„Da ist ein Schatten auf der Lunge“ - dieser Satz ist vielen Lungenkrebspatienten bekannt. Lungenkrebs, eine der häufigsten Todesursachen, entsteht oft durch krebserregende Stoffe, die das Erbgut schädigen. Obwohl die Zahl der Raucher sinkt, bleibt Rauchen der Hauptrisikofaktor. Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 53.000 Menschen an Lungenkrebs.
Entstehung und Arten von Lungenkrebs
Lange Zeit galt jeder Tumor in der Lunge als „Lungenkrebs“. Mikroskopische Gewebeanalyse (histologische Untersuchung) ermöglichte jedoch die Unterscheidung in zwei Hauptformen:
- Kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC): Betrifft etwa 15 % der Patienten.
- Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC): Betrifft etwa 85 % der Patienten.
Heute weiß man, dass Lungenkrebs durch verschiedene Mutationen ausgelöst werden kann. Bei allen Mutationen ist das Prinzip der Krebsentstehung ähnlich: Ein mutiertes Gen verändert ein Protein, das dann nicht mehr richtig funktioniert. Diese Proteine sind oft dauerhaft aktiv, was zu unkontrollierter Zellteilung und Tumorbildung führt.
Molekulargenetische Marker
Molekulargenetische Marker beschreiben eine Krebsart genauer und sind besonders wichtig im fortgeschrittenen Stadium. Sie dienen als Basis für die Entwicklung zielgerichteter Wirkstoffe, die eine personalisierte Behandlung ermöglichen. Allerdings gibt es nicht für jeden bekannten Marker ein passendes Medikament. Für NSCLC sind verschiedene Marker bekannt, darunter ALK und ROS1, die häufiger bei jüngeren Patienten vorkommen.
ALK- und ROS1-Genfusionen
ALK (Anaplastische Lymphomkinase) und ROS1 sind zwei molekulargenetische Marker mit Gemeinsamkeiten. Beide kommen vor und sind eher bei jüngeren Patienten zu finden. Die onkogene Veränderung ist bei beiden eine Genfusion, daher spricht man von ALK- bzw. ROS1-Fusions-positivem NSCLC. Genfusionen gelten als starke onkogene Treiber. Bei einer Genfusion verschmilzt ein Teil des eigentlichen Gens (ALK oder ROS1) mit einem anderen Gen. Dieses kombinierte Gen kann dazu führen, dass ein neues Protein, ein sogenanntes Fusionsprotein, gebildet wird, das ständig aktiv ist und letztlich einen Tumor entstehen lässt. Auch wenn sich molekulargenetische Marker ähneln, ist zur Behandlung des Krebses in der Regel ein jeweils individueller, zielgerichteter Wirkstoff erforderlich.
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Bedeutung für Therapie und Prognose
Molekulargenetische Marker sind entscheidend für die Wahl der richtigen Therapie und die Prognose. Daher sollte bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC eine umfassende Testung auf bekannte Marker erfolgen. Krebsarten, die durch starke onkogene Treiber ausgelöst werden, neigen zu schnellerem Wachstum und Metastasierung, insbesondere ins Gehirn.
Hirnmetastasen: Wenn Lungenkrebs ins Gehirn streut
Hirnmetastasen sind besonders gefürchtet, da sie mit Wahrnehmungseinschränkungen, Konzentrationsstörungen, Bewegungsproblemen und Persönlichkeitsveränderungen einhergehen können. Sie treten häufig bei Lungenkrebspatienten auf, wobei die genauen Ursachen noch unklar sind.
Je nach Krankheitsstadium haben 31-71 % der Patienten mit ALK-Fusions-positivem NSCLC Metastasen im Gehirn. Auch Patienten mit ROS1-Fusions-positivem Lungenkrebs sind oft betroffen: Bis zu 40 % haben bereits bei der Diagnose Hirnmetastasen. Bei fortschreitendem Krebs ist das Gehirn bei 47 % der ROS1-positiven Patienten die erste und einzige Metastasierungsstelle.
Die Blut-Hirn-Schranke
Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) kontrolliert den Stoffaustausch zwischen Gehirn und Blut und schützt das Gehirn vor schädlichen Substanzen. Daher ist es wichtig, dass zielgerichtete Wirkstoffe auch im Gehirn wirken und die BHS überwinden können. Viele Wirkstoffe werden jedoch schnell wieder aus dem Gehirn ausgeschleust. Allerdings stehen bereits Therapieoptionen zur Verfügung, die sowohl in der Lunge als auch im Gehirn wirken.
Forschende gehen davon aus, dass die BHS ab einer Hirnmetastasen-Größe von 1 bis 2 Millimetern nicht mehr intakt ist.
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Symptome von Hirnmetastasen
Zu Beginn verursachen Hirnmetastasen oft keine Symptome. Erst wenn sie größer werden oder in empfindlichen Hirnregionen auftreten, lösen sie Beschwerden aus. Mögliche Symptome sind:
- Anhaltende Kopfschmerzen
- Neurologische Funktionsstörungen (z. B. Lähmungen)
- Kognitive Störungen (z. B. Gedächtnisstörungen, Stimmungsschwankungen)
- Sprachstörungen
- Veränderungen beim Sehen, Riechen, Hören oder Tasten
- Krampfanfälle
- Müdigkeit bis hin zu Bewusstseinsstörungen
- Übelkeit, Erbrechen
Spezialisten sind bei Verdacht auf Hirnmetastasen Neurologen, Onkologen und Radioonkologen.
Diagnose von Hirnmetastasen
Bei Verdacht auf Hirnmetastasen werden in der Regel folgende Untersuchungen durchgeführt:
- MRT (Magnetresonanztomografie) des Gehirns: Genaue Darstellung des Gehirns und der Metastasen.
- CT (Computertomografie) des Gehirns: Weniger empfindlich als MRT, aber eine Alternative, falls MRT nicht möglich ist.
- Biopsie (Probeentnahme): Bei unklarem Ursprungskrebs zur Sicherung der Diagnose.
Behandlung von Hirnmetastasen
Die Behandlung von Hirnmetastasen ist sehr individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Ursprungskrebs, der Anzahl der Metastasen, dem Allgemeinzustand des Patienten und seinen Begleiterkrankungen.
Die Ziele der Behandlung sind:
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- Linderung der Symptome
- Verzögerung des Tumorwachstums
- In seltenen Fällen Entfernung der Metastasen
Behandlungsmethoden
- Operation: Bei einzelnen, gut erreichbaren Metastasen.
- Strahlentherapie:
- Radiochirurgie (Gamma-Knife, Cyber-Knife): Zerstörung von Metastasen durch gezielte Bestrahlung.
- Ganzhirnbestrahlung: Bei mehreren Metastasen.
- Stereotaktische Bestrahlung: Gezielte Bestrahlung der Metastase(n) unter Schonung des umliegenden Gewebes.
- Medikamentöse Tumortherapie:
- Chemotherapie: Wirkt im gesamten Körper, aber die Wirkung im Gehirn ist oft begrenzt.
- Zielgerichtete Therapien und Immuntherapie: Können bei bestimmten Krebsarten sehr effektiv sein.
- Symptomlindernde Therapie: Kortison gegen Schwellungen, Schmerzmittel, Antiepileptika.
Fortschritte in der medikamentösen Therapie
Dank der Fortschritte in der Entwicklung von zielgerichteten Therapien ist es mittlerweile auch möglich, Hirnmetastasen medikamentös zu behandeln und nicht nur per Operation oder Bestrahlung. Zielgerichtete Therapien, Immuntherapien und Antihormontherapien konnten in Studien das Überleben von bestimmten Patientengruppen deutlich verlängern. Wissenschaftler arbeiten intensiv an der Entwicklung neuer Krebsmedikamente, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden können.
Ein weiterer Ansatz ist ein PI3K/mTOR-Inhibitor, der hirngängig gemacht wurde (GNE-317). Mithilfe der In-vivo-Zweiphotonen-Mikroskopie stellten die Wissenschaftler um Winkler fest, dass auch Mikrometastasen und „schlafende“ Hirnmetastasen von Melanomen damit angreifbar sind (4). Zwar fanden die Untersuchungen im Tiermodell statt, aber die Autoren schreiben, dass niedermolekulare Inhibitoren, die die BHS passieren können, „vielversprechende Substanzen sind, Hirnmetastasen bei Patienten zu verhindern beziehungsweise zu behandeln“. Untersucht wird die Substanz bereits bei Patienten mit Glioblastom (5).
Antiangiogenese im Gehirn
Da die Angiogenese gerade bei Lungenmetastasen im Gehirn eine so entscheidende Rolle spielt, untersuchten Winkler und sein Team Substanzen, die die Gefäßneubildung hemmen. Eine der (bei anderen Indikationen) zugelassenen Angiogenese-Inhibitoren ist Bevacizumab, ein Antikörper gegen den Gefäßwachstumsfaktor VEGF.
Leben mit Hirnmetastasen
Die Diagnose Hirnmetastasen ist psychisch belastend. Betroffene und ihre Angehörigen müssen zudem damit rechnen, dass sich die Krankheitssituation und damit auch der gesundheitliche Zustand rasch ändern können. Psychologische und sozialrechtliche Beratung sowie Selbsthilfegruppen können Unterstützung bieten.
Prognose
Die Prognose bei Hirnmetastasen ist abhängig vom Ursprungskrebs und dem Allgemeinzustand des Patienten. Oft ist eine vollständige Heilung nicht mehr möglich. Sowohl Operation als auch Bestrahlung können jedoch die Lebensdauer verlängern. Regelmäßige Verlaufskontrollen bei verschiedenen Spezialisten sind wichtig, um neue Symptome oder Probleme frühzeitig zu erkennen und die Therapie anzupassen.
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