Stars sind auch nur Menschen - ein Satz, der besonders im Kontext von Gesundheit und Krankheit an Bedeutung gewinnt. Ob Rock-Legende Tina Turner, die gegen Darmkrebs kämpfte, oder Bruce Willis, der an Demenz leidet: Krankheiten machen auch vor Prominenten nicht halt. Immer häufiger gehen sie mit ihren Erkrankungen an die Öffentlichkeit, um Tabus zu brechen und anderen Betroffenen Mut zu machen.
Demenz: Eine wachsende Herausforderung
Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust geistiger Fähigkeiten einhergehen. Die Alzheimer-Krankheit ist die bekannteste Form und macht etwa 60-70 % aller Demenzfälle aus. Weltweit leben über 55 Millionen Menschen mit Demenz, und jährlich kommen fast 10 Millionen neue Fälle hinzu. In Deutschland sind aktuell etwa 1,8 Millionen Menschen betroffen, Tendenz steigend. Prognosen zufolge könnten es bis 2050 über 2,8 Millionen sein.
Neben diesen nüchternen Zahlen wird das Thema immer dann besonders greifbar, wenn prominente Persönlichkeiten betroffen sind. Im Jahr 2022 wurde bekannt, dass Schauspieler Bruce Willis an Aphasie leidet. Wenig später bestätigte seine Familie, dass er eine frontotemporale Demenz (FTD) entwickelt hat. Auch andere Prominente haben mit Demenz- oder Alzheimer-Diagnosen das Thema stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt - darunter der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan, der 1994 seine Alzheimer-Erkrankung öffentlich machte.
Frontotemporale Demenz (FTD): Eine seltene Form der Demenz
Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine seltene neurologische Erkrankung, die etwa 5 % aller Demenzen ausmacht. Sie betrifft tendenziell jüngere Menschen und beginnt meist vor dem 65. Lebensjahr. Bei der FTD sterben Nervenzellen im Frontallappen (Stirnlappen) und Temporallappen (Schläfenlappen) im Gehirn ab. Diese Hirnregionen steuern Gefühle, Sozialverhalten und Sprache.
Symptome der FTD
Die Symptome der FTD können sehr unterschiedlich sein und mit anderen neurologischen Erkrankungen überlappen. Typisch sind eine langsam fortschreitende Persönlichkeitsveränderung, Verhaltensstörungen und ein Verlust sozialer Fähigkeiten. Je nachdem, welche Hirnregion besonders oder zumindest zuerst betroffen ist, sind auch die Symptome gelagert. Typische Anzeichen der FTD sind Teilnahmslosigkeit, enthemmtes Verhalten oder Sprachprobleme.
Lesen Sie auch: Der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und frontotemporaler Demenz
Verhaltensvariante (bvFTD)
Die Verhaltensvariante der FTD (bvFTD) zeigt sich durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit. Die erkrankte Person wirkt „anders“, obwohl das Gedächtnis oft noch gut funktioniert. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:
- Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
- Apathie: Früher Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
- Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
- Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
- Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
- Fehlende Einsicht: Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.
Primär Progressive Aphasie (PPA)
Bei der zweiten Hauptform, der Primär Progredienten Aphasie (PPA), können die Sprache und das Sprechen früh gestört sein. Erkrankte haben Wortfindungs- und Verständnisstörungen. Das führt im Verlauf zu einem angestrengt wirkenden Sprachstil. Es gibt drei verschiedene Formen der PPA, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:
- Semantischer Typ: Menschen mit dieser Form verlieren nach und nach das Verständnis für Wörter.
- Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger.
- Logopenischer Typ: Bei dieser Form fällt es den Betroffenen schwer, die richtigen Worte zu finden.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen für die FTD sind noch nicht abschließend geklärt. Bei der Frontotemporalen Demenz ist der Frontallappen des Gehirns und/oder der Schläfenlappen betroffen. In den betroffenen Nervenzellen lagern sich häufig krankhafte Proteine ab, die die Zellfunktion stören. Solche Ablagerungen wurden erstmals vom Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben und heißen deshalb "Pick'sche Körper". Früher wurde die FTD auch als Morbus Pick bezeichnet.
Familiäre Vorbelastung erhöht das Risiko. Bei ungefähr 10 Prozent aller Betroffenen lässt sich eine genetische Ursache nachweisen. Diese folgen einem sogenannten autosomal-dominanten Erbgang. Weitere Risikofaktoren, die für die frontotemporale Demenz spezifisch sind, wurden noch nicht abschließend geklärt.
Diagnose der FTD
Die Frontotemporale Demenz wird häufig nicht sofort erkannt. Besonders bei der Verhaltensvariante ähneln die Symptome oft einer psychischen Erkrankung. Da es derzeit kein einzelnes Verfahren gibt, das FTD eindeutig nachweisen kann, erfolgt die Diagnose in mehreren Schritten:
Lesen Sie auch: Ein umfassender Leitfaden zur frontotemporalen Demenz
- Anamnese: Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte und prüft grundlegende kognitive Fähigkeiten.
- Befragung der Angehörigen: Besonders bei der Verhaltensvariante sind Einschätzungen aus dem Umfeld entscheidend.
- Bildgebende Verfahren: Mithilfe von MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar gemacht werden.
- Neuropsychologische Tests: Diese erfassen spezifische Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten.
- Genetische Untersuchungen: Liegen in der Familie weitere Fälle von FTD vor, kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.
Behandlung und Umgang mit FTD
Bislang ist keine Heilung der frontotemporalen Demenz möglich. Es gibt zurzeit keine speziellen Medikamente, um die Kognition oder Sprache bei frontotemporaler Demenz zu verbessern. Medikamentös behandeln lassen sich Symptome wie Depression, Apathie, vermehrte Unruhe und Erregung oder aggressives Verhalten.
Insbesondere Betroffene mit einer primären Sprachstörung sollten Logopädie erhalten. Für kognitive und sprachliche Trainings gibt es auch erste digitale Anwendungen. Man sollte daher frühzeitig die Pflegebedürftigkeit des erkrankten Menschen prüfen und klären, wie sich pflegende Angehörige oder Ehrenamtliche unterstützen lassen können. Pflegende sollten sich frühzeitig Hilfe suchen, wenn sie seelisch mit der Situation nicht zurechtkommen oder leichte Niedergestimmtheit (Depression) bei sich feststellen. Um den Umgang im Alltag zu erleichtern und mehr über die seltene Erkrankung frontotemporale Demenz zu erfahren, gibt es Informations- und Beratungsangebote sowie Selbsthilfegruppen.
Prominente Fälle und ihre Bedeutung
Der Fall Bruce Willis hat die FTD in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Durch seine Bekanntheit wird das Bewusstsein für diese seltene Krankheit geschärft. Andere prominente Fälle wie der von Ronald Reagan (Alzheimer) oder Michael J. Fox (Parkinson) haben ebenfalls dazu beigetragen, das Tabu rund um neurodegenerative Erkrankungen zu brechen.
Für die Erforschung einer seltenen Krankheit sind prominente Patienten ein Glücksfall: Sie ziehen Aufmerksamkeit und oft hohe Summen an Spendengeldern an.
Forschung und Therapieansätze
Die Forschung zur FTD konzentriert sich auf das Verständnis der Ursachen und Mechanismen der Erkrankung sowie auf die Entwicklung von Therapien. Ein vielversprechender Ansatz ist die Gentherapie, die darauf abzielt, genetische Defekte zu korrigieren, die zur FTD beitragen.
Lesen Sie auch: Therapieansätze für frontotemporale Demenz
Ein Beispiel ist die Forschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, die sich mit der GRN-vermittelten FTD beschäftigt. Diese Form der FTD wird durch den Verlust einer Kopie des GRN-Gens verursacht, das für das Protein Progranulin codiert. Die Forscher haben eine Gentherapie entwickelt, die das fehlende Protein einbringt und so die Krankheit verhindern oder zumindest abschwächen könnte.
Leben mit Demenz: Unterstützung für Betroffene und Angehörige
Demenz ist eine Erkrankung, die nie nur die Betroffenen selbst betrifft. Familienmitglieder und enge Bezugspersonen übernehmen meist die Pflege - emotional, organisatorisch und oft auch finanziell. Besonders schwierig ist für Angehörige der „lange Abschied“. Während der Körper des Patienten oft noch über Jahre funktioniert, verändert sich die Persönlichkeit schrittweise. Erinnerungen, gemeinsame Erlebnisse und vertraute Kommunikationsformen gehen verloren.
Es ist wichtig, dass Angehörige sich frühzeitig Hilfe suchen, um eine dauerhafte Überlastung zu verhindern. Selbstpflege und Unterstützung von außen - etwa durch Selbsthilfegruppen, professionelle Beratung oder Kurzzeitpflegeangebote - sind daher entscheidend.
Tipps für den Alltag mit FTD
Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es viele kleine Dinge, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig aktiv bleiben:
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert Durchblutung und Stoffwechsel im Gehirn.
- Geistige Aktivität: Kognitive Herausforderungen stimulieren das Gehirn und können neuronale Reserve fördern.
- Soziale Kontakte: Gute Gespräche, gemeinsame Erlebnisse oder einfach Nähe - soziale Kontakte geben Halt und tun dem Gehirn gut.
tags: #frontotemporale #demenz #prominente #fälle