Hydrozephalus: Ursachen, Diagnose und Behandlung von Flüssigkeitsansammlungen im Gehirn

Hydrozephalus, umgangssprachlich als Wasserkopf bezeichnet, ist eine neurologische Erkrankung, die durch eine übermäßige Ansammlung von Liquor cerebrospinalis (Hirnwasser) in den Hirnventrikeln gekennzeichnet ist. Normalerweise zirkuliert der Liquor im Gehirn und Rückenmark, um diese zu schützen, mit Nährstoffen zu versorgen und Abfallstoffe abzutransportieren. Beim Hydrozephalus ist dieses Gleichgewicht zwischen Produktion und Absorption gestört, was zu einem erhöhten Druck auf das Gehirn führt.

Ursachen von Hydrozephalus

Die Ursachen für Hydrozephalus sind vielfältig und können angeboren oder erworben sein.

Angeborene Ursachen

Bei angeborenem Hydrozephalus liegt in der Regel eine Fehlbildung vor, die den normalen Fluss des Liquors beeinträchtigt. Genetische Anomalien können zu diesem Zustand führen, aber es gibt oft keine präventiven Maßnahmen. Eine pränatale Diagnose während der Schwangerschaft kann helfen, mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen und eine angemessene Betreuung zu gewährleisten. Eines von 1.000 Kindern kommt mit einem Hydrozephalus zur Welt. Das Leiden ist bei Kindern meist genetisch bedingt.

Erworbene Ursachen

Erworbener Hydrozephalus kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter:

  • Infektionen: Meningitis oder Enzephalitis können zu Entzündungen führen, die den Liquorfluss behindern.
  • Blutungen: Hirnblutungen, insbesondere bei Frühgeborenen oder im Rahmen einer Subarachnoidalblutung, können den Liquorabfluss stören.
  • Tumore: Tumore im Gehirn oder Rückenmark können die Liquorpassage blockieren.
  • Kopfverletzungen: Traumata können den normalen Fluss von Liquor stören.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genauen Auslöser des Hydrozephalus in vielen Fällen nicht eindeutig bestimmt werden können, oft wirken auch mehrere Faktoren zusammen.

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Normaldruckhydrozephalus (NPH)

Der Normaldruckhydrozephalus (NPH) oder auch Altershydrocephalus genannt ist eine spezielle Form des Hydrocephalus, die vor allem ältere Menschen betrifft. Er ist durch eine abnorme Ansammlung von Liquor in den Hirnventrikeln gekennzeichnet, ohne dass der intrakranielle Druck stark erhöht ist. Trotz des "normalen" Drucks führt die Ansammlung von Liquor zu einer Störung der Gehirnfunktion. Der NPH ist von besonderer Bedeutung, da er häufig mit typischen Alterserscheinungen verwechselt wird und unbehandelt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität als auch einer erhöhten Morbidität und Mortalität führen kann. Zu den klassischen Symptomen gehören ein unsicheres Gangbild, Harninkontinenz sowie eine kognitive Beeinträchtigung, die der Demenz ähneln kann. Dieser Symptomkomplex wird auch als Hakim Trias bezeichnet.

Arten von Hydrozephalus

Es gibt verschiedene Arten von Hydrozephalus, die sich hinsichtlich ihrer Ursachen und Mechanismen unterscheiden:

  • Kommunizierender Hydrozephalus: Der Liquorfluss zwischen den Hirnkammern und dem Subarachnoidalraum ist nicht blockiert. Das Problem liegt meist in der unzureichenden Aufnahme des Liquors. Auslöser können etwa Entzündungen, Blutungen oder Infektionen sein.
  • Nichtkommunizierender Hydrozephalus: Der Liquorfluss ist zwischen den Hirnkammern durch eine Blockade oder Verengung gestört. Dies kann beispielsweise durch einen Tumor, eine Fehlbildung oder durch Entzündungsgewebe verursacht werden.
  • Hydrocephalus e vacuo: Hierbei handelt es sich nicht um einen Hydrozephalus im eigentlichen Sinne, sondern um die Folgen einer Hirnatrophie, also der Abnahme des Hirnvolumens.

Symptome von Hydrozephalus

Die Symptome von Hydrozephalus können je nach Alter, Schweregrad und den betroffenen Gehirnregionen variieren.

Symptome bei Säuglingen

Bei Säuglingen kann sich Hydrozephalus durch folgende Anzeichen äußern:

  • Ungewöhnlich schneller Kopfumfangszunahme
  • Vorspringende Fontanelle (weiche Stelle am Kopf)
  • Gespannt wirkende Kopfhaut
  • Nach unten gerichtete Augen (Sonnenuntergangsphänomen)
  • Erbrechen
  • Reizbarkeit
  • Schläfrigkeit
  • Krampfanfälle

Symptome bei Kindern und Erwachsenen

Bei älteren Kindern und Erwachsenen können folgende Symptome auftreten:

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  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Sehstörungen (verschwommenes Sehen, Doppelbilder)
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Koordinationsschwierigkeiten
  • Kognitive Beeinträchtigungen (Gedächtnisprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten)
  • Harninkontinenz
  • Müdigkeit
  • Schwindel
  • Bewusstseinsstörungen

Symptome bei Normaldruckhydrozephalus (NPH)

Die klassischen Symptome des NPH sind:

  • Gangstörungen (unsicherer, breitbeiniger Gang)
  • Harninkontinenz
  • Kognitive Beeinträchtigungen (Demenz)

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können, weshalb eine sorgfältige Diagnose erforderlich ist.

Diagnose von Hydrozephalus

Zum Erkennen eines Hydrocephalus (Gehirnwassersucht) sind eine sorgfältige medizinische Untersuchung und spezifische bildgebende Verfahren erforderlich. Die Diagnose basiert auf den Anzeichen der Betroffenen, der Anamnese und den Ergebnissen der bildgebenden Diagnostik. Ein Arzt/eine Ärztin wird zunächst die klinischen Symptome und die medizinische Vorgeschichte der Betroffenen bewerten.

Bildgebende Verfahren

  • Computertomographie (CT): Eine CT-Aufnahme des Gehirns kann die vergrößerten Hirnventrikel sichtbar machen.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Eine MRT bietet noch detailliertere Bilder und kann helfen, die Ursache des Hydrozephalus zu identifizieren.

Lumbalpunktion (LP)

Bei dieser Prozedur wird eine kleine Menge Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit aus dem Wirbelsäulenkanal entnommen, um den Liquordruck zu messen und den Liquor auf Anomalien zu untersuchen. In einigen Fällen können zusätzliche Tests durchgeführt werden, um den Liquorfluss zu beurteilen oder die Reaktion des Gehirns auf temporäre Veränderungen im Liquordruck zu bewerten.

Weitere diagnostische Tests bei NPH

Zur Diagnose des Normaldruckhydrozephalus können zusätzlich folgende Tests durchgeführt werden:

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  • Spinal Tap Test: Bei diesem Test werden ca. 50ml Hirnwasser abgelassen, um die Auswirkungen auf die Symptome zu beobachten.
  • Infusionstest: Hierbei wird dem Hirnwasser ähnliche Flüssigkeit unter leichtem Druck in die Hirnwasserräume verabreicht.
  • Lumbaldrainage: Mittels einer Lumbalpunktion wird ein Katheter in den Wirbelsäulenkanal eingelegt, der über einen längeren Zeitraum kontinuierlich für eine Ableitung von Hirnwasser sorgt.

Es ist wichtig zu betonen, dass nur qualifiziertes Fachpersonal in der Lage ist, eine genaue Diagnose zu stellen und die beste Vorgehensweise für die Behandlung eines Hydrocephalus zu empfehlen. Bei Verdacht auf diese Erkrankung sollte eine sofortige medizinische Beurteilung erfolgen.

Behandlung von Hydrozephalus

Die Behandlung des Hydrozephalus hängt von der Schwere der Erkrankung, der zugrunde liegenden Ursache und dem Alter des Patienten ab. In den meisten Fällen erfordert der Hydrozephalus eine medizinische Intervention, um den überschüssigen Liquor abzuleiten und den Druck auf das Gehirn zu reduzieren. Dabei sind die gängigsten Behandlungsmethoden die Implantation eines Shunt-Systems oder eine endoskopische dritte Ventrikulostomie.

Shunt-System

Ein Shunt ist ein implantierter Schlauch, der überschüssigen Liquor aus dem Gehirn ableitet und in einen anderen Körperbereich, wie den Bauchraum oder das Herz, transportiert, wo er resorbiert werden kann. Dieses Verfahren ermöglicht eine kontinuierliche Ableitung des Liquors und hilft, den Druck im Gehirn zu kontrollieren. Sie wird meist bei Kindlicher Hydrozephalus, Normaldruck-Hydrozephalus und Syringomyelie angewandt.Ein typisches Shunt-System besteht aus Silikonkathetern und einem Ventil. Diese Komponenten werden subkutan, also unter der Haut, implantiert. Die Katheter werden minimalinvasiv unter der Haut verlegt, während das Ventil durch einen kleinen Schnitt in einer Hauttasche fixiert wird. Nur die Spitzen der Katheter, die in die betroffenen Körperhöhlen führen, dringen invasiv in diese Bereiche ein. Es gibt verschiedene Optionen, in die das überschüssige Hirnwasser abgeleitet werden kann. Praktisch relevant sind jedoch nur drei Ableitungsarten, die seit den 1960er Jahren routinemäßig angewendet werden.

  • Ventrikuloperitoneal (VP): Ableitung aus den Hirnventrikeln (Kopf) in das Peritoneum (Bauchhöhle).
  • Ventrikuloatrial (VA): Ableitung aus den Hirnventrikeln (Kopf) in den rechten Vorhof des Herzens.

Seit der Einführung der Hydrocephalus-Shunt-Therapie in den 1950er Jahren war die Ableitung von Hirnflüssigkeit aus den Hirnventrikeln in den Bauchraum (VP-Shunt/VPS) das am häufigsten verwendete Verfahren, mit einer Anwendungshäufigkeit von bis zu über 70%. Im Gegensatz dazu wurde die alternative Ableitung aus dem lumbalen Spinalkanal (LP-Shunt/LPS) lange Zeit als komplikationsanfälliger angesehen. In den letzten 20 Jahren hat sich der Einsatz von LP-Shunts jedoch insbesondere in Japan deutlich erhöht und sowohl die Sicherheit als auch die Effizienz konnten mit Studien belegt werden. Dank verschiedener Vorteile gegenüber dem VPS wird der LP-Shunt in einigen Bereichen mittlerweile sogar häufiger angewendet.

Ein wesentlicher Vorteil des LPS gegenüber dem VPS besteht darin, dass beim LP-Shunt kein Eingriff am Gehirn notwendig ist. Somit besteht kein Risiko für eine Verletzung des Gehirngewebes, eine ggf. assoziierte Blutung und das Auftreten von epileptischen Anfällen, wenn auch alle diese Komplikationen sehr selten sind. Weiterhin ist ein Eingriff am Kopf mit Manipulation am Gehirn in Deutschland mit einem Fahrverbot von 3 Monaten verbunden. In Großbritannien besteht hier sogar ein Fahrverbot für bis zu 6 Monaten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der LP-Shunt sogar unter Lokalanästhesie eingesetzt werden. Zu den häufigsten Komplikationen bei beiden Shunt-Arten gehören Infektionen, Okklusionen und Überdrainage. CSF-Leckagen, Herniationen und bestimmte Formen von Rückenschmerzen können hingegen spezifisch eher beim LPS auftreten

Die verfügbaren Ventiltypen sind bei beiden Shunt-Systemen gleich, ebenso wie die Notwendigkeit, den hydrostatischen Siphoneffekt bzw. den hydrostatischen Druck auszugleichen. Beim LP-Shunt eignen sich jedoch nur bestimmte Anti-Siphon-Vorrichtungen oder Gravitationsventile. Zudem erfordert die höhere mechanische Belastung im Lumbalbereich - verursacht durch alltägliche Bewegungen wie Drehen, Beugen oder Stauchen - spezielle Anforderungen an die Stabilität des Shunts und seine subkutane Fixierung.

Insgesamt zeigen umfassende klinische Daten, dass VPS und LPS hinsichtlich Leistung und Sicherheit als grundsätzlich gleichwertig betrachtet werden können.

Endoskopische dritte Ventrikulostomie (ETV)

Bei dieser minimalinvasiven chirurgischen Technik wird ein kleiner Schnitt in der Nähe des Gehirns gemacht, um einen Zugang zu den Ventrikeln zu schaffen. Durch diesen Zugang wird eine Öffnung in den Ventrikeln geschaffen, um den Liquorfluss zu erleichtern und den Druck im Gehirn zu reduzieren.

Medikamentöse Therapie

In einigen Fällen, insbesondere bei der idiopathischen intrakraniellen Hypertension (IIH), können Medikamente zur Reduzierung der Liquorproduktion eingesetzt werden. Acetazolamid oder Topiramat sind gängige Optionen.

Komplikationen bei Hydrozephalus

Wie bei jedem medizinischen Eingriff können auch bei der Behandlung von Hydrozephalus Komplikationen auftreten. Zu den häufigsten Komplikationen gehören:

  • Shunt-Fehlfunktion: Shunts können verstopfen, sich infizieren oder mechanisch versagen.
  • Überdrainage: Eine zu schnelle Ableitung von Liquor kann zu Kopfschmerzen und anderen Symptomen führen.
  • Infektionen: Shunt-Infektionen können schwerwiegende Folgen haben und erfordern oft eine Entfernung des Shunts.
  • Blutungen: Hirnblutungen können während oder nach der Operation auftreten.
  • Epileptische Anfälle: In seltenen Fällen können epileptische Anfälle auftreten.

Prognose von Hydrozephalus

Die Prognose des Hydrozephalus hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Schwere des Hydrozephalus, der rechtzeitigen Diagnose und Behandlung sowie der zugrunde liegenden Ursache. In einigen Fällen kann der Hydrozephalus erfolgreich behandelt und kontrolliert werden, sodass die Patienten ein normales Leben führen können. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass jeder Fall von Hydrozephalus einzigartig ist und die Prognose von individuellen Faktoren abhängt.

Idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH)

Die idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH) früher auch als Pseudotumor cerebri bezeichnet ist eine seltene Erkrankung, die durch erhöhten Hirndruck ohne erkennbare organische Ursache gekennzeichnet ist. Sie tritt mit einer Häufigkeit von 1-21 pro 100.000 Einwohner auf, wobei vor allem jüngere Frauen betroffen sind. Schwangerschaft und Übergewicht gelten als Risikofaktoren. Die häufigsten Symptome sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Sehstörungen, die von verschwommenem Sehen bishin zur Erblindung reichen können. Die Symptome sind oft unspezifisch, wodurch die Diagnose erschwert wird. Die genauen Ursachen sind bislang noch nicht grundlegend geklärt, doch es gibt Hinweise auf mechanische Abflussbehinderungen des venösen Rückstroms. Übergewicht, bestimmte Medikamente, hormonelle Faktoren und Stoffwechselerkrankungen werden auch als mögliche Auslöser diskutiert.

Die Diagnose erfolgt durch Ausschluss anderer Ursachen mittels klinischer Untersuchung, Bildgebung (CT/MRT) und Augenuntersuchung. Eine Stauungspapille kann auf die Erkrankung hinweisen. Thrombosen oder auch anatomische Varianten der Hirnvenen werden häufig beobachtet, ihr Zusammenhang mit IIH ist jedoch noch nicht vollständig geklärt.

Die Behandlung der idiopathischen intrakraniellen Hypertension erfolgt stufenweise, abhängig von der Schwere der Symptome. Bei milden Symptomen ohne neurologische Ausfälle, wie Kopfschmerzen ohne Sehstörungen, steht eine konservative Behandlung im Vordergrund. Dabei ist die Identifikation und Vermeidung möglicher Auslöser essenziell. Eine anhaltende Gewichtsreduktion spielt eine entscheidende Rolle für den Therapieerfolg. Zusätzlich können Medikamente wie Acetazolamid oder Topiramat zur Reduzierung der Liquorproduktion eingesetzt werden. Gegebenenfalls wird ergänzend Furosemid als Diuretikum verabreicht, um Körperwasser auszuscheiden.

Falls es zu einer Verschlechterung der Sehschärfe kommt, die jedoch nicht rasch voranschreitet, kann neben den bereits genannten Maßnahmen eine therapeutische Liquorpunktion helfen, den Hirndruck unmittelbar zu senken. In vielen Fällen bessern sich die Symptome bereits nach der ersten Punktion. Die Behandlung wird je nach Bedarf in regelmäßigen Abständen wiederholt.

Falls sich die Beschwerden trotz wiederholter Liquorpunktionen nicht stabilisieren, kann eine dauerhafte Liquorableitung notwendig werden. Dies geschieht meist durch die Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts, wobei alternativ auch eine lumboperitoneale Ableitung oder eine Verbindung vom Ventrikel zum Herzvorhof möglich ist.

Bei komplexen Liquorzirkulationsstörungen oder auch einer IIH kann die Möglichkeit der nicht-invasiven, telemetrischen ICP Messung eine grosse Hilfe für Diagnostik und Therapie bieten. Unspezifische Symptome mit oft unklarer Ursache und zahlreiche Anpassungen des Ventileinstellungen, bis die optimale Ventileinstellung für den Patienten gefunden ist - ein Problem und Situation, das viele Patientinnen und Ärzt1innen leider nur allzu gut kennen. Telemetrische Implantate zur Messung des ICP können hier dabei helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen und einerseits Ventileinstellung zu optimieren bzw. unnötige Diagnostik und ggf. Strahlenbelastung zu reduzieren1,2.

Angeborener Hydrozephalus internus bei Tieren

Der angeborene Hydrozephalus internus ist eine schwerwiegende Missbildung des Gehirns bei Hund und Katze. Das Gehirn von Mensch und Tier verfügt über ein inneres Hohlraumsystem (Ventrikel), in welches ständig eine wässrige Flüssigkeit, der so genannte Liquor, abgegeben wird. Diese Flüssigkeit transportiert Abfallstoffe des Gehirnes aber auch wichtige Botenstoffe zwischen verschiedenen Gehirnregionen. Der Liquor wird unterhalb des Kleinhirnes aus dem Gehirn heraus transportiert und fließt zwischen das Gehirn und die Hirnhaut. Da die Gehirnflüssigkeit ständig nachproduziert wird verlässt sie den Raum zwischn Gehirn und Hirnhaut wieder und wird über die Blutgefäße abtransportiert. Durch nicht genau bekannte Ursachen kommt es zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes zwischen Produktion und Aufnahme der Gehirnflüssigkeit. Dies entsteht oft schon im Mutterleib, es kann aber auch erst innerhalb der ersten Lebensmonate auftreten. Durch das gestörte Gleichgewicht staut sich der Liquor innerhalb der Gehirnventrikel an. Da das Gehirn eine sehr weiche Konsistenz hat, gibt es dem zunehmenden Druck nach und die Ventrikel erweitern sich. Ein „Wasserkopf“ entsteht, der eigentlich besser „Wassergehirn“ heißen sollte. Es scheint, dass die Brachyzephalie, also die Kurzköpfigkeit und Kurznasigkeit bei Hunden und Katzen einen prädisponierenden Faktor für die Entwicklung eines Hydrozephalus darstellt.

Zu Beginn der Stauung der Gehirnflüssigkeit haben die Tiere wenn überhaupt nur wenig sichtbare Krankheits- anzeichen. Welpen sind oft müde und lustlos. Steigt der Druck an, kommt es zu schwerwiegenden Störungen. Bei Jungtieren, bei denen die Wachstumsfugen des Kopfes noch offen sind, wird der Schädel nach und nach größer und verformt sich sichtbar. Die Gehirnsubstanz baut sich nach und nach ab. Die Tiere werden blind und fangen an zu schielen. Sie taumeln und haben Schwierigkeiten aufzustehen. Meistens sind die betroffenen Welpen kleiner als ihre Geschwister. Auch können sie den Kopf schräg halten und sich um sich selber drehen. In vielen Lehrbüchern wird von epileptischen Anfällen berichtet, die unserer Erfahrung nach eher selten auftreten. Leider haben viele kleine brachycephale Hunderassen einen sehr kuppelförmigen Schädel, sodass man hier schnell fälschlicherweise den Verdacht eines Hydrozephalus äußern kann.

Bei älteren Tieren, bei denen die Schädelnähte geschlossen sind, fällt keine Umfangsvermehrung des Schädels auf un der Hydrozephalus hat keine sichtbaren äußerlichen Anzeichen. Da der Knochen nicht nachgeben kann, entwickeln sich bei diesen Tieren oft schnell und unvermittelt Symptome. Bei den älteren Tieren kann das Gehirn dem Druck der Flüssigkeit nicht nachgeben und wird von innen heraus gegen den Knochen gedrückt. Das führt zu anderen Symptomen als bei den Welpen. Solche Patienten zeigen epileptische Krampfanfälle mit rhythmischen Zuckungen der Gliedmaßen, Bewußtseinsverlust, Speicheln und unwillkürlichem Urin- und Kotabsatz. Diese epileptischen Anfälle sind nur schwer unter Kontrolle zu bringen.

Diagnose bei Tieren

Die Diagnose kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Bei noch offenen Wachstumsfugen kann ein Ultraschall die erweiterten Ventrikel darstellen. Allerdings ist mit diesem bildgebenden Verfahren keine Unterscheidung zu anderen Missbildungen möglich, die ähnlich aussehen, allerdings nicht behandelbar sind (z.B. Hydranenzephalie). An sichersten ist eine Kernspintomographie die genaue Aussagen über Art und Ausmaß des Hydrozephalus zulässt. Darüber hinaus können andere Erkrankungen ausgeschlos-sen werden, die im Ultraschall oder in einer Computertomographie (CT) nicht sichtbar sind.

Therapie bei Tieren

Wie beschrieben, führt ein verminderter Abfluss von Liquor zu einer zunehmenden Erweiterung der Ventrikel. Dabei ist es aber von entscheidender Bedeutung wie schnell diese Erweiterung stattfindet. Nehmen die Ventrikelräume langsam und schrittweise an Volumen zu, kann es sein, dass die Tiere überhaupt keine Symptome aufweisen, obwohl das Gehirn immer weiter an Masse verliert. Bei vielen kleinen brachyzephalen Hunden liegen erweiterte Ventrikel vor, die ab einem gewissen Zustand nicht mehr an Volumen zunehmen. Es stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein.

Das Ziel ist hier die Produktion der Hirnflüssigkeit zu senken. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Das Medikament Furosemid oder Omeprazol hemmen verschiedene Transportpumpen für die Stoffe, die in den Ventrikelraum abgegeben werden. Der Nachweis der Wirksamkeit dieser Medikamente beruht auf den Ergebnissen von Tierversuchen aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts.

Die operative Therapie des Hydrocephalus internus beruht auf dem Prinzip der permanenten Ableitung von Liquor aus dem Ventrikelraum. Dazu wird ein spezielles Schlauch-system (Shunt) in das Gehirn eingesetzt, das unter der Haut in den Bauchraum geführt wird. Auf diese Weise wird der Liquor dauerhaft abgeleitet und es kann sich kein Hochdruck mehr entwickeln. Um zu verhindern, dass zu schnell zu viel Liquor abgeht, wird ein hochentwickeltes Ventil aus der Neugeborenen-Medizin in das System eingebaut.

Wichtig ist die postoperative Überwachung der Tiere, da der Teil des Shunts, der im Gehirn sitzt (Ventrikelkatheter) verstopfen kann. Ebenso kann sich eine Hirnentzündung oder eine Blutung im Gehirn entwickeln. Das Gehirn kann sich vollkommen erholen und die Symptome verschwinden. Leider kann eine bestehende Blindheit durch die OP nicht behoben werden. Die Langzeitprognose ist gut.

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