gesagten für den Zuhörenden nur schwer erkennen. Das heißt, der Aphasiker versteht das Gesagte nicht oder nur eingeschränkt. Lesen und schreiben ist für die Betroffenen nicht möglich. Betroffene Patienten “erfinden” häufig neue Wörter, sogenannte Neologismen. Inhalte werden falsch assoziiert, z.B. Ursache ist eine Störung der sprachdominanten Hirnhälfte (Wernicke-Areal). Typisch ist eine flüssige Sprache, in der häufig einzelne Buchstaben verändert werden (Phoneme), z. B. „P“ statt „B“ in „Bein“. Die Betroffenen kennen die Bedeutung und den Zusammenhang der Wörter nicht und sind sich nicht bewusst, dass ihre Sprache für andere unverständlich ist. Das Hör- und Schreibverständnis ist beeinträchtigt und es kommt zu Lesefehlern. Das Schreiben ist flüssig, aber fehlerhaft, und inhaltliche Wörter werden weggelassen (fließende Agraphie).
  • Amnestische Aphasie: Das vorrangige Symptom ist die Wortfindungsstörung. Die Satzinhalte wiederholen sich oft und es werden Floskeln oder Umschreibungen verwendet, um die Wortfindungsstörung zu überspielen. Hierbei ist vor allem die Wortfindung gestört. Das Gegenüber wird gut verstanden, dem Sprechenden fehlen die Worte. Amnestische Aphasie: Diese leichteste Aphasieform fällt oft erst spät auf. Betroffene zeigen Wortfindungsstörungen in der Spontansprache und beispielsweise beim direkten Benennen von Gegenständen. Amnestische Aphasiker können das in der Regel durch Redefloskeln oder Umschreibungen kaschieren. Für viele Formen der Sprachstörung ist es typisch, dass Objekte umschrieben werden, weil sie nicht mehr direkt benannt werden können (Anomie).

Nicht-flüssige Aphasien

Bei nicht-flüssigen Aphasien ist der Sprachfluss reduziert oder abgebrochen, und die Sprache ist oft mühsam und angestrengt.

  • Broca-Aphasie: Die Broca-Aphasie wurde früher auch als motorische Aphasie bezeichnet. Die Broca-Aphasie zählt zu den nichtflüssigen Aphasien. Das heißt, die betroffene Person kann in der Regel nicht flüssig sprechen. Außerdem ist das Sprechen mit erheblichen Anstrengungen verbunden. Das heißt, es können keine vollständigen Sätze gebildet werden. Ausgesprochen werden nur einzelne Satzbestandteile oder Wörter. Dadurch ist die Möglichkeit, sich ausdrücken, für den Betroffenen stark eingeschränkt. Das Sprachverständnis ist gut erhalten. Bei dieser Form der Sprachstörung ist überwiegend das Formulieren gestört. Der Sprachstil wirkt wie ein Telegramm. Häufig werden Silben und Laute vertauscht (“Spille” statt “Spinne”, “Meskel” statt “Messer”). Die Betonung der Wörter, der Satzbau und weitere stilistische Elemente können nicht mehr so wie vorher verwendet werden. Die Fähigkeit, Wörter zu bilden, ist beeinträchtigt, Wortverständnis und begriffliches Denken sind jedoch weitgehend unbeeinträchtigt. Ursache ist eine Störung des linken vorderen (frontalen) oder oberen vorderen (frontoparietalen) Hirnbereichs einschließlich des Broca-Areals. Typisch ist ein gutes Verständnis von Begriffen und Begriffsbildung, wobei es Schwierigkeiten bereitet, Worte zu äußern. Die Sprachproduktion und die Schreibfähigkeit sind beeinträchtigt (nichtflüssige Agraphie, Dysgraphie), was für Betroffene oft sehr frustrierend ist. Dennoch ist der mündliche und schriftliche Austausch für sie von Bedeutung. Der Sprachfluss von Menschen mit einer Broca-Aphasie ist oft sehr langsam und wirkt angestrengt. Betroffene sprechen meist in kurzen, einfachen Sätzen oder reihen sogar inhaltstragende Wörter einzeln aneinander - das lässt ihre Sprache technisch, im Telegrammstil, erscheinen. Häufig ist die Sprache von Broca-Aphasikern durch Wortfindungsstörungen erschwert.
  • Globale Aphasie: Die globale Aphasie ist die schwerste Form der Sprachstörung. Betroffen sind sowohl die Sprachproduktion als auch das Sprachverständnis. Meistens gelingt es nur, einzelne Wörter zu sprechen und auch nur wenige Wörter oder sehr einfache Aufforderungen zu verstehen. Sprachverständnis wie auch die eigene Sprache sind massiv gestört, ganze Sätze sind selten. Häufig nutzen Global-Aphasiker einzelne Worte und wiederkehrende Halbsätze und Floskeln. Auch ein Wort für sich zu verstehen (ohne aus der Situation zu schließen) fällt Betroffenen schwer.

Weitere neurologische Sprach- und Sprechstörungen

Zu den neurologischen Sprach- und Sprechstörungen zählen unter anderem die Aphasie, Dysarthrie und Apraxie. Die Aphasie gilt dabei als eine besonders häufig auftretende Sprachstörung nach Schlaganfällen.

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  • Dysarthrie: Die Dysarthrie ist im Unterschied zur Aphasie eine motorische Sprachstörung. Das heißt, dass die Verständlichkeit der Sprache (Stimme, Sprechtempo, Sprechatmung) in unterschiedlichem Ausmaß betroffen ist. Diese äußert sich durch sprechmotorische Symptome, die Koordination von Artikulation, Prosodie und Atmung beeinträchtigen.
  • Sprechapraxie: Als Apraxie bezeichnet man eine Störung in der Ausführung von willkürlichen, zielgerichteten Bewegungen, die durch eine Hirnstörung entsteht. Bei einer Sprechapraxie äußert sich das vor allem durch Störungen der Lautbildung (z. B. Hinzufügen, Auslassen oder Vertauschen von Lauten) und des Redeflusses. Bei der Sprechapraxie ist konkret die (neurologische) Planung von Sprechbewegungen gestört - nicht die neurologischen Prozesse, die zum Entstehen der Sprache (zum Beispiel Wortfindung, Sprachverständnis) führen. Häufig sind stumme Suchbewegungen, sicht- und hörbare Sprechanstrengungen zu beobachten.

Diagnose von Aphasie

Die Aphasie-Diagnostik beginnt in der Akutphase im Krankenhaus und wird von Logopäden, also Sprachtherapeuten, durchgeführt. Viele Patienten haben sind zu Beginn dieser Phase noch schwach und ihr Gesundheitszustand ist instabil. Erst nach etwa sechs Wochen kann eine detaillierte Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten des Betroffenen stattfinden. Dafür stehen unterschiedliche Tests zur Verfügung. Da die Störungen, wie oben bei den Symptomen aufgeführt, häufig sehr vielfältig sind, schließen die Untersuchungen immer auch das Lesen, Schreiben und Rechnen ein.

Sollten Sie als angehörige Person wiederholt Sprachstörungen bei Ihrem Familienmitglied bemerken, kann es sich lohnen, diese zu dokumentieren und für ein späteres Arztgespräch bereitzuhalten. Gibt es Muster, wie zum Beispiel Wortfindungsstörungen oder Verwechslungen?

Einige gängige Tests zur Diagnose von Aphasie sind:

  • Aphasie-Schnell-Test (AST): Dieser Test wurde für leichte bis mittelgradige akute Aphasien entwickelt. Der Test kann einfach durchgeführt werden und dauert etwa fünf bis 15 Minuten. Mit diesem Test kann zum einen ermittelt werden, ob eine Aphasie vorliegt oder nicht.
  • Aachener Aphasie Test (AAT): Der Test dauert zwischen 60 und 90 Minuten. Hierbei wird auf sprachliche Störungen beim Nachsprechen, Lesen und Schreiben geachtet. Bei der Analyse der Aphasie wird auf Wortfindungsstörungen, Wortwiederholungen, Wort- und Lautverdrehungen geachtet.

Behandlung von Aphasie

Das übergeordnete Ziel der Aphasie-Therapie ist es, die sprachlichen Fähigkeiten des Patienten wiederherzustellen, zu verbessern oder zu erhalten. Betroffene lernen, die Sprachstörung durch andere Ausdrucksmöglichkeiten wie Gestik oder durch die Zuhilfenahme von Hilfsmitteln zu kompensieren. Entscheidend ist es, dass die Patienten dazu befähigt werden, wieder kommunizieren zu können. Die Behandlung der Aphasie liegt im Aufgabenbereich der Logopädie, also des Sprachtherapeuten.

Logopädische Therapie

Die logopädische Behandlung sollte so früh wie möglich beginnen, am besten noch während des Krankenhausaufenthaltes. Grundsätzlich gilt, dass die logopädische Therapie so früh wie möglich begonnen werden sollte, am besten noch während des Krankenhausaufenthaltes. Wenn der Betroffene wieder zuhause ist, muss die logopädische Therapie von einem Arzt verordnet werden. Grundsätzlich kann die ambulante Logotherapie einzeln oder in Gruppen stattfinden.

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Patienten führen speziellen Aphasie-Übungen unter der Anleitung der Logopäden durch. Das genaue Therapieziel orientiert sich am Einzelfall, je nach Aphasie-Form, Schweregrad sowie allgemeiner gesundheitlicher Verfassung des Betroffenen. Neben Sprach- und Sprachverständnisübungen sind auch Übungen zur Aufmerksamkeit und Konzentration wichtig, aber auch Rollenspiele, in denen Alltagssituationen trainiert werden.

Die Aphasie-Therapie besteht aus Übungen für Sprechen, Konzentration und Verständnis, Bestandteil sind aber auch Rollenspiele, in denen Alltagssituationen nachgestellt und geübt werden.

Die Aphasie-Therapie lässt sich in folgende Phasen einteilen:

  • Aktivierungsphase: Hauptziel ist es, den Patienten zum Sprechen anzuregen. Diese Phase sollte so schnell wie möglich nach der Hirnschädigung beginnen.
  • Übungsphase: Diese besteht aus mehreren einstündigen Therapiesitzungen pro Woche. Diese Phase dauert mindestens 1 Jahr, meist eher länger. Da jede Aphasie-Form unterschiedlich ist, gibt es keine festen Zeitvorgaben.

Technische Hilfsmittel

Technische Entwicklungen erleichtern Therapeuten die Behandlung und Betroffenen ihren Alltag. Dazu gehören beispielsweise Sprachapps wie Neolexon, Constant Therapy, Tactus oder Lingraphica und spezielle Computerprogramme wie EvoCare, aphasiaware und Lingware.

Die neolexon Aphasie-App ermöglicht Menschen mit Sprachverlust nach einem Schlaganfall selbstständig und unbegrenzt zu Hause auf dem Tablet oder PC zu trainieren. Die behandelnde Logopädin stellt die neolexon Aphasie-App individuell für die Patient:innen ein, die von mehr als 400.000 Übungsmöglichkeiten profitieren. Durch eine hohe Benutzerfreundlichkeit können auch Betroffene mit motorischen, visuellen und kognitiven Beeinträchtigungen eigenständig üben. Die Wirksamkeit der App wurde durch Deutschlands größte Therapiestudie bei Aphasie bestätigt (AddiThA). Sie ist die einzige App auf Rezept im Bereich Schlaganfall und somit kostenlos für alle gesetzlich Versicherten.

Es gibt Hilfsmittel, die es Aphasikern trotz eingeschränkter Sprachfähigkeit ermöglichen, an Gesprächen teilzunehmen. Darüber hinaus gibt es inzwischen eine große Vielfalt an elektronischen Kommunikationshilfen. Bevor sich Aphasiker Hilfsmittel anschaffen, sollten sie einen Antrag auf Kostenübernahme für elektronische oder nicht-elektronische Hilfsmittel beim zuständigen Kostenträger stellen. Dem Antrag muss ein Kostenvoranschlag beigefügt werden. Kommunikationshilfen gibt es inzwischen auch als digitale Anwendungen (Apps) für Smartphones und Tablets. Nicht jede Krankenkasse übernimmt die Kosten für Aphasie-Apps. Zur therapeutischen Begleitung von Krankheiten etablieren sich Digitale Gesundheitsanwendungen jedoch immer mehr.

Einbeziehung der Angehörigen

Besonders wichtig ist die Einbeziehung der Angehörigen in die Therapie. Voraussetzung hierfür ist das Verstehen dieser Einschränkungen, somit der verständnisvolle Umgang mit der Patientin oder dem Patienten. Reaktivierung bzw.

Verhaltensstrategien für Angehörige gegenüber Betroffenen:

  • Geduldig bleiben. Nicht das “Wort aus dem Mund nehmen”. Aphasiker suchen oftmals lange nach Worten.
  • Die Kommunikation erleichtern. Hier helfen einfache Fragen, die mit “ja/nein” beantwortet werden können.
  • Nicht zu viel korrigieren. Aphasiker haben sehr oft Angst, beim Sprechen Fehler zu machen.
  • Störquellen beseitigen. Menschen mit Aphasie fällt es schwer, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren. Wenn mehrere Menschen an einem Gespräch beteiligt sind, sollten diese nicht durcheinander sprechen.
  • Kontakte erleichtern. Angehörige von Betroffenen sollten anderen Menschen die Scheu nehmen, auf Aphasiker zuzugehen.
  • Aphasie-Patienten sollten nicht bevormundet oder “wie Kinder” behandelt werden.

Weitere unterstützende Maßnahmen

  • Pflegekurse: Pflegekurse werden von den Pflegekassen finanziert und sind gemäß § 45 SGB XI für die Teilenehmenden kostenfrei. Kommunikation spielt in vielen Modulen von Pflegekursen eine wichtige Rolle. Mit entsprechenden Fragen können Sie herausfinden, worüber der Betroffene sprechen möchte. Ein Beispiel: „Geht es um das Thema Urlaub? Meinst Du den Sommerurlaub im letzten Jahr? Wichtig ist, dass Sie ehrlich sind und es dem Betroffenen mitteilen, wenn Sie ihn nicht verstanden haben.
  • Selbsthilfegruppen: Es gibt Selbsthilfegruppen, deren Angebote sich speziell an Aphasiker richten. Für viele Betroffene ist es hilfreich, sich in diesem Rahmen über Themen auszutauschen, die sie mit nicht betroffenen Menschen schwierig nur besprechen können. Selbsthilfegruppen unterscheiden sich zum einen in professionell geführte Gruppen, die auch therapeutische Angebote haben. Zum anderen gibt es von Betroffenen selbst organisierte Gruppen. Eine zentrale Interessenvertretung ist der Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker e.V. Beate Gollan bietet telefonische Beratung für den Aphasie-Landesverband Hessen an.
  • Berufliche Wiedereingliederung: Der berufliche Wiedereinstieg mit einer Aphasie kann Betroffene vor große Herausforderungen stellen. Nicht alle Berufe sind mit einer Aphasie gleichermaßen vereinbar. Das Heidelberger Aphasie-Modell ist ein Angebot des Berufsförderungswerks in Kooperation mit dem Bundesverband Aphasie e. V. und den SRH Fachschulen. In dieser Zeit werden die Menschen zudem darüber beraten, welche beruflichen Tätigkeiten in Frage für sie kommen könnten. Danach absolvieren sie eine drei- bis sechsmonatige Berufsvorbereitung. Im gewählten Berufszweig folgt eine Qualifizierung in Form einer Umschulung oder Ausbildung.
  • Nachteilsausgleich: Bei Hirnschäden mit kognitiven Leistungseinschränkungen, wie einer Aphasie, haben Betroffene die Möglichkeit, einen Nachteilsausgleich zu erhalten.
  • Pflegegrad: Betroffene sollten prüfen, ob ihnen ein Pflegegrad zusteht, womit sie finanzielle Unterstützung erhalten können.
  • Patientenverfügung: Eine Patientenverfügung ist ein wichtiges Dokument, das sicherstellt, dass Ihre medizinischen Wünsche respektiert werden, wenn Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sie selbst auszudrücken. Sie entlastet auch Angehörige von schwierigen Entscheidungen, vermeidet Missverständnisse und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.

Verlauf und Prognose

Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass sich eine aphasische Störung nach einem Schlaganfall in einem Drittel der Fälle innerhalb der ersten vier Wochen wieder normalisiert. In den ersten Wochen sind die Symptommuster nicht konstant und können sich auch von Tag zu Tag verändern. 44 Prozent der Patienten, die zunächst aphasische Symptome aufweisen haben nach 6 Monaten keine Aphasie mehr. In den ersten vier Wochen normalisiert sich bei circa einem Drittel die Sprachfunktion.

Das Gehirn beginnt sich nach Erkrankung oder Schädigung neu zu organisieren - und das bietet auch Chancen für einen guten Verlauf der Aphasie. Die Deutsche Schaganfallhilfe gibt an, dass sich die Beeinträchtigungen von Schlaganfallpatienten mit Aphasie in etwa einem Drittel der Fälle binnen der ersten vier Wochen normalisieren und die Fähigkeiten der Sprache dementsprechend wieder zurückgewonnen werden können.

Allerdings zeigen inzwischen einige Studien, dass intensives Sprachtraining als Therapie auch sechs Monate oder länger nach dem auslösenden Schlaganfall zu einer entscheidenden Verbesserung der Sprachstörung und der Lebensqualität der Aphasiker und Aphasikerinnen führen kann - beispielsweise die FCET2EC- Studie aus Deutschland, die 2017 erschien. Intensives Sprachtraining bedeutete in der Studie: mindestens zehn Stunden pro Woche bei mindestens drei Wochen Dauer des Intensivtrainings. Auch durch Betroffene selbst gesteuertes Sprachtraining per Software konnte bei chronischer Aphasie die Wortfindung effektiv verbessern (auch das konnte die BigCACTUS-Studie zeigen).

Faktoren, die die Prognose beeinflussen können:

  • Ausmaß der Hirnschädigung: Kleine Hirnschädigungen haben in der Regel eine günstigere Prognose als große Schädigungen, in denen große Teile des Gehirns betroffen sind.
  • Art der Aphasie: Einige Aphasieformen sind leichter zu behandeln als andere.
  • Alter und allgemeiner Gesundheitszustand des Patienten: Jüngere Patienten und Patienten mit einem besseren allgemeinen Gesundheitszustand haben oft eine bessere Prognose.
  • Frühzeitiger Therapiebeginn: Je früher die Therapie beginnt, desto besser sind die Chancen auf eine Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten.
  • Intensität der Therapie: Eine intensive Therapie führt oft zu besseren Ergebnissen.
  • Motivation und Mitarbeit des Patienten: Die Motivation und Mitarbeit des Patienten sind entscheidend für den Erfolg der Therapie.

Umgang mit Aphasie

Häufig sind aphasische Symptome ein sehr belastender Einschnitt in das alltägliche Leben. Wichtig ist es für Betroffene, geduldig und ruhig mit sich selbst zu bleiben. Wichtig ist es allerdings auch, dass Grenzen der Therapie akzeptiert werden können und Betroffene es lernen, mit den Einschränkungen so gut es geht zurechtzukommen.

Der Verlust des Sprachvermögens und der Kommunikationsfähigkeiten ist für Betroffene äußerst verstörend. Viele sind frustriert, verzweifelt, aggressiv oder depressiv.

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