Fortschritte in der Neurologie: Von FUS-ALS-Genotyp-Phänotyp-Korrelationen bis hin zu KI-gestützter MS-Behandlung und Innovationen in der Medizintechnik in Frankreich

Die Neurologie erlebt derzeit bedeutende Fortschritte in verschiedenen Bereichen. Diese reichen von einem tieferen Verständnis der genetischen Grundlagen neurologischer Erkrankungen wie Amyotropher Lateralsklerose (ALS) bis hin zur Entwicklung innovativer Behandlungsansätze für Multiple Sklerose (MS) unter Einsatz künstlicher Intelligenz (KI). Darüber hinaus spielen technologische Innovationen und staatliche Förderprogramme eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft der Medizintechnik, insbesondere in Ländern wie Frankreich.

FUS-ALS: Genotyp-Phänotyp-Korrelationen und klinische Relevanz

Mutationen im Fused in Sarcoma (FUS)-Gen sind die vierthäufigsten Ursachen für familiäre ALS in Westeuropa. Diese Mutationen können zu einem frühen oder sehr späten Krankheitsbeginn führen. FUS-Aggregation, DNA-Reparaturdefizienz und genomische Instabilität tragen zur Pathophysiologie von FUS-ALS bei. Eine aktuelle Studie untersuchte Genotyp-Phänotyp-Korrelationen und Malignitätsraten in einer neu zusammengestellten FUS-ALS-Kohorte.

Methoden

Die Studie umfasste eine Querschnittsanalyse von Patientenakten einer multizentrischen FUS-ALS-Kohorte mit 36 neuen Fällen sowie eine Metaanalyse veröffentlichter FUS-ALS-Fälle, um die größte Genotyp-Phänotyp-Korrelation zu ermitteln.

Ergebnisse

Das Alter bei Krankheitsbeginn (Median 39 Jahre, Spannweite 11-80 Jahre) korrelierte positiv mit der Krankheitsdauer. Mutationen in der C-terminalen Domäne wurden in 90 % der Fälle gefunden. Die P525L-Mutation sowie trunkierende/Frameshift-Mutationen führten häufig zu juvenilem Beginn, schnellem Krankheitsverlauf und atypischer ALS, oft verbunden mit einer negativen Familienanamnese. Die R521-Mutation war hingegen mit einem späten Krankheitsbeginn und einem rein spinalen Phänotyp assoziiert. Malignome wurden bei einem von 40 Patienten festgestellt.

Interpretation

Die Studie liefert die bisher größte Genotyp-Phänotyp-Korrelation für FUS-ALS, was eine genauere Vorhersage des klinischen Verlaufs bei neu diagnostizierten Patienten ermöglicht.

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KI-gestützte Behandlung der Multiplen Sklerose

Künstliche Intelligenz (KI) hat sich in der Medizin als vielversprechender Hoffnungsträger etabliert. Sie soll auch bei der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) helfen. Die Europäische Kommission fördert im Rahmen der Innovative Health Initiative (IHI) das Projekt CLAIMS mit fast zehn Millionen Euro. An diesem Projekt sind 15 Partner aus neun verschiedenen Ländern beteiligt, darunter die Ruhr-Universität Bochum, vertreten durch das Institut für Neuroradiologie im St. Josef-Hospital.

CLAIMS-Projekt

Das CLAIMS-Projekt, das als prestigeträchtig gilt und über einen Zeitraum von vier Jahren läuft, zielt darauf ab, einen Datenpool in visualisierter Form aufzubauen. Dieser Pool integriert radiologische Befunde, klinisch-neurologische Daten und labortechnische Ergebnisse, um Ärzten einen schnellen Zugriff zu ermöglichen und personalisierte Behandlungsperspektiven zu eröffnen.

Bedeutung der Magnetresonanztomographie (MRT)

Die Magnetresonanztomographie (MRT) spielt eine entscheidende Rolle bei der Behandlung der Multiplen Sklerose. Durch die Verknüpfung von MRT-Daten mit klinischen Daten und Laborbefunden wird die Aussagekraft der MRT erhöht und somit ihr Wert gesteigert.

Herausforderungen bei MS und der Nutzen von KI

Der Krankheitsverlauf von MS ist sehr unterschiedlich, was allgemeingültige Aussagen erschwert. Aus diesem Grund wird Multiple Sklerose oft als "Krankheit der 1000 Gesichter" bezeichnet. Das CLAIMS-Konsortium, bestehend aus icometrix (Projektleitung), Nocturne und der AALTO-Universität, verfügt über umfangreiche Erfahrung im Bereich der KI-basierten Bildanalyse und Prognosemodellierung für MS. Die Charité in Berlin koordiniert das Projekt.

Medizintechnikmarkt in Frankreich: Innovation und Herausforderungen

Der französische Medizintechnikmarkt ist hochentwickelt, stark reguliert und auf Kosteneffizienz sowie Innovation ausgerichtet. Trotz hoher internationaler Konkurrenz und Kostendrucks bleibt der Markt aufgrund seiner Größe und seines Wachstumspotenzials attraktiv.

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Marktdaten und Wachstumspotenzial

Frankreich ist nach Deutschland der zweitgrößte Markt für medizintechnische Produkte in Europa. Im Jahr 2024 erreichte der Sektor ein Volumen von knapp 19 Milliarden Euro, mit steigender Tendenz. Eine alternde Bevölkerung mit hoher Lebenserwartung führt zu einem steigenden Bedarf an Medizintechnik. Für die Jahre 2024 bis 2028 wird ein jährliches Marktwachstum von 6 Prozent prognostiziert, wodurch das Marktvolumen bis 2028 auf 22,8 Milliarden Euro ansteigen soll.

Importabhängigkeit und deutsche Beteiligung

Obwohl Frankreich über eine eigene Medizintechnikbranche und eine lebendige Start-up-Szene verfügt, ist das Land in weiten Bereichen auf Importe angewiesen. Der deutsche Medizintechniksektor ist in Frankreich gut positioniert und der zweitwichtigste Lieferant nach den USA. Große Unternehmen wie B. Braun, Dräger, Siemens Healthineers und Hartmann haben eigene Produktionsstätten in Frankreich.

Politische Unsicherheit und Reformen

Das französische Gesundheitssystem kämpft mit Schwierigkeiten, insbesondere mit chronisch defizitären Sozialkassen und Sparzwängen. Politische Unsicherheiten und Regierungswechsel seit 2024 verzögern wichtige Förder- und Reformprogramme wie den "Ségur du numérique en santé" (Digitale Gesundheitsversorgung).

Innovationsförderung und staatliche Unterstützung

Trotz Sparzwängen will Frankreich seine Position als führendes Land im Bereich hochinnovativer Gesundheitstechnologien ausbauen. Der Fördertopf "Plan Innovation Santé 2030" mit einem Volumen von 7,5 Milliarden Euro bietet finanzielle Rückendeckung. Davon ist eine Milliarde Euro für den Medizintechniksektor reserviert, insbesondere für digitale Anwendungen und Hilfsmittel.

Herausforderungen und Zulassungsverfahren

Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft begrüßen die Förderpolitik, betonen aber die schwierigen Rahmenbedingungen in Frankreich. Zulassungsverfahren für neue Anwendungen und Technologien sind komplex und langwierig. Insbesondere bei digitalisierten Anwendungen sind die Genehmigungsvorgaben noch nicht vollständig ausgereift. Die Erstattungssätze für Medizintechnik und telemedizinische Anwendungen sind im europäischen Vergleich niedrig.

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Digital Health in Frankreich: Ambitionen und Realität

Frankreich strebt eine internationale Führungsposition im Bereich Digital Health an. Der Staat unterstützt die Digital Health-Szene durch steuerliche Anreize und Innovationsprogramme wie France 2030 Santé Numérique.

E-Health-Infrastruktur und Digitalisierungsinitiativen

Der Staat treibt die Entwicklung einer E-Health-Infrastruktur voran. Die 2023 - 2027 Digital Healthcare Roadmap zielt darauf ab, in Frankreich eine eigene E-Health-Industrie mit internationalem Führungsanspruch zu etablieren. Die elektronische Patientenakte "Mon Espace Santé" wurde eingeführt, jedoch nutzen sie bisher nur etwa 22 Prozent der französischen Bevölkerung. Die Anwendung Doctolib hat mit 50 Millionen Nutzern mehr Erfolg.

Telemedizin und Erstattung

Telemedizinische Dienstleistungen werden allmählich zum Alltag, jedoch werden sie insbesondere im ländlichen Raum weniger genutzt als erhofft. Das Erstattungssystem von telemedizinischen Leistungen befindet sich noch im Entwicklungsstadium.

Chancen und Entwicklungspotenziale

Digitale Zwillinge, Plattformen für die Längsschnittüberwachung von Patienten in der Onkologie, mobile, hybride, multimodale und bildgesteuerte Therapieverfahren sowie Anwendungen auf der Basis von miniaturisierten Sensoren mit künstlicher Intelligenz bieten Entwicklungspotenziale. Generative, sprachbasierte KI-Anwendungen sollen den administrativen Pflege- und Behandlungsalltag erleichtern.

Starke Branchenszene und deutsche Unternehmen

Frankreich verfügt über eine starke und schnell wachsende Unternehmens- und Start-up-Szene im Bereich E-Health und KI. Deutsche Unternehmen sind in Frankreich gut vertreten.

Lokaler Markt und Erstattungspolitik

Gerade international aktive Unternehmen produzieren in Frankreich eher für den Export als für den heimischen Markt. Ein langes und komplexes Zulassungsverfahren sowie eine restriktive Erstattungspolitik wirken abschreckend.

Kooperationen und Forschungsprojekte

Die Ruhr-Universität Bochum ist Partner eines europaweiten Verbundprojekts zur KI-gestützten Behandlung von MS. Prof. Dr. Markus Schwaninger von der Universität zu Lübeck erhält zusammen mit Forschern aus Frankreich und Spanien einen Synergy Grant des Europäischen Forschungsrates für ein Forschungsprojekt zur Rolle von Tanyzyten für ein gesundes Altern.

Das Lille University Hospital ist der Sponsor der klinischen Studie ABOS / DIABOMICS (Biological Atlas of Severe Obesity). Die strategische Partnerschaft zwischen Evotec, Inserm, dem Lille University Hospital und Inserm Transfert zielt darauf ab, neuartige multimodale therapeutische Ziele zu identifizieren.

Endovaskuläre Therapie bei Schlaganfallpatienten mit Vor инвалидностью

Eine Studie untersuchte die Ergebnisse der endovaskulären Therapie (EVT) bei Patienten mit großem Gefäßverschluss (LVO) in einem erweiterten Zeitfenster, wobei Patienten mit und ohne Vorerkrankung verglichen wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass ein beträchtlicher Teil der Patienten mit spätem LVO und Vorerkrankung nach EVT wieder das vorherige mRS-Score erreichte.

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