Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), das Gehirn und Rückenmark umfasst. In Deutschland sind schätzungsweise 130.000 Menschen von MS betroffen. Die Erkrankung manifestiert sich vielfältig, wobei Krankheitsbild und Verlauf individuell variieren. Die Diagnose MS ist oft ein Schock für Betroffene und Angehörige. Doch was bedeutet die Diagnose für Autofahrer? Müssen MS-Patienten ihren Führerschein abgeben? Können sie trotz der Erkrankung mobil bleiben?
Grundsätzlich beinhaltet die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) keine spezifischen Regelungen, die MS-Patienten vom Autofahren ausschließen. Es gibt zunächst keinen Grund, die Verkehrstauglichkeit bei MS infrage zu stellen. Allerdings liegt es in der Eigenverantwortung des Patienten, die Krankheit und ihren Verlauf realistisch einzuschätzen und auf das Autofahren zu verzichten, wenn der Gesundheitszustand eine Gefährdung für den Straßenverkehr darstellt.
Fahrtauglichkeit bei MS: Eine Frage der Eigenverantwortung
Mit dem Begriff „Fahrtauglichkeit“ wird die allgemeine Befähigung zum Führen eines Kfz im Straßenverkehr bezeichnet. Als MS-Erkrankter sind Sie selbst dafür verantwortlich sicherzustellen, dass Sie sich und andere im Straßenverkehr nicht gefährden. Patienten haben eine große Eigenverantwortung, wenn es darum geht, die eigene Fahrtauglichkeit einzuschätzen. Jeder, ob mit oder ohne MS, sollte deshalb regelmäßig selbstkritisch seine Fahrtauglichkeit hinterfragen und gegebenenfalls objektiv überprüfen lassen.
Einige Symptome der MS wie Sehbehinderungen, Spastiken oder Lähmungen können die Teilnahme am Straßenverkehr gefährden. Neben kognitiven Einschränkungen kommt es bei MS auch zu körperlichen Einschränkungen, die sich auf die Fahrtauglichkeit auswirken können. Hierzu gehören unter anderem Koordinationsstörungen, Lähmungserscheinungen sowie eine eingeschränkte Feinmotorik. Durchleben Sie einen akuten Schub, sollten Sie darauf verzichten, ein Fahrzeug zu fahren. Bei einem akuten Schub sollten Sie nicht Auto fahren.
Ärztliche Beratung und Gutachten
Haben Sie multiple Sklerose, möchten das Autofahren aber nicht aufgeben, sollten Sie sich regelmäßig mit Ihrem behandelnden Arzt austauschen und sich in festen Abständen und bei akuten Zweifeln untersuchen lassen. Beim Thema „MS und Autofahren“ sollten Sie also auf jeden Fall mit Ihrem behandelnden Arzt in stetigem Austausch stehen.
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Wenn Sie unsicher sind, ob Sie am Straßenverkehr teilnehmen sollten bzw. dürfen, können Sie sich an einen Verkehrsmediziner wenden. Er kann ihre Fahrtüchtigkeit prüfen und Ihnen eine medizinische Bescheinigung über Ihre Fahrtauglichkeit ausstellen. Viele Ärzte sind als Verkehrsmediziner tätig. Auch ein Neuropsychologe kann Ihre Fahreignung meist zuverlässig überprüfen. Dabei können Sie auch einen Neuropsychologen zu Rate ziehen, der Sie im Sinne einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) auf Eignung prüfen kann. Viele Ärzte führen die Zusatzbezeichnung „Verkehrsmediziner“. Auch diese können durch ihre Erfahrung helfen, Ihr Fahrvermögen einzuschätzen und Sie womöglich wegen einer Therapie beraten.
Es gibt die Möglichkeit, die Kfz-Tauglichkeit freiwillig bei einem Facharzt für Verkehrsmedizin oder beim TÜV-Süd prüfen zu lassen. Teilweise bieten dies auch Rehakliniken an. In beiden Fällen sollten die Kosten vorher erfragt werden. Das Ergebnis unterliegt der Schweigepflicht. Wenn das Gutachten positiv ausfällt, sollte diese schriftliche Bestätigung allerdings sinnvollerweise im Auto mitgeführt werden. Bei einer Fahrzeugkontrolle kann dadurch nachgewiesen werden, dass Sie als Fahrer verantwortlich mit dem Thema Fahrtauglichkeit umgehen. Begutachtungsstellen für Fahreignung geordnet nach Postleitzahlen finden Sie auf den Webseiten der Bundesanstalt für Straßenwesen unter www.bast.de.
Technische Hilfen und Fahrzeuganpassungen
Dank Fortschritten in der Technik und mit ausreichender Vorbereitung lässt sich die Behinderung, die durch MS beim Autofahren entstehen kann, einschränken. Auch Menschen mit einer körperlichen Behinderung müssen häufig nicht auf die Freiheit und Selbstständigkeit verzichten, die ein eigenes Auto bietet. Spezielle Fahrhilfen können eventuelle Defizite ausgleichen und erleichtern das Fahren. Wollen Sie trotz Behinderung mobil bleiben, können Sie einige Maßnahmen für leichteres Autofahren ergreifen.
Selbst wenn eine Einschränkung durch die MS auftaucht, wie beispielsweise eine verlangsamte Reaktion der Beinmuskulatur, gibt es Mittel und Wege, wie man trotz des Handicaps weiter Auto fahren kann. Fahrzeuge können nach den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen umgebaut werden, z.B. mit Liften, Gurtsystemen sowie Gas-, Brems- und Lenksystemen. Technisch ist fast alles möglich. Entscheidend ist jedoch, dass der Fahrzeugnutzer damit auch zurechtkommt. In bestimmten Fällen kann durch technische Veränderungen an Ihrem Fahrzeug die Verkehrssicherheit bei einer Beeinträchtigung wieder verbessert werden. Wenn Sie beispielsweise unter einem starken Zittern leiden (Tremor), können Sie von einem Lenkraddreizack profitieren.
Zum einen können Sie den Kauf eines Neuwagens bzw. Behindertenfahrzeugs, das Ihren Ansprüchen bei einem Leben mit Multipler Sklerose entspricht, erwägen. Aber auch Ihr eigenes Fahrzeug kann umgerüstet werden. Wenden Sie sich am besten an eine Fachwerkstatt, die auf solche Umbauten spezialisiert ist. Macht es die Behinderung notwendig, ein neues Auto anzuschaffen und/oder umzubauen, ist es daher ratsam, sich zunächst bei einem Fahrzeugumrüster zu informieren und sich genau zu überlegen, welche Zwecke das Auto erfüllen muss, beispielsweise ob und wenn ja, welche Hilfsmittel transportiert werden müssen. Als Nächstes empfiehlt es sich, eine geeignete Fahrschule zu suchen, die im besten Fall Erfahrung in der Ausbildung von Menschen mit neurologischen Erkrankungen hat. Denn mit dem umgebauten Auto sollte mindestens eine Probefahrt absolviert werden.
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So individuell und unterschiedlich, wie MS Symptome sein können, ob sie z.B. schubartig oder progredient verläuft, genauso individuell stellen wir uns auf Sie ein. Unsere einzigartige und zertifizierte Bedarfsermittlung ist genauestens darauf ausgelegt zu ergründen, welcher Umbau für Sie genau der richtige ist. Sehr oft haben wir festgestellt, dass weniger manchmal mehr ist. Häufig sind sogar, auch bei offensichtlich stärkeren Symptomen, nur kleine Hilfsmittel im PKW notwendig. Manchmal reicht ein Automatikgetriebe vollkommen aus, um das selbstständige Autofahren wieder zu ermöglichen.
Wenn Sie an Muskelschwäche leiden, empfiehlt sich zum Beispiel ein Auto mit Servolenkung. Sofern Sie ein Fahrzeug zum Erreichen Ihres Arbeitsplatzes oder zur Ausübung einer Tätigkeit benötigen, kann dies nach den Regeln der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung gefördert werden.
MS im Führerschein eintragen lassen?
Viele Betroffenen stellt sich die Frage, ob sie ihre MS in den Führerschein eintragen lassen müssen. Deine MS ist grundsätzlich kein Grund, das Auto stehen zu lassen. Jetzt fragst Du Dich vielleicht, ob Du Deine MS in den Führerschein eintragen lassen musst. Grundsätzlich muss eine Behinderung nicht in den Führerschein eingetragen werden, wenn man den Führerschein bei Eintritt der Behinderung schon besitzt. Eine Mitteilung der MS an die Führerscheinstelle ist nicht vorgeschrieben und sollte möglichst auch vermieden werden, da man sonst regelmäßig aufgefordert wird, seine Fahreignung auf eigene Kosten nachzuweisen.
Allerdings: MS-Symptome sowie die Einnahme von Medikamenten können zu einer eingeschränkten Fahrtüchtigkeit führen. Bist Du unsicher, ob Deine Symptome oder Deine MS-Behandlung Deine Fahrtüchtigkeit einschränken? Dann solltest Du zunächst mit Deinem Arzt darüber sprechen. Eventuell empfiehlt er Dir dann, Deine Tauglichkeit durch ein verkehrsmedizinisches Gutachten testen zu lassen. Ob Du dieses dann an die Straßenverkehrsbehörde weiterleitest, entscheidest Du selbst. Hierzu solltest Du wissen, dass Du, sobald Du einen Eintrag im Führerschein hast, regelmäßig aufgefordert wirst, Deine Fahrtauglichkeit durch medizinische Gutachten zu belegen. Der Eintrag hat aber auch Vorteile: Solltest Du - selbstverschuldet oder nicht - in einen Unfall verwickelt werden, kann der Unfallbeteiligte infrage stellen, ob Du aufgrund Deiner MS überhaupt fahrtüchtig bist.
Rechtliche Aspekte
Voraussetzung für das Fahren von Fahrzeugen ist allerdings, wie bei allen Fahrern, die Fahrtauglichkeit. Nach § 2 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) darf man am Straßenverkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass man andere nicht gefährdet. Die Pflicht der Vorsorge obliegt dem Verkehrsteilnehmer selbst oder einem für ihn Verantwortlichen. Bei Fahruntauglichkeit drohen sonst rechtliche Konsequenzen und der Verlust des Versicherungsschutzes.
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Bei Kontrollen oder Unfällen wird die Fahrtauglichkeit bei MS häufig angezweifelt, beispielsweise weil der Fahrer beim Aussteigen schwankt. Eine regelmäßige objektive Überprüfung etwa durch einen Neurologen oder Verkehrsmediziner und eine schriftliche Bescheinigung der Fahrtauglichkeit können Sicherheit geben. Vor allem, weil es oft schwierig ist, die eigene Fahrtüchtigkeit selbst richtig einzuschätzen.
Ärztliches Fahrverbot ist bindend. Attestiert die Ärztin oder der Arzt eine zeitweise Fahruntauglichkeit aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, müssen Verkehrsteilnehmende dem nachkommen. Das "ärztliche Fahrverbot" ist nicht gleichzusetzen mit einem vom Gericht oder der Fahrerlaubnisbehörde verhängten Fahrverbot. Wer jedoch gegen das ärztliche Fahrverbot verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, wenn er oder sie trotz fehlender Fahrtauglichkeit fährt, und macht sich (z.B. bei einem Unfall) strafbar, wenn andere Personen dadurch gefährdet werden. Bei einem Unfall drohen Geld- und sogar Freiheitsstrafen, wenn jemand verletzt oder im schlimmsten Fall getötet wird. Zudem kann die Kfz-Haftpflichtversicherung bereits an die Unfallgeschädigten ausgezahltes Geld zurückfordern; die Kaskoversicherungen können Leistungen kürzen oder verweigern.
Die Symptome der MS und ihre Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit
Das Krankheitsbild Multiple Sklerose (MS) zeigt sich in ganz unterschiedlichen Auswirkungen. Da das zentrale Nervensystem alle Funktionen in unserem Körper steuert, kann sich eine MS-Erkrankung auch auf fast alle Bereiche auswirken und so unterschiedliche Symptome hervorrufen. Daher gibt es auch nicht “das typische MS-Symptom”. In Abhängigkeit davon, welche Regionen im zentralen Nervensystem betroffen sind, können ganz unterschiedliche Symptome auftreten.
- Empfindungs- bzw. Sensibilitätsstörungen: Hände und Füße können sich taub anfühlen oder das Gesicht kribbelt. Das Zentrale Nervensystem empfängt über die Nervenbahnen Reize von außen. Die MS kann diese Reizweiterleitung stören. Das kann in der Folge dazu führen, dass Berührungen, Schmerzen oder Temperaturen zu stark, zu schwach oder gar nicht wahrgenommen werden.
- Gleichgewichtsstörungen: Unsere Bewegungen werden mit Hilfe der Muskeln durch Tätigkeiten bestimmter Gehirnareale gesteuert. Treten hier Störungen auf, kann es zur Folge haben, dass Betroffene Sprachprobleme haben, zittern oder unsicher gehen.
- Spastik: Durch eine eventuelle Schädigung der Nervenbahnen kann die normale Muskelspannung so stark erhöht sein, dass sich die Muskeln steif anfühlen, verkrampfen und zeitweise nicht zu kontrollieren sind.
- Sehstörungen: Zu den typischen Symptomen zählen eine eingeschränkte Sehschärfe, Doppelbilder, Störungen des Farbsehens oder Schmerzen beim bewegen der Augen. Doppelbilder verursachen zudem häufig Schwindel.
- Müdigkeit und Erschöpfung: Es kommt vor, dass eine ausgeprägte Erschöpfung und Müdigkeit bei geringster Anstrengung vorliegt.
- Blasenstörungen: Störung der Blasenkontrollfunktion.
- Schwierigkeiten beim Schlucken: Am Schluckvorgang beteiligen sich rund 25 Muskeln. Sind diese Muskeln von der MS betroffenen, treten Dysphagien (Schluckstörungen) auf. In der Folge verschluckt man sich oder muss bei der Nahrungsaufnahmen husten. Außerdem kann es auch zu einem übermäßigen Speichelfluss kommen. Demzufolge können Schluckbeschwerden zu Mangelernährung und einem Flüssigkeitsdefizit führen. Dies stellt sogar ein erhöhtes Risiko für Lungenentzündungen dar.
- Schmerzen: Schmerzen sind ein häufiges Symptom der MS. Sie können direkt durch die Nervenschädigung bedingt sein, aber auch die Folge von anderen MS-Symptomen, wie z.B. einer Spastik.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrationsschwäche, Probleme mit dem Gedächtnis oder der Aufmerksamkeit - jeder vierte MS Patient ist von einem dieser kognitiven Symptome betroffen.
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