Die Alzheimer-Krankheit, eine fortschreitende Erkrankung des Gehirns, von der weltweit mehr als 26 Millionen Menschen betroffen sind, stellt eine enorme Herausforderung für die medizinische Forschung dar. Bislang gibt es keine Heilung für diese Erkrankung, die durch Gedächtnisverlust, Orientierungsstörungen und Beeinträchtigungen des Denk- und Urteilsvermögens gekennzeichnet ist. Vielversprechende Therapieansätze scheiterten oft daran, dass die Medikamente nicht in ausreichender Menge ins Gehirn gelangten. Doch die Forschung hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte erzielt, die neue Hoffnung für Betroffene und ihre Familien wecken. Mit Leqembi und Kisunla sind erstmals Medikamente verfügbar, die an einer der möglichen Hauptursachen von Alzheimer ansetzen: den Amyloid-Plaques.
Die Blut-Hirn-Schranke: Eine Herausforderung für die Medikamentenentwicklung
Ein großes Hindernis bei der Entwicklung von Alzheimer-Medikamenten ist die sogenannte Blut-Hirn-Schranke. Diese natürliche Barriere schützt das Gehirn vor schädlichen Substanzen, verhindert aber auch, dass viele Medikamente in ausreichender Konzentration ins Gehirn gelangen. Forscher arbeiten daher an neuen Strategien, um diese Schranke zu überwinden und Medikamente gezielt ins Gehirn zu transportieren. Ein vielversprechender Ansatz ist die Verwendung von Nanopartikeln, winzigen Fettkügelchen, die mit Medikamenten beladen und mit speziellen Molekülen versehen werden, die an Rezeptoren der Blut-Hirn-Schranke binden und so den Transport ins Gehirn ermöglichen.
Lecanemab (Leqembi): Ein Antikörper gegen Amyloid-Plaques
Lecanemab, vertrieben unter dem Handelsnamen Leqembi, ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab bzw. verhindert die Bildung neuer Plaques. Lecanemab ist seit dem 1. September 2025 in Deutschland erhältlich.
Zulassung und Anwendungsbereich von Lecanemab
Die Europäische Kommission hat Lecanemab am 15. April 2025 für eine genau umrissene Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im Frühstadium zugelassen. Lecanemab ist indiziert zur Behandlung von Erwachsenen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) aufgrund der Alzheimer-Krankheit und der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium. Studien zufolge kann Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
Studienergebnisse und Wirksamkeit von Lecanemab
Die Zulassung von Lecanemab basierte auf den Ergebnissen der Phase-3-Studie CLARITY AD, an der 1.795 Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Alzheimer-Demenz teilnahmen. Die Studie zeigte, dass die Krankheit bei denjenigen, die Lecanemab erhielten, um 27 Prozent langsamer voranschritt als bei der Kontrollgruppe. Trotz dieser messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt. Das könnte bedeuten, dass eine Einnahme über den Zeitraum der bisher untersuchten 18 Monate hinaus die Wirksamkeit von Lecanemab noch erhöht.
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Voraussetzungen für die Behandlung mit Lecanemab
Nicht alle Menschen mit Alzheimer im Frühstadium kommen für eine Behandlung mit Lecanemab infrage. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
- Leichte kognitive Beeinträchtigung (MCI) oder beginnende Demenz: Lecanemab ist nur für Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung im frühen Stadium zugelassen.
- Nachweis von Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn: Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET.
- Genetische Voraussetzungen: Die Patientin oder der Patient darf höchstens eine Kopie des ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen.
- Keine Einnahme von Gerinnungshemmern: Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen. In Kombination mit dem Medikament steigt das Risiko für eine Hirnblutung deutlich.
Durchführung der Behandlung und Überwachung
Lecanemab wird als Infusion alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Die Behandlung dauert jeweils etwa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen. Zusätzlich ist die Teilnahme an einem EU-weiten Kontrollprogramm verpflichtend (Controlled Access Program, CAP). Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen in ein zentrales Register eingeschrieben werden. Zu Beginn der Therapie erhalten die Erkrankten eine Patientenkarte und ausführliche Aufklärungsunterlagen.
Mögliche Nebenwirkungen von Lecanemab
In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen (11 %) und Infusionsreaktionen (26 %).
Kosten der Behandlung mit Lecanemab
Die Kosten für das Medikament pro Jahr und Patient werden auf etwa 24.000 Euro geschätzt. Hinzu kommen die Kosten für Tests, Durchführung der Therapie und Überwachung, die sich auf etwa 10.000 Euro belaufen könnten.
Donanemab (Kisunla): Ein weiterer Antikörper gegen Amyloid-Plaques
Donanemab, vertrieben unter dem Handelsnamen Kisunla, ist ein weiterer Antikörper, der auf schädliche Proteinablagerungen im Gehirn abzielt, die sogenannten Amyloid-Plaques. Der Wirkstoff erkennt eine besonders giftige Form des Peptids Amyloid-beta (Pyroglutamat-Amyloid-beta) und setzt eine Immunreaktion in Gang, die darauf abzielt, die Plaques zu entfernen. Kisunla ist seit dem 25. September 2025 für den EU-Markt zugelassen und seit dem 1. November 2025 in Deutschland verfügbar.
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Zulassung und Anwendungsbereich von Donanemab
Kisunla kann bei Menschen im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit eingesetzt werden, das heißt bei Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) und leichter Alzheimer-Demenz, bei denen Amyloid-Plaques im Gehirn nachgewiesen wurden.
Studienergebnisse und Wirksamkeit von Donanemab
Die Entwicklung von Donanemab wurde maßgeblich durch die TRAILBLAZER-ALZ-2-Studie vorangetrieben. Die Ergebnisse zeigten, dass Donanemab die schädlichen Amyloid-Ablagerungen effektiv abbauen und den geistigen Abbau um 35 Prozent verlangsamen konnte. Eine wichtige Erkenntnis: Nach Entfernung der Amyloid-Ablagerungen konnte die Behandlung beendet werden, was die Therapiedauer verkürzt und Kosten reduziert.
Voraussetzungen für die Behandlung mit Donanemab
Ähnlich wie bei Lecanemab müssen auch bei Donanemab bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, bevor die Behandlung begonnen werden kann:
- Alzheimer im Frühstadium: Das Medikament eignet sich für Erkrankte im frühen Krankheitsstadium mit bislang nur wenigen kognitiven Beeinträchtigungen.
- Nachweis von Amyloid-Plaques im Gehirn: Bevor Kisunla verabreicht werden kann, muss nachgewiesen werden, dass sich bereits Amyloid-Plaques im Gehirn gebildet haben.
- Gentest auf ApoE4: In der EU ist außerdem ein Gentest auf ApoE4 vorgeschrieben. Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind ausgeschlossen.
- Ausschlusskriterien: Kisunla darf nicht eingesetzt werden, wenn im MRT vor der Behandlung Blutungen oder andere Veränderungen im Gehirn sichtbar sind, dazu zählen zum Beispiel mehr als vier Mikroblutungen, Ablagerungen durch alte Blutungen (sogenannte Siderose) oder Schwellungen im Gehirn. Auch Personen, die Antithrombotika (z. B. Aspirin) einnehmen, müssen dies mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt abklären.
Durchführung der Behandlung und Überwachung
Donanemab wird alle vier Wochen per Infusion verabreicht und richtet sich gegen ß-Amyloid-Plaques im Gehirn, wo es deren Abbau unterstützen soll. Die Therapie darf nur von Ärztinnen und Ärzten begonnen werden, die Erfahrung mit Alzheimer-Diagnostik und Zugang zu Untersuchungen per Magnetresonanztomografen (MRT) haben.
Mögliche Nebenwirkungen von Donanemab
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen, allergische Reaktionen während oder nach der Infusion und potenziell ernsthafte Veränderungen im Gehirn, sogenannte ARIA, die Hirnschwellungen oder Hirnblutungen bedeuten. Diese Nebenwirkungen traten bei 37 Prozent der Proband*innen auf, in den meisten Fällen allerdings symptomlos.
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Unterschiede zwischen Leqembi und Kisunla
Obwohl sowohl Leqembi als auch Kisunla Antikörper-basierte Medikamente sind, die auf Amyloid-Plaques abzielen, gibt es einige wichtige Unterschiede:
- Verabreichung: Kisunla wird alle vier Wochen verabreicht, während Leqembi alle zwei Wochen gegeben wird.
- Therapiedauer: Das Ende der Therapie mit Kisunla ist nach spätestens 18 Monaten vorgesehen, während Leqembi als Dauertherapie angelegt ist.
- Nebenwirkungen: Leqembi weist eine geringere Rate an symptomatischen ARIAs auf, zeigt aber in Studien geschlechtsspezifische Unterschiede (geringere Wirksamkeit bei Frauen). Das Risiko für Veränderungen im Gehirn - etwa Ödeme oder Mikroblutungen - sei unter Donanemab höher, sagte Berlit. Zusätzlich habe sich gezeigt, dass bei beiden Substanzen die Wirksamkeit bei Frauen geringer ausfalle als bei Männern.
Weitere Forschungsansätze in der Alzheimer-Therapie
Neben den Antikörper-basierten Therapien gibt es noch zahlreiche andere Forschungsansätze, die vielversprechend für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit sind. Dazu gehören:
- Medikamente gegen Tau-Fibrillen: Tau-Fibrillen sind ein weiteres Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit. Einige Medikamente, die sich in der Entwicklung befinden, zielen darauf ab, die Bildung von Tau-Fibrillen zu verhindern oder diese abzubauen.
- Kombinationstherapien: Die Kombination verschiedener Medikamente, die an unterschiedlichen Stellen im Krankheitsprozess angreifen, könnte die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen.
- Lifestyle-Interventionen: Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Lifestyle-Faktoren, wie eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und soziale Interaktion, das Risiko für Alzheimer verringern und den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. Auch die neuen Schlankmacher-Spritzen etwa scheinen eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf bei Alzheimer-Patient:innen zu haben.
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