Migräne ist eine neurologische Erkrankung, von der Millionen Menschen weltweit betroffen sind. In Deutschland leiden schätzungsweise zehn Millionen Menschen unter Migräne, mindestens drei Millionen sogar unter täglichen Kopfschmerzen. Die Symptome sind vielfältig und reichen von pochenden Kopfschmerzen über Übelkeit und Erbrechen bis hin zu extremer Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Während viele Betroffene mit Medikamenten und Änderungen des Lebensstils Linderung finden, suchen andere nach alternativen Behandlungsmethoden. Eine dieser Methoden ist die operative Durchtrennung von Nerven, die als Migräne-Chirurgie bekannt ist.
Ursachen und Auslöser von Migräne
Die genauen Ursachen von Migräne sind noch nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Es gibt keinen Zweifel mehr, dass es sich bei Migräne um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, bei der es zu Veränderungen in der Freisetzung von Transmittern, bei der Modulation schmerzverarbeitender Strukturen im Gehirn und zu Veränderungen der kortikalen Aktivität kommt.
Einige häufige Auslöser für Migräneattacken sind:
- Stress
- Hormonelle Veränderungen
- Bestimmte Lebensmittel und Getränke
- Schlafmangel
- Wetteränderungen
- Starke Gerüche oder Lärm
Die Theorie hinter der Migräne-Chirurgie
Die Idee hinter der Migräne-Chirurgie basiert auf der Theorie, dass in einigen Fällen bestimmte Muskeln oder Nerven im Kopf- und Nackenbereich auf Nervenäste drücken und so Migräne auslösen können. Diese sogenannten Triggerpunkte befinden sich häufig an Stirn, Schläfen oder Nacken. Durch die operative Entlastung dieser Nerven soll der Schmerz reduziert oder beseitigt werden.
Vor gut zehn Jahren begann Guyuron dem systematisch nachzugehen - und im Jahr 2000 stellte er Ergebnisse in einer Fachzeitschrift vor. Sein Fazit: Migräne lässt sich in manchen Fällen einfach wegoperieren.
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Verschiedene operative Verfahren
Es gibt verschiedene operative Verfahren, die im Rahmen der Migräne-Chirurgie eingesetzt werden. Einige der häufigsten sind:
- Corrugator-Operation: Bei diesem Eingriff wird der Musculus corrugator supercilii, ein kleiner Muskel über der Nasenwurzel, durchtrennt oder entfernt. Dieser Muskel ist für die Bildung der Zornesfalten verantwortlich. Die Theorie besagt, dass dieser Muskel bei manchen Menschen auf den Trigeminusnerv drückt und so Migräne auslösen kann. Um den Corrugator-Muskel zu entfernen, setzt der Arzt in der Augenlidfalte einen kleinen Schnitt, der später nicht mehr sichtbar ist. Der im Muskel liegende Nerv wird bei der Operation weder entfernt noch beschädigt.
- Dekompression von Nerven an Schläfen oder Nacken: Bei diesen Eingriffen werden Nervenäste an Schläfen oder Nacken freigelegt, um den Druck durch umliegendes Gewebe zu reduzieren. Per "Schlüsselloch-Chirurgie" - der Zugang geht über den behaarten Teil der Schläfe - wird ein weiterer Nervenast entlastet.
- Nasenmuschel-Reduktion: In einigen Fällen wird auch die untere Nasenmuschel entfernt, um Migräne zu behandeln.
- Magenbypass oder Magenband: Ärzte vom Miriam Hospital in Rhode Island berichten, wie sie schwer übergewichtigen Migränepatienten einen Magenbypass gelegt oder den Magen mit einem Band verkleinert haben.
Entscheidend dabei ist, dass die jeweiligen Stellen zuvor individuell ermittelt werden. Vor der Operation steht immer der Botox-Test, der die Wirksamkeit eines chirurgischen Eingriffs aufzeigt.
Der Ablauf einer Migräne-Operation
- Auswahl der Patienten: Nur wenige Patienten kommen für die Operation in Frage. Zunächst muss die Diagnose Migräne feststehen, Patienten müssen einen langen Leidensweg hinter sich haben. Eine Migräne gilt unter Befürwortern der Technik aber nur dann als operabel, wenn sie an einem von drei so genannten Triggerpunkten an Stirn, Schläfen oder Nacken ihren Ausgang nimmt.
- Botox-Test: Vor der Operation soll ein Test zeigen, bei wem das Skalpell in Frage kommt. Dazu spritzt der Arzt Botox in Stirn, Schläfe oder Nacken - je nachdem, wo die Attacken des Patienten beginnen. Die entsprechenden Muskeln erschlaffen, der Druck auf die Nerven lässt nach. Nur wenn sich die Migräne durch die Botox-Behandlung "dramatisch verbessert", legt der Arzt die Muskeln oder Nervenäste dauerhaft lahm.
- Die Operation: Die Operation selbst dauert in der Regel ein bis zwei Stunden und wird unter Vollnarkose durchgeführt. Der Chirurg setzt kleine Schnitte, um die Muskeln oder Nerven zu erreichen, die entlastet werden sollen.
- Nachsorge: Nach der Operation können Schmerzen, Schwellungen und Blutergüsse auftreten. Die meisten Patienten können jedoch innerhalb weniger Tage nach Hause gehen. Es ist wichtig, die Anweisungen des Arztes zur Nachsorge genau zu befolgen, um Komplikationen zu vermeiden.
Erfolgsaussichten und Risiken
Die Erfolgsaussichten der Migräne-Chirurgie sind umstritten. Einige Studien haben gezeigt, dass der Eingriff bei einem Teil der Patienten zu einer deutlichen Reduktion der Migräneattacken führen kann. In der Studie hat Guyuron 69 Patienten befragt, die er fünf Jahre zuvor operiert hatte. Bei 20 war der Kopfschmerz immer noch verschwunden, bei weiteren 41 Patienten trat er seltener und schwächer auf als vor der Operation. Sie litten im Durchschnitt nur noch viermal statt elfmal im Monat an einer Attacke, die dann nur acht statt 34 Stunden dauerte.
Inzwischen hat sich bei mehreren hundert Patienten gezeigt, wie die Migräne Operation auf lange Sicht wirkt: Rund 35 Prozent der Patienten waren auch ein Jahr nach der Operation komplett frei von Migränesymptomen. Die Attackenhäufigkeit und die Schmerzintensität hatte sich bei weiteren 55 Prozent mehr als halbiert.
Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die die Wirksamkeit der Methode in Frage stellen und die Erfolge auf einen Placebo-Effekt zurückführen. Zweifelsohne kommen bei der Migränechirurgie mehrere Faktoren zusammen, die die Hoffnung der Patienten beflügeln und so eine Placebowirkung hervorrufen können. Üblicherweise bessern sich in Studien mit Tabletten bei 20 Prozent der Patienten die Kopfschmerzen, selbst wenn die Pillen nur Zucker enthalten. Operationen aber sind mehr als alle anderen ärztlichen Maßnahmen dazu geeignet, Patienten die Gewissheit zu vermitteln, es müsse ihnen danach besser gehen. Die suggestive Kraft chirurgischer Verfahren sei viereinhalbmal so groß wie die von Tabletten.
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Wie bei jeder Operation gibt es auch bei der Migräne-Chirurgie Risiken. Zu den möglichen Komplikationen gehören:
- Infektionen
- Blutungen
- Nervenschäden
- Narbenbildung
- Veränderungen der Mimik
- Anästhesiebedingte Komplikationen
Kritik an der Migräne-Chirurgie
Viele Neurologen und Kopfschmerzexperten stehen der Migräne-Chirurgie kritisch gegenüber. Sie bemängeln vor allem die mangelnde wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit der Methode und warnen vor unkritischer Anwendung. Schon das Erklärungsmodell von den unter Druck stehenden Nerven hält er für unsinnig. Und die bisher von den Migränechirurgen vorgelegten Studien seien von so schlechter Qualität, dass sie keinesfalls als Beleg für die Wirksamkeit gelten könnten. Die Erfolge hält der Neurologe für einen Placeboeffekt.
Ein weiteres Argument der Kritiker ist, dass die Migräne eine hochkomplexe Erkrankung ist, die bis heute nicht wirklich verstanden ist. Medikamente könnten die Patienten jederzeit absetzen, wenn sie schwere Nebenwirkungen verursachen; doch eine Operation lasse sich nicht rückgängig machen, sollte es Komplikationen geben.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie warnt ausdrücklich vor einem Eingriff, bei dem ein Muskel in der Stirn durchschnitten wird. Diese Operation soll Patienten angeblich von Migräne befreien. »Bei der angepriesenen Methode handelt es sich um ein tragisches Beispiel der vorsätzlichen Körperverletzung, getarnt als vorbeugende Behandlung«, erklärt Professor Dr. Hans-Christoph Diener von der Abteilung Neurologie am Universitätsklinikum Duisburg-Essen.
Kosten und Verfügbarkeit
Die Kosten für eine Migräne-Operation liegen in der Regel zwischen 1.400 € und 5.000 €. Die Migräneoperation kostet rund 3500 Euro, für die Krankenkassen nur im Ausnahmefall aufkommen.
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In den USA werden mittlerweile in jeder Großstadt Operationen gegen Migräne vorgenommen. In Berlin hat Thomas Muehlberger ein Migräne-Chirurgie-Zentrum eröffnet und mehr als 500 Patienten operiert.
Alternative Behandlungsmethoden
Bevor eine Operation in Erwägung gezogen wird, sollten alle anderen konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft werden. Dazu gehören:
- Medikamente: Es gibt verschiedene Medikamente, die zur Behandlung von Migräne eingesetzt werden können, sowohl zur Akutbehandlung von Attacken als auch zur Vorbeugung.
- Änderungen des Lebensstils: Regelmäßiger Schlaf, eine gesunde Ernährung, ausreichend Flüssigkeit und sportliche Betätigung können helfen, Migräneattacken zu reduzieren.
- Entspannungstechniken: Stress ist ein häufiger Auslöser von Migräne. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder progressive Muskelentspannung können helfen, Stress abzubauen und Migräneattacken vorzubeugen.
- Botulinumtoxin (Botox): Botox kann zur Behandlung von chronischer Migräne eingesetzt werden. Dabei wird das Nervengift in Nacken- und Kopfmuskeln injiziert, was bei vielen Patienten zu einer Besserung führt. Daneben stehen konservative Methoden wie die Einspritzung von Botox® zur Verfügung, die den Muskel vorübergehend lähmen und somit ein Druckgefühl auf den Nerven vermindern soll. Dieser Effekt hält allerdings nur einige Wochen bis Monate an.
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