Migräne ist mehr als nur ein gewöhnlicher Kopfschmerz - es handelt sich um eine komplexe neurologische Erkrankung, die sich durch wiederkehrende, meist starke Kopfschmerzen äußert. Diese können von einer Vielzahl weiterer neurologischer und vegetativer Störungen begleitet werden und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Eine besondere Form der Migräne ist die Migräne mit Lähmungserscheinungen, auch bekannt als hemiplegische Migräne oder komplizierte Migräne.
Was ist Migräne mit Lähmungserscheinungen?
Die sehr seltene hemiplegische Migräne ist gekennzeichnet durch motorische Ausfälle in Kombination mit mindestens einem weiteren Aura-Symptom, etwa einer visuellen Störung. Lähmungen eines oder mehrerer Gliedmaßen zusammen mit Lichtblitzen sind Beispiele für einen Anfall der hemiplegischen beziehungsweise komplizierten Migräne, genau wie Kopfschmerzen nach der Aura.
Unterschied zur "normalen" Migräne
Die hemiplegische Migräne unterscheidet sich von „normaler“ Migräne. Im Gegensatz zu den bekannteren Formen treten hier Muskelschwäche und eine Aura auf.
Symptome der hemiplegischen Migräne
Während eines Anfalls der hemiplegischen Migräne können folgende Beschwerden auftreten:
- Visuelle Aura mit Flackern, Lichtblitzen oder Gesichtsfeldausfällen; teilweise mit Sehverlust
- Sensible Störungen, zum Beispiel Taubheitsgefühle oder Kribbel-Missempfindungen
- Sprachprobleme
- Beschwerden der Basilaris-Migräne wie Schwindel oder Tinnitus
- Lähmungen der Arme oder Beine
Alle diese Merkmale, die zusätzlich zu motorischen Ausfällen bei einer hemiplegischen Migräne erscheinen können, sind reversibel und gehen daher mit dem Ende der Migräne-Attacke zurück. Während Aura-Symptome wie Lichtblitze oder Sprachstörungen nach 5 bis 60 Minuten komplett verschwinden, dauern die motorischen Probleme in der Regel bis zu 72 Stunden an.
Lesen Sie auch: Gesichtslähmung bei Migräne: Was Sie wissen müssen
Kopfschmerzen entstehen in der Regel nach den Aura-Symptomen. Möglich ist aber auch, dass sie gar nicht oder schon davor auftreten.
Formen der hemiplegischen Migräne
Innerhalb der hemiplegischen Migräne wird zwischen zwei Patiententypen unterschieden:
- Familiäre hemiplegische Migräne (FHM): Betroffene haben innerhalb der Familie einen Verwandten ersten oder zweiten Grades, der ebenfalls an der komplizierten Migräne leidet. Die Ausprägung der Symptome kann innerhalb der Familie variieren und es betrifft oft bereits Kinder und junge Erwachsene. Die häufigste Ursache der familiären hemiplegischen Migräne ist eine Mutation (Veränderung) in den Genen FHM1, 2 oder 3. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Vererbt wird das Gen autosomal-dominant.
- Sporadische hemiplegische Migräne (SHM): Patienten leiden an der hemiplegischen Migräne und besitzen keinen Verwandten mit gleichen Beschwerden. Bei dieser Variante der komplizierten Migräne kommen nur in 10 bis 20 Prozent der Fälle Mutationen des FHM-Gens vor. Für die restlichen Fälle gibt es noch keine ausreichenden Daten. Die Patienten leiden meistens schon als Kind unter den Beschwerden. Hinzu kommen dann oft anhaltende Begleitsymptome wie Epilepsie.
Die Diagnose einer familiären hemiplegischen Migräne ist im Gegensatz zur sporadischen hemiplegischen Migräne etwas einfacher, da häufig mehrere Familienmitglieder betroffen sind. Dadurch können die Anzeichen genauer zugeordnet werden. Weisen keine Verwandten derartige Symptome auf, ähneln die Merkmale der komplizierten Migräne (zum Beispiel Lähmungen und Sehstörungen) ebenfalls einem Schlaganfall oder anderen neurologischen Störungen.
Ursachen der Migräne
Die Ursachen für Migräne sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Familien- und Zwillingsstudien legen nahe, dass 42 Prozent aller Migräne-Erkrankungen genetisch bedingt sind, wobei die verantwortlichen Gene größtenteils nicht bekannt sind. Nach der vaskulären Hypothese werden die Kopfschmerzen durch eine Erweiterung der Blutgefäße im Kopf verursacht. Bei einem Großteil der Betroffenen werden die Migräneanfälle von sogenannten Triggerfaktoren ausgelöst. Hierbei handelt es sich um Faktoren oder Einflüsse, die bei entsprechender Veranlagung eine Attacke anstoßen und von Patient zu Patient unterschiedlich sind.
Häufige Triggerfaktoren
- Stress & emotionale Belastungen (Eintritt der Migräne meist in der Entspannungsphase danach)
- Hormonelle Schwankungen im Laufe des Zyklus (menstruationsbedinge Migräne/hormonelle Migräne) oder aufgrund der Einnahme von Hormonpräparaten (z.B. Anti-Baby-Pille)
- Schlafmangel & Veränderungen des Schlaf-Wachrhythmus
- Unregelmäßiger Tagesablauf, wie Auslassen von Mahlzeiten (Unterzuckerung/Hungerzustand)
- Alkohol, Nikotin, bestimmte Nahrungsmittel (z.B. Käse) & Schwankungen des Koffeinspiegels bei regelmäßigem Kaffeegenuss
- Wetter- und Höhenveränderungen
- Licht, Lärm oder starke Gerüche
Ein Migräne-Tagebuch kann helfen, die individuellen Auslöser besser zu erkennen und infolgedessen dazu beitragen, die Anfalls-Häufigkeit zu reduzieren.
Lesen Sie auch: Vergleichende Analyse: Migräne vs. Epilepsie
Genetische Ursachen im Detail
Bei einer sogenannten familiären hemiplegischen Migräne (also einer Migräne die mit zeitweisen Lähmungserscheinungen einhergeht), ist das verantwortliche Gen auf dem Chromosomen 19 zu finden. Angenommen wird, dass durch diese genetische Veränderung die Wahrnehmung von inneren und äußeren Reizen besonders intensiv verarbeitet werden. Drei Typen dieser seltenen Migräneform werden seit kurzem unterschieden: FHM-1, FHM-2 und FHM-3. Von der FHM betroffene Patienten erleiden während der Migräneattacke eine u. U. komplette Halbseitenlähmung (daher der Name - hemi - halb, Plegie = Lähmung), die für 30-60 Minuten, in einigen Fällen sogar mehrere Stunden andauern kann.
- FHM-1: Hier liegt ein inzwischen identifizierter Gendefekt zugrunde auf Chromosom 19 p13, der eine Untereinheit eines Hirn-spezifischen P/Q-Kalzium-Kanals kodiert (CACNL1A4). Dieser Kalziumkanal wird fast ausschließlich im Kortex, Thalamus, Hirnstamm und Kleinhirn exprimiert. Die Beeinträchtigung der Alpha-Untereinheit des Kalziumkanals verursacht eine erhöhte Öffnungsfrequenz (sog. Gain-of-function-mutation) mit einer konsekutiven unphysiologischen Erhöhung des Kalzium-Einstroms in die Zelle. Mittlerweile sind 14 verschiedene Mutationen dieses Gens bekannt. Interessanterweise können einigen dieser Mutationen spezifische phänotypische Besonderheiten zugeordnet werden. So leiden einige Patienten mit eine spezifischen Mutation gleichzeitig noch unter einer Störung der Bewegungskoordination (Ataxie, episodischer Ataxie Typ 2) oder unter vermehrtem Zittern (Tremor). Kürzlich konnte ferner gezeigt werden, dass die Mutation auf Chromosom 19 auch spontan vorkommen können. Eine fehlende Familienanamnese schließt die Diagnose daher nicht aus.
- FHM Typ 2: Hier liegt ein Gendefekt auf Chromsom 1 (1q23) zugrunde. Dieses Gen kodiert für eine spezifische Natrium-/ Kaliumpumpe, welche ebenfalls nur cerebral vorkommt. Pathophysiologisch führt diese Mutation jedoch zu einer verminderten Aktivität der Pumpe unter spezifischen Bedingungen (sog. Loss-of-function-Mutation).
- FHM Typ 3: Diese Form entsteht durch einen Gendefekt auf Chromosom 2, der einen Natrium-Kanal codiert. Diese Form der Migräne ist sehr selten, präsentiert sich klinisch jedoch als sehr dramatisch, so dass diese Patienten nicht selten auf eine neurologische Intensivstation gebracht werden, weil ein Schlaganfall vermutet wird.
Diagnose
Im Gespräch mit einem Facharzt kann eine Migräne aufgrund der Krankheitsanzeichen meist eindeutig erkannt werden. Bei dem Gespräch frägt der Arzt beispielsweise nach den Symptomen, der Häufigkeit der Migräneanfalle, nach begleitenden Symptomen oder dem Medikamentenkonsum. Auch die Dauer der Migräneattacke ist ein wichtiges Merkmal zur Abgrenzung der Migräne von anderen Kopfschmerzarten. Bildgebende Verfahren können bei der Migräne-Diagnostik helfen.
Therapie der Migräne
Migräne ist eine chronische Erkrankung die an sich nicht heilbar ist - sie kann jedoch so gut behandelt werden, dass die Lebensqualität der Betroffenen weniger eingeschränkt ist. Bewährt hat sich hierbei eine Kombination von medikamentösen und verhaltenstherapeutischen Strategien, da die Lebensführung einen Einfluss auf Stärke und Häufigkeit der Attacken hat.
Verhaltenstherapeutische Maßnahmen
Nicht-medikamentöse Maßnahmen, die eine Migräneattacke lindern können, sind:
- Rückzug in einen licht- und geräuscharmen Raum
- Sanfte Massage von Gesicht und Kopfhaut
- Kühlende Kompresse
- Schlaf
Weitere nicht-medikamentöse Maßnahmen, helfen zwar nicht bei einem akuten Anfall, können aber dazu beitragen, dass die Migräneanfälle seltener auftreten und schwächer ausfallen (siehe Vorbeugung).
Lesen Sie auch: Neurologische Expertise bei Migräne
Medikamente zur Behandlung einer Migräneattacke
Ein Großteil der Patienten profitiert von einer medikamentösen Behandlung der Migräneattacken, um den Kopfschmerz und die begleitenden Symptome zu lindern - die sogenannte Akuttherapie.
- Bei leichten bis mittleren Schmerzen kann ein Migräneanfall mit rezeptfreien Wirkstoffen behandelt werden, wie Ibuprofen 400 mg.
- Bei mittelschweren und schweren Migräneattacken können nach ärztlicher Erstdiagnose spezifische Migränemittel angewandt werden, die sogenannten Triptane. Diese haben die beste Wirksamkeit bei akuten Anfällen, wirken auch gegen Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen und sind die am besten untersuchten Wirkstoffe in der Akut-Therapie der Migräne. Idealerweise erfolgt die Einnahme zu Beginn der Kopfschmerzphase - Triptane können aber auch noch während einer Migräneattacke erfolgreich angewendet werden.
Migräneprophylaxe
Migränepatienten können selbst dazu beitragen, dass die Migräneanfälle seltener auftreten und schwächer ausfallen. Hier kommt vor allem der Vermeidung der individuellen Triggerfaktoren eine bedeutende Rolle zu, sofern diese bekannt sind.
Weiterhin haben sich die folgenden nicht-medikamentösen Strategien zur Vorbeugung einer Migräne als wirksam erwiesen:
- Moderate Ausdauersportarten wie Schwimmen, Joggen oder Fahrradfahren
- Entspannungsübungen wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR)
- Schmerzbewältigungstraining und Stressmanagement
Mit Mutterkraut HEUMANN steht den Patienten ein traditionell pflanzliches Arzneimittel zur Vorbeugung von migräneartigen Kopfschmerzen zur Verfügung.
Selbsthilfemaßnahmen
Migräneanfälle können auch bei einem und demselben Menschen in unterschiedlicher Stärke auftreten. Mal ist es eine leichte Attacke, mal eine sehr schwere. Ratsam ist es, bei aufkommender Migräne sofort Maßnahmen zu ergreifen und nicht erst abzuwarten.
Mögliche Selbsthilfemaßnahmen bei Migräne:
- Massieren Sie mit zwei Fingern entlang des Schmerzpunktes.
- Tragen Sie wenige Tropfen Pfefferminzöl auf Ihre Schläfen auf und kreisen Sie dort langsam in eine Richtung.
- Verdunkeln Sie Ihr Schlafzimmer und sorgen Sie für ausreichend Ruhe.
- Lagern Sie Ihren Kopf etwas höher im Bett und legen Sie ein Kühlakku (nur mäßige Kälte) auf Ihre Stirn.
- Versuchen Sie ruhig zu atmen.
- Ein frischer Ingwertee kann auch Abhilfe schaffen.
Neben diesen Selbsthilfemaßnahmen gibt es mittlerweile sehr gut helfende medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten einer Migräneattacke.
Migräne bei Kindern
Kinder können genauso von Migräne und Kopfschmerzen betroffen sein, wie es bei Erwachsenen der Fall ist. Auslöser sind meist Lärm, schlechte Luft, grelles Licht oder Hitze. Aber auch zu wenig Schlaf, körperliche Überanstrengung wie beim Sport oder in der Schule sowie eine ungünstige Körperhaltung können Kinder anfälliger machen. Weiterhin sind Lebensmittelunverträglichkeiten oder Belastungen mit Stress, Ängsten oder Sorgen ein möglicher Grund für die Migräneattacke.
Positiv ist, dass die Anfälle in den meisten Fällen deutlich milder ablaufen und die Kinder sich schneller erholen als Erwachsene. Es ist ratsam, zunächst auf eine nichtmedikamentöse Behandlung zurückzugreifen. Schaffen Sie eine ruhige und angenehme Umgebung für Ihr Kind, sodass der Körper die Möglichkeit hat, sich selbst zu regulieren. Sollten die Attacken öfter auftreten und eine medikamentöse Behandlung scheint sinnvoll zu sein, sprechen Sie mit dem Kinderarzt oder Kinderärztin. Die gängigen Arzneimittel für Migräne sind in der Dosierung auf einen Erwachsenen ausgerichtet und sollten in keinem Fall einfach von Kindern eingenommen werden. Versuchen Sie den Auslöser bei Ihrem Kind herauszufiltern und diesen zu vermeiden. Außerdem können Sie vorbeugend darauf achten, dass Ihr Kind genügend Schlaf bekommt, es sich an der frischen Luft bewegt und ausreichend trinkt. Weiterhin eignen sich auch viele Entspannungstechniken für Kinder, die Sie prima gemeinsam machen können. Gut zu wissen: Kinder können Schmerzen oftmals nicht richtig lokalisieren, vor allem je jünger sie sind. Dokumentieren Sie die Häufigkeit und Dauer der Kopfschmerzen und sprechen Sie mit Ihrem vertrauten ärztlichen Fachpersonal.
Präventionsmaßnahmen
Migräne ist bisher nicht heilbar, aber mittlerweile kann man durch eine medikamentöse Behandlung und verschiedene Präventionsmöglichkeiten die Attacken verringern und die Symptome mildern.
Zu den wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen zählen eine gesunde Lebensweise mit:
- regelmäßigen sportlichen Aktivitäten wie Joggen, Schwimmen oder Walken, im Idealfall an der frischen Luft.
- einer ausgewogenen und vitaminreichen Ernährung
- eine tägliche Flüssigkeitsversorgung von mindestens zwei Litern
- Bildschirme aller Art sind mit dem grellen Licht sehr anstrengend für unsere Augen. Verbringen Sie beruflich viel Zeit vor dem Laptop oder Handy, bauen Sie genug Pausen für Ihre Augen ein.
- Regelmäßigen Entspannungsübungen oder Entspannungstechniken.
tags: #Migräne #mit #Lähmungserscheinungen #Ursachen