Amok, Eifersuchtswahn und Alzheimer: Eine vergleichende Betrachtung

Eifersucht ist ein Gefühl, das fast jeder Mensch in Beziehungen erlebt. Sie kann von einem kurzen Stachel bis hin zu einer zerstörerischen Kraft reichen. In extremen Fällen kann Eifersucht zu pathologischer Eifersucht oder sogar zu einem Eifersuchtswahn führen. Interessanterweise können hirnorganische Störungen wie die Alzheimer-Demenz ebenfalls zu Eifersuchtswahn führen. Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Amok, Eifersuchtswahn und den Auswirkungen von Alzheimer auf aggressive Verhaltensweisen.

Eifersucht: Ein Spektrum von Gefühlen

Eifersucht ist ein komplexes Gefühl, das oft in Beziehungen auftritt. Psychologen unterscheiden zwischen reaktiver Eifersucht, die auf tatsächlichen Ereignissen beruht, und misstrauischer Eifersucht, bei der Menschen ohne Grund an der Treue ihres Partners zweifeln. Ein Anflug von Eifersucht kann in einer Beziehung normal sein und sogar zeigen, wie wichtig der Partner ist. Die Grenze zur Unnormalität wird überschritten, wenn Menschen ihre Eifersucht nicht mehr kontrollieren können.

Pathologische Eifersucht und Eifersuchtswahn

Neben der natürlichen Eifersucht gibt es die medizinischen Diagnosen der pathologischen Eifersucht und des Eifersuchtswahns. Hinter diesen extremen Formen der Eifersucht können verschiedene Ursachen stecken, wie ein vermindertes Selbstbewusstsein, Alkoholsucht, Depressionen, Psychosen oder hirnorganische Störungen wie die Alzheimer-Demenz.

Harald Oberbauer, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, leitet die erste Eifersuchtsambulanz im deutschsprachigen Raum an der Medizinischen Universitätsklinik Innsbruck. Er betont, dass Alarmglocken läuten sollten, wenn sich Betroffene nicht mehr auf ihre Arbeit konzentrieren können und immer wieder die gleichen Gedanken in ihren Köpfen kreisen. Ein Hauptmerkmal für krankhafte Eifersucht ist das "Checking", das Hinterherspionieren und ständige Kontrollieren des Partners.

Ursachen pathologischer Eifersucht

Pathologische Eifersucht kann Ausdruck verschiedener Störungen sein. Suchterkrankungen wie Alkoholismus, Depressionen, Angststörungen und Psychosen können einen Menschen extrem eifersüchtig werden lassen. Auch eine gestörte Kommunikation in der Beziehung oder ein gemindertes Selbstwertgefühl können das Misstrauen ins Krankhafte steigern. Männer mit Potenzproblemen haben manchmal Angst, ihrer Frau nicht mehr zu genügen.

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Im Extremfall entwickelt sich ein Eifersuchtswahn. Betroffene sind fest davon überzeugt, betrogen zu werden, und lassen keine Gegenargumente zu, selbst wenn ihre Anschuldigungen absurd sind. Eine häufige Ursache für solchen Wahn ist eine hirnorganische Störung.

Amok: Plötzliche, willkürliche Gewalt

Der Begriff Amok bezeichnet eine plötzliche, willkürliche und nicht provozierte Gewaltattacke mit mörderischem oder zumindest erheblich zerstörerischem Verhalten. Nach der Tat folgen oft Erinnerungslosigkeit und Erschöpfung, häufig auch selbstzerstörerische Reaktionen mit Verstümmelung oder Selbsttötung.

Ursprünge und Definition von Amok

Der Begriff "Amok" stammt vermutlich von dem malaiischen Wort "amuk" ab, was "wütend" oder "rasend" bedeutet. Der erweiterte Ausdruck "mengamuk" beschreibt spontane, gewaltsame Angriffe gegen Unbeteiligte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Amok als eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich (fremd-)zerstörerischen Verhaltens.

Psychiatrische Sichtweise

In der Psychiatrie wurde Amok früher als ein Dämmerzustand betrachtet, also eine plötzliche, unmotivierte und ungerichtete Gewalttat mit gefährlichen Folgen für die Betroffenen. Man nahm an, dass dissoziative Ausnahmezustände, also eine Veränderung der Bewusstseinslage mit unkontrolliertem Verhalten, die Ursache sind. Allerdings werden auch andere krankhafte Ursachen diskutiert.

Stadien eines Amoklaufs (frühere Annahme)

Früher versuchten Experten, den Amok-Anfall in verschiedene Stadien zu unterteilen:

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  1. Vorstadium (Prodromal-Stadium): Gehäufte Milieu-Schwierigkeiten, chronische Erkrankungen, Verlust der sozialen Ordnung oder Demütigungen bei Menschen mit einer eher dysphorischen und/oder neurasthenischen Konstitution.
  2. Akute Belastungen: Körperliche, seelische oder psychosoziale Belastungen, die zur Dekompensation eines schon länger bestehenden Spannungszustandes führen.
  3. Rückzug und Isolation: Rückzug und Isolationsneigung, begleitet von sinnlosem Gedankenkreisen oder Grübelsucht.
  4. Amok-Zustand: Plötzlicher Ausbruch des Amok-Zustandes mit einem "Bewegungssturm", bei dem der Betroffene wahllos Menschen und Tiere angreift und Zerstörung anrichtet.

Alzheimer-Demenz und Aggressivität

Aggressives Verhalten ist eine typische Begleiterscheinung von Demenzerkrankungen, mit der viele Angehörige und Bezugspersonen im Laufe der Erkrankung konfrontiert werden. Menschen mit Demenz reagieren oft aggressiv, wenn sie nicht weiterwissen. Wutausbrüche und Beschimpfungen sind oft Ausdruck von Verzweiflung und Hilflosigkeit, weil Betroffene bestimmte Dinge im Alltag nicht mehr bewältigen können, sich unverstanden, beunruhigt oder bedroht fühlen.

Eifersuchtswahn bei Alzheimer

Alois Alzheimer beobachtete bereits 1901 bei Auguste D., der ersten Patientin, an der er die später nach ihm benannte Demenz diagnostizierte, wahnhafte Eifersucht. Auch manche Parkinsonpatienten oder Unfallopfer, deren Gehirn geschädigt wurde, entwickeln die wahnhafte Vorstellung, dass sie hintergangen werden.

Umgang mit Aggressivität bei Demenz

  • Geduld, Gleichmut und Einfühlungsvermögen: Versuchen Sie herauszufinden, was den Menschen stresst, und beseitigen Sie nach Möglichkeit den Auslöser.
  • Vermeiden Sie Wut und Vorwürfe: Reagieren Sie nicht selbst wütend oder vorwurfsvoll. Vernünftige Argumente helfen in emotional aufgeladenen Situationen meist nicht weiter.
  • Zeigen Sie Verständnis: Machen Sie sich klar, dass der Betroffene Sie braucht, um aus der frustrierenden Situation hinauszukommen.
  • Lenken Sie die Aufmerksamkeit: Bieten Sie etwas Positives oder Interessantes an, wie eine beruhigende Melodie, ein Fotoalbum oder eine angenehme Tätigkeit.
  • Geregelter Tagesablauf: Ein gut strukturierter Tagesablauf mit regelmäßigen Mahlzeiten, Ruhephasen und Aktivitäten gibt Sicherheit und Orientierung.
  • Klare Kommunikation: Vermeiden Sie Frustration, indem Sie klar und verständlich kommunizieren.
  • Gesundheitschecks: Stellen Sie sicher, dass körperliche Beschwerden behandelt werden, da auch Schmerzen zu aggressivem Verhalten führen können.
  • Belastende Situationen vermeiden: Meiden Sie hektische Orte, grelles Licht, viele Menschen oder Lärm.
  • Training für Angehörige: Nehmen Sie an Kursen für pflegende Angehörige teil, um zu lernen, mit schwierigem Verhalten umzugehen.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Obwohl Amok, Eifersuchtswahn und Aggressivität bei Alzheimer unterschiedliche Phänomene sind, gibt es einige Gemeinsamkeiten:

  • Verlust der Kontrolle: Alle drei Zustände sind durch einen Verlust der Kontrolle über das eigene Verhalten gekennzeichnet.
  • Aggressivität: Aggressives Verhalten kann in allen drei Fällen auftreten.
  • Hirnorganische Ursachen: Hirnorganische Störungen können sowohl zu Eifersuchtswahn als auch zu Aggressivität bei Alzheimer führen.

Die Hauptunterschiede liegen in den Ursachen und der Art des Verhaltens:

  • Amok: Eine plötzliche, willkürliche Gewalttat, oft ohne erkennbaren Auslöser.
  • Eifersuchtswahn: Ein unerschütterlicher Glaube an die Untreue des Partners, oft verbunden mit Kontrollverhalten.
  • Aggressivität bei Alzheimer: Eine Reaktion auf Überforderung, Verwirrung oder Angst, oft verbunden mit Gedächtnisverlust und kognitiven Beeinträchtigungen.

Neurowissenschaftliche Erkenntnisse

Wissenschaftler vermuten den Schlüssel zur Eifersucht im Gehirn. Bildgebende Verfahren wie MRT- oder PET-Scans zeigen bei Eifersucht Aktivitäten in visuellen Bereichen, im limbischen System und in kognitiven Teilen des Gehirns. Auch die Insula, die bei der Verarbeitung von Gerüchen, Empathie oder der Bewertung von Schmerz mitspielt, ist aktiv.

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Forscher aus Pisa haben herausgefunden, dass bei obsessiver Eifersucht auch der ventromediale präfrontale Cortex, ein Teil des vorderen Bereichs des Gehirns, beteiligt sein könnte.

Therapie

Die Therapie von pathologischer Eifersucht und Aggressivität bei Demenz hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Harald Oberbauer betont, dass es wichtig ist, die Ursache der Eifersucht zu finden, um die Patienten in die spezifische Behandlung zu schicken. Dies kann ein Entzug, eine Therapie von Depressionen oder Minderwertigkeitsgefühlen sein. Auch Medikamente, die in den Hirnstoffwechsel eingreifen, können zum Einsatz kommen.

In Untersuchungen konnten Forscher die Symptome ihrer Patienten lindern, indem sie ihnen Medikamente verabreichten, die eine Wiederaufnahme von Serotonin in die Nervenzellen hemmten.

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