Frühe Diagnose von Alzheimer: Methoden und Perspektiven

Die Alzheimer-Demenz stellt eine der größten Herausforderungen im Bereich der Neurodegeneration dar. Weltweit sind mindestens 50 Millionen Menschen betroffen. Da unser Wissen über die Entstehung der Krankheit noch lückenhaft ist, können bisher nur die Symptome behandelt werden. Um die klinische Forschung voranzutreiben und Patienten effektiver zu behandeln, ist es unerlässlich, Methoden zu entwickeln, die Alzheimer-Demenz bereits vor dem Auftreten von Symptomen erkennen können. Eine frühe Diagnose ist sehr wichtig, da es Medikamente gibt, die einige Symptome abschwächen können. Falls es bald wirksame Medikamente geben sollte, die den Krankheitsverlauf verlangsamen können, dann wäre es umso besser, je früher mit der medikamentösen Behandlung begonnen wird.

Herausforderungen und Ziele der Früherkennung

Die meisten Demenzerkrankungen beginnen schleichend und bleiben oft lange unbemerkt. Die Suche nach relevanten körperlichen Frühwarnzeichen, den sogenannten Biomarkern, ist deshalb besonders wichtig für die Frühdiagnose. Als Biomarker bezeichnen wir biologische Merkmale, wie beispielweise spezielle Blutwerte oder die Körpertemperatur, die auf normale oder krankhafte körperliche Prozesse hindeuten. Zusätzlich zu den Biomarkern werden verlässliche Methoden benötigt, mit denen diese quantifiziert werden können, um die Schwere der Erkrankung zu bestimmen.

Das Ziel der Früherkennung ist es, Menschen vor den gravierenden Folgen einer Demenz zu bewahren, idealerweise in Verbindung mit effektiven Therapien. Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld ist die korrekte Abgrenzung von Demenzerkrankungen. Während die Alzheimer-Krankheit mittlerweile sehr gut zu Lebzeiten eindeutig diagnostiziert werden kann, sind andere, seltenere Demenzen diagnostisch nach wie vor eine Herausforderung, zum Beispiel die Frontotemporale Demenz oder die Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE), die durch Kopfverletzungen hervorgerufen wird. Hier kann oft erst eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod endgültig Gewissheit bringen.

Aktuelle Diagnosemethoden

Wenn sich das Gedächtnis oder andere kognitive Fähigkeiten dauerhaft und auffällig verschlechtern, ist die erste Anlaufstelle meist die hausärztliche Praxis. Zunächst findet ein Anamnese-Gespräch statt: Die Ärztin oder der Arzt fragt nach aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenten und möglichen Risikofaktoren. Im Anschluss an das Gespräch folgt eine allgemeine körperliche Untersuchung.

Kognitive Tests

Kognitive oder auch neuropsychologische Tests können wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Demenzerkrankung geben. Das heißt, das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit, die Sprache und verschiedene andere höhere Hirnfunktionen werden untersucht. Das sind Tests, die mit dem Stift auszufüllen sind oder am Computer. Ein ausführlicher Gedächtnistest, den wir in der Gedächtnisambulanz machen, ist, dass man 15 Wörter lernen muss und zwar fünfmal hintereinander und dass danach eine zweite Wortliste gelernt wird, auch mit 15 Wörtern und dass danach - nach weiteren 20 Minuten - nach der ersten Wortliste nochmal gefragt wird.

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Einige Beispiele:

  • Alzheimer-Krankheit: Der Nachweis bestimmter Proteine (Amyloid-beta, Tau) im Nervenwasser oder Blut kann die Diagnose absichern. Für eine Behandlung mit Leqembi ist dieser Nachweis eine zentrale Voraussetzung.
  • Frontotemporale Demenz: Bildgebende Verfahren (MRT) sind besonders wichtig, um den für diese Form typischen Abbau im Stirn- oder Schläfenlappen zu erkennen. Bei unklarem Befund können PET- oder SPECT-Untersuchungen sinnvoll sein. Bei familiärer Vorbelastung wird eine genetische Beratung empfohlen.
  • Lewy-Körperchen-Demenz: Hier helfen zusätzliche Untersuchungen, etwa zur Beweglichkeit oder zum Schlafverhalten. Auch spezielle bildgebende Verfahren wie DAT-SPECT oder MIBG-Szintigrafie können zum Einsatz kommen. Typische Symptome wie Halluzinationen oder Schwankungen in der Aufmerksamkeit werden gezielt abgefragt oder getestet.
  • Vaskuläre Demenz: Die Diagnose basiert auf MRT-Aufnahmen, die Durchblutungsstörungen, Gefäßveränderungen oder Schlaganfälle zeigen. Wichtig ist dabei, ob sich die Veränderungen im Gehirn mit den beobachten kognitiven Einschränkungen erklären lassen. Auch medizinische Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes werden bei der Abklärung einbezogen.

Auch psychologische Testverfahren können helfen, Demenzformen voneinander zu unterscheiden.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Die Magnetresonanztomographie (MRT) - kurz MRT oder auch „Kernspintomographie“ - kann helfen, eine Alzheimer-Demenz zu diagnostizieren und früh zu erkennen. Die MRT ist ein so genanntes bildgebendes Verfahren, das ohne Röntgenstrahlen auskommt. In der MRT-Röhre wird ein sehr starkes Magnetfeld erzeugt, das die Kerne von Wasserstoffatomen dazu bringt, sich im Magnetfeld auszurichten. Wenn das Magnetfeld seine Richtung ändert, folgen die Kerne mit ihrer Ausrichtung. Dadurch entsteht eine Spannungsänderung, die gemessen werden kann. Aus den Daten lässt sich ein Bild erzeugen. Die MRT ist das Verfahren, mit dem sich Weichteile besonders gut darstellen lassen.

Allerdings sind diese Hirnveränderungen selbst für einen erfahrenen Radiolog:in im frühen Stadium der Erkrankung nur sehr schwer zu erkennen. Auch das gesunde Gehirn unterliegt im Laufe des Lebens gewissen Alterungsprozessen. Diese sind jedoch im Vergleich zu denen der Alzheimer Erkrankung erheblich schwächer und in anderen Bereichen des Gehirns ausgeprägt. Dadurch könnten Unterschiede des regionalen Hirnvolumens ein frühes Anzeichen einer Erkrankung sein.

Bewertung der MRT zur Früherkennung

Das wissenschaftliche Team des IGeL-Monitors bewertet die MRT-Untersuchung zur Früherkennung einer Alzheimer-Demenz mit „tendenziell negativ“. Diese Bewertung gilt für Menschen, die sich geistig fit fühlen. Es wurden keine Studien gefunden, die untersucht haben, ob eine Früherkennung am Ende den Patienten nützt oder schadet. Ein Nutzen ist auch nicht zu erwarten, da bislang nicht gezeigt werden konnte, dass eine frühe Therapie im Vergleich zur späten Therapie das Fortschreiten einer Demenz aufhalten kann. Dafür ist ein Schaden möglich, da sich nur jede zweite frühe, leichte Demenz zu einer späte, schweren Demenz entwickelt.

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Wer jedoch geistig fit ist, muss die MRT als IGeL selbst bezahlen. Eine MRT-Untersuchung des Gehirns kostet in der Regel zwischen 260 und 580 Euro.

Bluttests

Dank der Fortschritte in der Forschung ist es mittlerweile möglich, die Alzheimer-Krankheit auch per Bluttest zu erkennen. Allerdings können Bluttests die etablierten Diagnoseverfahren bislang noch nicht ersetzen. Forscher des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetzes Demenzen haben einen neuen Bluttest für die Alzhei-mer-Erkrankung entwickelt. Mit ihm weisen sie spezielle Proteine nach - die ß-Amyloidpeptide (AßPeptide). Aß-Peptide spielen eine Schlüsselrolle für die Entstehung des Morbus Alzheimer.

Diffusion Tensor Imaging (DTI)

Einige wissenschaftliche Arbeitsgruppen setzen auf spezielle Blutuntersuchungen, um einen Morbus Alzheimer möglichst früh zu erkennen. Dr. Harald Hampel von der Psychiatrischen Klinik und Dr. Stefan Schönberg von der Radiologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München arbeiten im Kompetenznetz Demenzen mit. Sie beschreiten einen anderen viel versprechenden Weg: Die Forscher haben die Kernspintomographie so weiterentwickelt, dass sie bereits kleinste, für die Alzheimer-Erkrankung typische Veränderungen des Gehirns entdecken können. Die von ihnen angewendete Untersuchungstechnik, das so genannte Diffusion Tensor Imaging (DTI), macht auf Schnittbildern des Gehirns den Untergang von Nervenfasern sichtbar. DTI registriert die Beweglichkeit von Wassermolekülen im Gewebe. In Hirnregionen mit zugrunde gegangenen Nervenzellen bewegen sich die Moleküle anders als in gesundem Gewebe.

Innovative Forschungsansätze

Wissenschaftler:innen des Forschungszentrums Jülich verfolgen derzeit verschiedene Ansätze zur Erforschung verschiedener Biomarker der Alzheimer Erkrankung.

sFIDA-Methode

Da das Auftreten der Oligomere eines der frühesten Vorzeichen sein könnte, konzipierten die Wissenschaftler:innen des Instituts für Biologische Informationsprozesse (IBI-7) einen Test, mit dem diese Oligomere in Körperflüssigkeiten wie Blut oder Hirnwasser nachgewiesen werden sollen. Der Ablauf der sogenannten sFIDA („surface-based fluorescence intensity distribution analysis“) Methode ist schematisch in Bild 3 und in Video 1 dargestellt. Zunächst wird die zu untersuchende Probe auf eine Glasplatte gegeben, auf der sich bereits ein bestimmtes Protein (Protein 1) befindet. Dieses Protein bindet an eine ganz bestimmte Stelle des Aβ (Schlüssel-Schloss-Prinzip). So bleiben nur die Aβ-Oligomere und Monomere auf der Glasplatte zurück und werden infolgedessen von anderen in der Probe enthaltenen Partikeln getrennt. Als Nächstes wird ein weiteres Protein (Protein 2), welches mit einem Farbstoff (grüne Sterne) markiert ist, zu der Probe hinzugefügt. Dieses bindet an dieselbe Stelle wie das Protein im vorherigen Schritt und macht somit nur die Aβ-Oligomere sichtbar.

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Maschinelles Lernen zur Analyse von MRT-Daten

Wissenschaftler:innen des INM-7 entwickeln derzeit innovative Ansätze des maschinellen Lernens (d.h. Algorithmen), mit denen frühe Alzheimer-typische Hirnveränderungen identifiziert werden können, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind. Hierfür nutzen sie die Hirnscans von mehreren Hundert gesunden und an Alzheimer erkrankten Personen. Anhand dessen bestimmen die Wissenschaftler:innen das individuelle Volumen von über 100 Hirnregionen - und das für jede einzelne Person. Bemerkenswert war, dass der entwickelte Algorithmus in 91% der Fälle den Gesundheitszustand einer Person nur anhand ihres Hirnscans korrekt klassifizieren konnte. Es hat sich herausgestellt, dass das gemeinsame Zusammenspiel der Volumina verschiedener Hirnregionen für die korrekte Bestimmung des Gesundheitsstatus entscheidend ist.

neotivCare-App

Das Team am DZNE entwickelte deswegen gemeinsam mit der Universität Magdeburg und dem Magdeburger Start-Up neotiv eine App, die darauf ausgelegt ist, die Frühzeichen der Erkrankung zu erkennen und somit eine rechtzeitige Intervention zu ermöglichen. Die App namens „neotivCare“ enthält eine Reihe sensibler kognitiver Tests, die spezifische Gehirnregionen ausleuchten und auf subtile kognitive Veränderungen hinweisen. Patienten und Patientinnen können die Tests in ihrer eigenen Zeit und Umgebung durchführen, was den Aufwand für Arztbesuche und aufwändige Tests reduziert.

RT-QuIC-Methode

Dazu versucht sie die „Real-Time Quaking induced Conversion” (RT-QuIC), die zur Diagnose von Prionkrankheiten wie der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit genutzt wird, auch für die Diagnose der Alzheimer-Krankheit anwendbar zu machen. Sowohl bei Prionkrankheiten als auch bei der Alzheimer-Krankheit spielen fehlgefaltete Proteine eine zentrale Rolle. Mit der RT-QuIC-Methode lassen sich fehlgefaltete Proteine vervielfältigen, so dass auch geringste Proteinmengen messbar werden. Bei Prionkrankheiten liefert die Methode sehr exakte Ergebnisse.

Medikamentöse Therapieansätze

Ein großes Problem: In der medikamentösen Therapie der Alzheimer-Krankheit gab es bisher keine die Ursachen bekämpfenden Wirkstoffe, lediglich gegen die Nebenwirkungen der Krankheit. Zwei vielversprechende Medikamente, die kürzlich die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf sich gezogen haben, sind Lecanemab und Donanemab. Sowohl Lecanemab als auch Donanemab sind jedoch Wirkstoffe, die ausschließlich an Menschen mit Alzheimer im frühen Stadium gerichtet sind, wenn Symptome die Alltagstätigkeiten der Betroffenen noch wenig beeinträchtigen.

Die Rolle des Hausarztes

Im Grunde ist ja der erste Ansprechpartner der Hausarzt und das sollte auch so sein. Der Hausarzt, der sensibilisiert ist, der untersucht selber. Wenn die Symptome ganz leicht sind, so dass wir im Alltag, wenn wir mit einem Menschen sprechen, der über seine Vergesslichkeit redet, gar nicht das nachvollziehen können und denken: 'Naja, der wirkt doch eigentlich sehr fit und ganz normal', dann muss man ausführlicher untersuchen.

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