Alzheimer Typ 2 Astrozyten: Neue Einblicke und Therapieansätze

Die Alzheimer-Krankheit, eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Desorientierung gekennzeichnet ist, betrifft Millionen von Menschen weltweit. Charakteristisch für diese Erkrankung sind Eiweißablagerungen im Gehirn, insbesondere Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen, sowie der Verlust von Synapsen und das Absterben von Nervenzellen. Die genauen Ursachen der Alzheimer-Krankheit sind noch nicht vollständig geklärt, was die Entwicklung wirksamer Therapien erschwert. Neueste Forschungsansätze konzentrieren sich jedoch zunehmend auf die Rolle von Gliazellen, insbesondere Astrozyten, bei der Entstehung und dem Fortschreiten der Krankheit.

Die Rolle der Astrozyten im Gehirn

Astrozyten, eine Art von Gliazellen, sind die häufigsten Zellen im Gehirn und übernehmen dort vielfältige essentielle Funktionen. Lange Zeit wurde den Gliazellen des Gehirns eine reine Strukturfunktion zugeschrieben: Sie sollten die wichtigen Nervenzellen lediglich umgeben und ihnen als physikalische Stütze dienen. Mittlerweile ist wissenschaftlicher Konsens, dass diese Zellen ein breites Spektrum an Funktionen erfüllen und die Funktion des Gehirns maßgeblich beeinflussen. Sie interagieren eng mit Neuronen und anderen Gliazellen, um das Gehirn zu schützen und zu unterstützen.

  • Strukturierung neuronaler Netzwerke: Astrozyten strukturieren neuronale Netzwerke und schirmen Neurone mit ihren Fortsätzen voneinander ab.
  • Versorgung der Neurone: Astrozyten versorgen Neurone mit Metaboliten und entsorgen deren Abfallprodukte.
  • Aufrechterhaltung des Gleichgewichts: Astrozyten halten das fein abgestimmte Gleichgewicht an Ionen und Transmittern aufrecht.
  • Modulation der synaptischen Übertragung: Astrozyten empfangen Signale der Neurone und signalisieren zurück zu ihnen, beeinflussen die synaptische Übertragung und können diese modifizieren.

Astrozyten sind also weit mehr als nur passive Stützzellen; sie sind aktive Teilnehmer an der neuronalen Kommunikation und spielen eine entscheidende Rolle für die Gesundheit und Funktion des Gehirns.

Alzheimer-Krankheit: Die Rolle von Amyloid-Beta und Tau-Proteinen

Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es zu Veränderungen im Gehirn, die sich in vielfältiger Weise auf die Betroffenen auswirken. Ein typisches Frühsymptom sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, das heißt, man kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern. Weitere Symptome sind Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Dinge zu planen und zu organisieren.

Die Alzheimer-Krankheit ist durch eine Atrophie (Gewebeschwund) des Gehirns und die Ablagerung von zwei Proteinen gekennzeichnet: Amyloid-beta und Tau. Diese lagern sich in Amyloid-Plaques außerhalb der Nervenzellen und in Tau-Fibrillen innerhalb der Nervenzellen ab. Diese Ablagerungen beeinträchtigen die normale Funktion der Nervenzellen, was zu ihrem Absterben und damit zum fortschreitenden Gewebeschwund im Gehirn führt. Das typischste Symptom der Alzheimer-Krankheit ist die Demenz.

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Amyloid-beta (Aß) ist ein Protein, das natürlicherweise im Gehirn vorkommt. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet kleinere, giftige Klumpen (Oligomere) und riesige Zusammenlagerungen (Plaques).

Im Gehirn gibt es ein weiteres Protein, das mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird: das Tau-Protein. Im Inneren der Gehirnzellen sorgt es für die Stabilität und Nährstoffversorgung. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die chemische Veränderung des Tau-Proteins bewirkt, dass es eine fadenförmige Struktur bildet.

Astrozyten bei Alzheimer: Freund oder Feind?

Astrozyten stehen im Verdacht, an der Verbreitung der giftigen Amyloid-beta-Oligomere und Tau-Fibrillen beteiligt zu sein. Bei betroffenen Patienten finden sich jedoch vermehrt Eiweißablagerungen im Gehirn. Zusatzinformation für Kästchen: Es wird davon ausgegangen, dass diese Eiweißablagerung, das sogenannte Beta-Amyloid, eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielt. In der grauen Gehirnsubstanz von Alzheimer-Patienten finden sich Beta-Amyloid-Ablagerungen, sogenannte senile Plaques, in besonders hoher Dichte. Die Ablagerungen bestehen aus einem zentralen Amyloid-Kern, der von krankhaft veränderten Nervenzellfortsätzen, verminderten Synapsen und aktivierten Astrozyten, dem häufigsten Zelltyp des Gehirns, umgeben wird.

Astrozyten können in einen reaktiven Zustand übergehen, in dem sie ihre Funktion, ihren Metabolismus und ihre Morphologie als Reaktion auf Entzündungen oder Verletzungen verändern. Dieser Übergang ist fließend und kann, je nach Kontext, reversibel sein. Im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit können Astrozyten sowohl schützende als auch schädliche Rollen spielen.

  • Schützende Funktionen: Astrozyten können Amyloid-beta abbauen und so die Plaquebildung reduzieren. Sie können auch Neurone vor den schädlichen Auswirkungen von Amyloid-beta und Tau schützen.
  • Schädliche Funktionen: Astrozyten können entzündungsfördernde Substanzen freisetzen, die zur Neurodegeneration beitragen. Sie können auch die Ausbreitung von Amyloid-beta und Tau im Gehirn fördern.

Die Rolle der Astrozyten bei der Alzheimer-Krankheit ist also komplex und hängt vom jeweiligen Stadium der Erkrankung und der spezifischen Umgebung im Gehirn ab.

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Neue Therapieansätze: Astrozyten im Visier

Da Astrozyten eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Krankheit spielen, sind sie ein vielversprechendes Ziel für neue Therapieansätze. Mehrere Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass die Modulation der Astrozytenfunktion das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit verlangsamen oder sogar verhindern könnte.

P2Y1R-Rezeptor als Ziel:

Eine Untersuchung von Forschern des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) deutet auf einen neuen Ansatz gegen die Alzheimer-Krankheit hin. In Studien an Mausmodellen fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Blockade des Hirnrezeptors P2Y1R auf den Astrozyten die Funktion des Gehirns normalisierte und die Gedächtnisleistung verbesserte.

In einer Laborstudie erprobten Petzold und Kollegen diesen Ansatz an Mäusen. Die Tiere entwickelten aufgrund einer genetischen Veranlagung bestimmte Anzeichen der Alzheimer-Krankheit, die in ähnlicher Weise beim Menschen auftreten. Dabei handelte es sich um krankhafte Ablagerungen von Amyloid-beta-Plaques und um abnorme Netzwerkaktivitäten. Die Wissenschaftler nahmen in ihrer Studie einen Rezeptor P2Y1R ins Visier, er überwiegend auf Astrozyten vorkommt. Petzold und Kollegen gingen nun den umgekehrten Weg: Sie behandelten die Mäuse mit verschiedenen P2Y1R-Antagonisten. "Wir haben festgestellt, dass die Langzeit-Behandlung mit diesen Wirkstoffen die Netzwerkaktivität des Gehirns normalisierte. Die Lernfähigkeit und das Gedächtnis der Mäuse wurden zudem deutlich besser", sagt Petzold. Bei ihnen hatte die Behandlung keine deutliche Wirkung auf die Aktivität der Astrozyten, heißt es weiter in der Mitteilung. "Dies deutet darauf hin, dass die Hemmung des P2Y1R-Rezeptors sehr spezifisch geschieht.

Insulin und Astrozyten:

Neurobiologe Dr. Um diesen Schutzfaktor zu ermitteln, untersuchten die Forscher Nervenzellkulturen im Labor, die sie den toxischen Betaamyloid-Klumpen aussetzten. Dabei ließen sie die Nervenzellen mal allein gegen das Betaamyloid kämpfen, mal aber auch im Verbund mit Astrozyten, wie sie auch im Gehirn natürlicherweise vorkommen. Diese übersetzt ‚Sternzellen‘ genannten Zellen haben lange, strahlenförmige Fortsätze - daher der Name. Mit ihren Fortsätzen bilden sie ein großes Netzwerk über Verbindungen untereinander, aber verknüpfen auch Blutgefäße und Nervenzellen. Darüber füttern sie also die Nervenzellen und dienen der Flüssigkeitsregulation. Spielen die Astrozyten aber auch eine Rolle beim Nervenschutz? Nervenzellen ohne Unterstützung von Astrozyten litten schnell unter Anlagerungen von Betaamyloid, die auch die Signalübertragung an den Synapsen störten und schließlich zum Verlust dieser wesentlichen Kontaktstellen führten. Waren die Nervenzellen begleitet von Astrozyten, lagerte sich deutlich weniger Betaamyloid an ihnen an.

Wie erreichten die Astrozyten aber diesen Alzheimerschutz? Die Forscher fanden, dass die Astrozyten Insulin und einen Wachstumsfaktor, der Insulin ähnelt (daher englisch insulin-like growth factor-1, IGF1), abgaben. Dies schien den Nervenzellen zu helfen, sich gegen das Betaamyloid zu wehren. Die Forscher interpretieren ihre Ergebnisse so: bindet das Betaamyloid an die Nervenzelle, regt dies, wie mit einem Notruf, den Insulin-Signalweg an: die benachbarten Astrozyten geben Insulin an die Nervenzelle ab. Diese kann dadurch das Betaamyloid, noch an der Zellhaut klebend und eingepackt in ein Exosom, in sich aufnehmen und darin das Betaamyloid von der Zellhaut ablösen. Nun befördert die Nervenzelle das abgelöste Betaamyloid wieder nach außen. Das Insulin der Astrozyten kann so der Nervenzelle helfen, sich vom toxischen Betaamyloid selbst zu befreien.

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Kombinationstherapien:

Die Alzheimer-Krankheit (AD) ist eine komplexe, multifaktorielle neurodegenerative Erkrankung mit heterogenen molekularen Veränderungen in verschiedenen Zelltypen. Bisherige Behandlungsansätze, die sich auf einzelne Krankheitsmerkmale oder Gewebspathologien konzentrierten, waren oft unzureichend, was zu einer hohen Misserfolgsquote in der Medikamentenentwicklung führte. Jetzt richten neuere Ansätze unter anderem den Blick auf Gliazellen.

Eine kalifornische Studie, die mehrere Techniken kombiniert, hat festgestellt, dass zwei Krebsmittel die mit der Alzheimer-Krankheit verbundenen Genexpressionssignaturen umkehren - zumindest am Mausmodell. Wie die Daten zeigen, entfaltet Letrozol eine zelltypspezifische Wirkung in exzitatorischen und inhibitorischen Neuronen und Irinotecan eine Wirkung auf Zellen des gliazentrierten Clusters, einschließlich Astrozyten, Mikroglia und Oligodendrozyten. Mittels Einzelkern-Transkriptom-Analyse (snRNA-seq) des Hippocampus konnten die Forschenden bestätigen, dass die Kombinationstherapie krankheitsassoziierte Gennetzwerke zelltypspezifisch umkehrte. Zudem reduzierte die Behandlung eine gesteigerte Zell-Zell-Kommunikation über mehrere Zelltypen hinweg, was eine Reduktion hyperaktiver und dysregulierter neuronal-glialer Interaktionen andeutet. Irinotecan hingegen vermittelte eine stärkere entzündungshemmende Wirkung.

Analysen von Daten aus elektronischen Patientenakten ergaben, dass Patienten, die mit Letrozol oder Irinotecan behandelt worden waren, ein geringeres Risiko für eine Alzheimer-Diagnose aufwiesen. Zusammenfassend unterstreicht diese Studie das Potenzial von zelltypgesteuerten Kombinationsbehandlungen mit bereits zugelassenen Wirkstoffen, um multifaktorielle Erkrankungen wie die Alzheimer-Erkrankung zu therapieren.

Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen):

Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen), hergestellt aus dem Blut von Patienten, stellen dafür ein vielversprechendes System dar. Zum einen tragen diese Zellen die genetische Information ihres Spenders und spiegeln daher den patienten- und erkrankungsspezifischen Hintergrund wider, zum anderen tragen sie auch die für den Erkrankungsprozess verantwortlichen Merkmale. Des Weiteren besitzen sie eine vielfache Differenzierungskapazität (i.e. Pluripotenz), die es ihnen erlaubt, alle Zellentypen des Körpers zu bilden. Außerdem können sie auch durch Manipulationen im Labor in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.

Im Rahmen des Forschungsprojektes werden auch Astrozyten aus iPS-Zellen generiert. Über 70 % der hergestellten Zellen stellen das Astrozyten-spezifische Protein GFAP her.

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