Armband gegen Epilepsie: Informationen und Hilfestellungen für Betroffene und Angehörige

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, von der weltweit mehr als 50 Millionen Menschen betroffen sind. Ein wesentliches Problem dabei ist die Unvorhersehbarkeit der Anfälle, was sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen eine große Belastung darstellt. Glücklicherweise gibt es verschiedene technische Hilfsmittel, insbesondere Armbänder, die dazu beitragen können, die Sicherheit von Menschen mit Epilepsie zu erhöhen und ihnen mehr Selbstständigkeit zu ermöglichen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verfügbare Optionen, von einfachen Maßnahmen bis hin zu hochentwickelten Wearables, und gibt praktische Ratschläge für den Alltag.

Anfallserkennung im Schlaf: Überwachungssysteme für mehr Sicherheit

Nächtliche Anfälle stellen eine besondere Herausforderung dar, da sie oft unbemerkt bleiben und potenziell gefährlich sein können. Studien zeigen, dass ein Großteil der nächtlichen Anfälle unentdeckt bleibt, was das Risiko für Komplikationen wie den plötzlichen unerwarteten Tod bei Epilepsie (SUDEP) erhöhen kann. Umso wichtiger ist es, geeignete Überwachungssysteme einzusetzen, die im Falle eines Anfalls Alarm schlagen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Anfälle zu registrieren - auch wenn das Kind in seinem eigenen Bett bzw. Zimmer schläft.

  • Klingelarmband: Dieses einfache Hilfsmittel ist geeignet für Anfälle mit Zuckungen. Dazu näht man einige Glöckchen an ein Stoffbändchen, das dem Kind zur Schlafenszeit um das Handgelenk gebunden wird.

  • Alarmgerät fürs Bett: Diese Geräte, wie Epicare oder Emfit, sind ebenfalls für Anfälle mit Zuckungen geeignet. Sensoren, die auf rhythmische Bewegungen reagieren, werden zwischen Lattenrost und Matratze gelegt. Ein Aufzeichnungsgerät am Bett gibt Alarm, wenn das Kind anfängt zu krampfen. Diese Geräte haben eine Hilfsmittelnummer und können somit vom Arzt verordnet werden.

  • Alarmgerät fürs Handgelenk: NightWatch ist ein Armband, das die Herzfrequenz des Trägers und dessen Bewegungen im Schlaf genauestens registriert und ist geeignet für Anfälle mit/ohne Zuckungen.

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  • Pulsoxymeter: Bei Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut während des Anfalls kann dieses Messgerät helfen, das vom Arzt verordnet werden kann. Dabei wird ein Sensor an einem Finger oder Zeh befestigt und ist geeignet für Anfälle mit/ohne Zuckungen.

  • Babyfon mit/ohne Kamera: Die klassische Variante ohne Kamera meldet Geräusche, die Signale werden auf das Empfangsteil übertragen, so dass man hören kann, wenn „Unruhe“ herrscht und ist geeignet für Anfälle mit Geräuschen. Statt eines Babyfones kann auch eine Überwachungskamera benutzt werden.

Epi-Care: Anfallserkennung und Alarmierung in Echtzeit

Epi-Care ist ein System zur Überwachung epileptischer Anfälle und zur Alarmierung von Bezugspersonen. Es bietet mehr Selbstständigkeit und Freiheit für Personen mit Epilepsie, da das Alarmgerät nicht nur drinnen, sondern auch unterwegs verwendet werden kann. Epi-Care mobile erkennt tonisch-klonische Anfälle und sendet den Alarmanruf an das Mobiltelefon der Bezugsperson. Zusätzlich können GPS-Koordinaten per SMS mitgeteilt werden.

Epi-Care Mobile

  • Der Sensor wird am Arm getragen, ähnlich wie eine Armbanduhr.
  • Es können mehrere Rufnummern eingespeichert werden, welche im Notfall abhängig vom Standort kontaktiert werden.
  • Die App kann bei einem Anfall verschiedene Nummern wählen, abhängig davon, wo man sich befindet. Epi-Care mobile kann beispielsweise eine bestimmte Nummer wählen, wenn man bei den Eltern ist, und eine andere, wenn man sich z.B.
  • Epi-Care mobile benötigt kein Kontrollgerät und ist deshalb ebenfalls für draußen geeignet. Wird ein Alarm durch einen Epilepsieanfall ausgelöst, werden standort-spezifische Rufnummern gewählt und gleichzeitig GPS-Koordinaten an Pflegepersonen gesendet.
  • Die App sendet eine SMS-Nachricht an das Telefon der Bezugsperson, wenn das Armband oder das App-Telefon aufgeladen werden müssen. Es wird ebenfalls eine SMS-Nachricht gesendet, wenn das Armband außer Reichweite des App-Telefons ist.
  • Die Funktion „Nachtbereitschaft“ bietet die Möglichkeit, für Tag und Nacht unterschiedliche Alarmnummern festzulegen. Dies ist besonders nützlich, wenn beispielsweise in einer Institution während der Nachtschicht eine andere Nummer als am Tag alarmiert werden soll. Um die Funktion zu nutzen, muss sie in den Einstellungen aktiviert werden.
  • Um einen Überblick über Anfälle und Einstellungsänderungen zu schaffen, führt Epi-Care mobile ein automatisches Protokoll. Dies ist eine Liste aller Ereignisse mit Informationen zu Datum, Uhrzeit und Art des Ereignisses.
  • Ca. 24 Stunden Akkulaufzeit. Eingebaute, wiederaufladbare Lithium-Ionen Batterie.

Epi-Care Free

Epi-Care free wurde entwickelt, um tonisch-klonische Anfälle zu registrieren und Alarm auszulösen. Die eingebaute Elektronik des Armbands erkennt die charakteristischen Zuckungen, die bei Krampfanfällen auftreten. Epi-Care free reagiert nicht auf alltägliche Bewegungen, beispielsweise beim Essen, Lesen oder Schlafen. Klinische Tests haben gezeigt, dass Epi-Care 91% aller tonisch-klonischen Epilepsieanfälle erkennt.

  • Epi-Care free wird als Armband getragen und kann deshalb tagsüber und nachts verwendet werde.
  • Sie legen das Armband ums Handgelenk, schalten das Tischgerät ein und der Alarm ist einsatzbereit. Es sind keine Einstellungen notwendig.
  • Das Armband sollte einmal pro 24 Stunden etwa eine Stunde lang aufgeladen werden, wenn der Benutzer nicht allein ist, zum Beispiel während des Frühstücks oder Abendessens.
  • Mit Epi-Care free ist es einfach, ein Anfallstagebuch zu führen. Im Tischgerät wird ein Dokumentation mit u.a. Alarmweiterleitung
  • Reichweite von ca.
  • Ca. 24 Stunden Akkulaufzeit. Eingebaute, wiederaufladbare Lithium-Ionen Batterie.

Epi-Care free wurde im dänischen Epilepsiekrankenhaus Filadelfia, im dänischen Rigshospital sowie im Epilepsiezentrum Bethel in Bielefeld klinisch getestet. Auf Grundlage der klinischen Tests stellten die Ärzte fest, dass der Epi-Care free Alarm ein wichtiges Hilfsmittel für Menschen mit tonisch-klonischen Anfällen ist.

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NightWatch: Frühzeitige Warnung vor nächtlichen Anfällen

NightWatch ist ein weiteres System, das speziell für die Überwachung von Anfällen im Schlaf entwickelt wurde. Es besteht aus einem kabellosen Armband, das die Herzfrequenz sowie Bewegungen des Trägers überwacht. Der einzigartige Algorithmus erkennt spezifische Herzfrequenz- und Bewegungsmuster, die auf einen klinisch dringenden Anfall hinweisen. Wird ein potentiell schwerer epileptischer Anfall gemessen, wird ein Alarmsignal an die Basisstation gesendet, so dass auch Personen in einem anderen Raum rechtzeitig gewarnt bzw. geweckt werden können. Dadurch kann das Risiko medizinischer Komplikationen gesenkt werden, da frühzeitig angemessene Hilfe geleistet werden kann.

Das System wurde durch eine Kooperation von Universitätsklinikum Utrecht, SEIN, Kempenhaeghe/die Technische Universität Eindhoven und Patientenvertretern des Epilepsie-Fonds entwickelt.

Wearables und Künstliche Intelligenz: Anfallsvorhersage in Echtzeit

Wissenschaftler arbeiten an neuartigen Systemen für am Handgelenk getragene Geräte, sogenannte Wearables, die Prognosen in Echtzeit abgeben. Diese Systeme erfassen verschiedene Daten des autonomen Nervensystems (ANS) wie z. B. Herzfrequenz, Schweißaktivität und Hauttemperatur. Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) werden die Daten analysiert, um Anfälle vorherzusagen.

Ein Beispiel hierfür ist die Forschung an der Universität Paderborn, wo ein Algorithmus und ein Plattform-Prototyp entwickelt werden, die Live-Daten vom Wearable erfassen, verarbeiten und im Falle einer erhöhten Anfallswahrscheinlichkeit einen Alarm auslösen. Die Forscher verwenden erklärbare künstliche Intelligenz, um die Funktionsweise des Algorithmus für die Endanwender und ihre Behandler verständlich zu machen.

Eine Studie der Mayo Clinic hat gezeigt, dass ein am Handgelenk getragenes Gerät zuverlässige Vorhersagen liefern kann, ohne dass dafür die Gehirnaktivität direkt gemessen wird. Das Gerät sammelt Informationen über die elektrischen Eigenschaften der Haut, Körpertemperatur, Blutfluss, Herzfrequenz und die Beschleunigungsmessung, die die Bewegung mitverfolgt. Die Daten werden mit einem Ansatz des Deep Learning von neuronalen Netzwerken mittels Künstlicher Intelligenz (KI) analysiert.

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Weitere Hilfestellungen im Alltag

Neben den technischen Hilfsmitteln gibt es eine Reihe weiterer Maßnahmen, die dazu beitragen können, den Alltag für Menschen mit Epilepsie sicherer und angenehmer zu gestalten:

  • Medikamentenmanagement: Eine Wochendosette hilft, die Medikamente für die ganze Woche vorsortieren und mit einem kurzen Blick zu sehen, ob Ihr Kind die Medikamente genommen hat. Erinnerungsstützen, wie z. B. ein Handyalarm, können bei der regelmäßigen Einnahme helfen.
  • Sicherheitsvorkehrungen im Bad: Solange die Gefahr besteht, dass Ihr Kind im Anfall in die Badewanne unter Wasser rutscht, sollte es besser Duschen. Praktisch ist es auch, wenn die Türen von Bad und Gästetoilette nach außen aufgehen. Statt eines Schloss mit Schlüssel ist eine sog. WC-Garnitur sinnvoll.
  • Aufklärung und Unterstützung im Kindergarten und in der Schule: Eine gute Aufklärung der ErzieherInnen/LehrerInnen/BetreuerInnen ist notwendig. Wichtig ist es eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Erziehungsberechtigten und der Einrichtung zu den notwendigen Maßnahmen mit genauen Anweisungen treffen. In einigen Fällen ist es sinnvoll einen Integrationshelfer für das Kind zu beantragen.
  • Sport und Freizeit: Regelmäßige sportliche Betätigung ist für alle Menschen gesund. Auch Kinder und Jugendliche mit Epilepsie können fast alle Sportarten weitgehend gefahrlos ausüben und sollen weder in der Schule noch im Verein aus übertriebener Vorsicht davon abgehalten werden. Vorsicht ist jedoch beim Schwimmen und bei Sportarten mit Absturzgefahr geboten.
  • Urlaub: Eine gut bestückte Reiseapotheke mit ausreichend Medikamenten, auch Notfallmedikamenten, deren Inhalt mit dem Arzt abgesprochen ist, trägt viel zu einem entspannten Urlaub bei. Hilfreich ist ein Notfallausweis oder die nötigsten Daten wie z.B. Diagnose, Medikation und vor allem Telefonnummern der Eltern als Hintergrundbild auf dem Smartphone des Kindes zu speichern.

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