Einführung
Herpes zoster, besser bekannt als Gürtelrose, ist eine Viruserkrankung, die durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht wird. Dieses Virus verbleibt nach einer Erstinfektion mit Windpocken (Varizellen) lebenslang in den Nervenzellen des Körpers. Obwohl der Verlauf der Gürtelrose in der Regel selbstlimitierend ist und meist 2-4 Wochen dauert, kann es in einigen Fällen zu Komplikationen kommen, insbesondere bei älteren Menschen und Personen mit geschwächtem Immunsystem. Eine der häufigsten und belastendsten Komplikationen ist die Post-Zoster-Neuralgie (PZN), die durch anhaltende Schmerzen im Bereich des zuvor betroffenen Hautareals gekennzeichnet ist. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung der Post-Zoster-Neuralgie (ICD-10).
Was ist Post-Zoster-Neuralgie (PZN)?
Circa 2-23 % aller Patienten mit Herpes zoster entwickeln eine Postherpetische Neuralgie (PHN; Synonym: Postzosterneuralgie, PZN; Nervenschmerz, der im Bereich auftritt, der von einer Gürtelrose betroffen war). Die Post-Zoster-Neuralgie (PZN) ist definiert als ein Nervenschmerz, der länger als drei Monate nach Abheilen des Herpes zoster besteht. Dieser anhaltende Schmerz kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
Das Risiko einer PHN steigt mit zunehmendem Alter an (> 50. Lebensjahr: 12 %; > 80. Lebensjahr: - 33 %).
Ursachen und Risikofaktoren
Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV)
Herpes zoster entsteht durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus, das nach einer Primärinfektion in den sensorischen Ganglien des Nervensystems verbleibt. Die "Latenz" des VZV wird durch die körpereigene VZV-spezifische Immunabwehr gewährleistet. Sobald die Kontrolle durch Alterungsprozesse (Immunseneszenz) oder eine Defizienz der zellulären Immunität bei malignen Lymphomen, HIV-Infektionen oder unter immunsuppressiver Therapie nachlässt, können die Viren erneut aktiv replizieren.
Risikofaktoren für die Entwicklung einer PZN
Zu den Risikofaktoren für die Entwicklung einer PZN gehören:
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- Höheres Lebensalter: Das Risiko einer PZN steigt mit zunehmendem Alter.
- Zoster ophthalmicus: Eine Gürtelrose, die das Auge betrifft (Zoster ophthalmicus) mit Keratitis oder intraokulärer Entzündung, erhöht das Risiko.
- Prodromaler Schmerz: Starke Schmerzen vor dem Auftreten des Hautausschlags können ein Risikofaktor sein.
- Weibliches Geschlecht: Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.
- Schwere des Zoster-Ausschlags: Die Entwicklung von > 50 Effloreszenzen oder hämorrhagische Läsionen erhöhen das Risiko.
- Kraniale/sakrale Lokalisation: Eine Gürtelrose im Kopfbereich oder im Bereich des Kreuzbeins ist ebenfalls ein Risikofaktor.
- Immunsuppression: Bei besonders schweren Verläufen eines Herpes zoster sollte an eine Immunsuppression oder eine Tumorerkrankung gedacht werden.
Epidemiologie
Gürtelrose ist eines der häufigsten akuten neurodermatologischen Krankheitsbilder. Sie kommt weltweit ohne saisonale Schwankungen der Inzidenz vor. Frauen erkranken häufiger als Männer.
Die Lebenszeitprävalenz beträgt weltweit 25-50%. Basierend auf Studien aus den Jahren 2002-2018 wird die kumulative Inzidenz auf 2,9-19,5 Fälle pro 1.000 Einwohner geschätzt.
Auffallend sind altersabhängige Schwankungen. Zwischen dem 10. und 49. Lebensjahr wird eine globale Häufigkeit von vier Erkrankungen pro 1.000 Personenjahre verzeichnet. Eine signifikant zunehmende Zahl der Zoster-Fälle ist bei Menschen über 50 Jahren zu beobachten. Nach dem 50. Lebensjahr erreicht die altersspezifische Inzidenz Werte von 5/1.000 Personenjahre für die 50- bis 60-Jährigen, 6-7/1.000 für die 70- bis 80-Jährigen und bis zu 10/1.000 Personenjahre für die über 90-Jährigen. Menschen, die das 85. Lebensjahr erreichen, erkranken mindestens einmal an Zoster.
Auf der Grundlage von Daten zur ambulanten Herpes zoster-Inzidenz aus Deutschland aus den Jahren 2007 und 2008 wurde die jährliche Zoster-Sterblichkeitsrate auf 0,29 (Frauen) und 0,10 (Männer) pro 100.000 Patientenjahre geschätzt.
Der demografische Wandel, insbesondere die steigende Lebenserwartung und die damit verbundene wachsende Anzahl älterer Menschen, lässt in Zukunft mit einem weiteren Anstieg der Zoster-Fälle und damit assoziierter Komplikationen wie der Post-Zoster-Neuralgie rechnen. Diese Entwicklung wird durch die ebenfalls steigende Zahl immunsupprimierter und organtransplantierter Menschen wie Tumor- und AIDS-PatientInnen verstärkt. Aktuell wird die Zahl der Erkrankungsfälle hierzulande auf etwa 400.000 pro Jahr geschätzt.
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Für die Europäische Union (EU) liegen die Schätzungen bei circa zwei Millionen Erkrankungsfälle pro Jahr. Mindestens 10% der Betroffenen müssen aufgrund einer Komplikation stationär aufgenommen werden.
Symptome der Post-Zoster-Neuralgie
Die PZN manifestiert sich durch neuropathische Schmerzen im betroffenen Nervenversorgungsgebiet. Häufig wird der Schmerz als brennend, stechend oder einschießend beschrieben.
Weitere Symptome können sein:
- Allodynie: Schmerzauslösung durch normalerweise nicht schmerzhafte Reize, wie z.B. leichte Berührungen.
- Hyperalgesie: Erhöhte Schmerzempfindlichkeit.
- Dysästhesie: Unangenehme, anormale Empfindungen.
- Parästhesie: Kribbeln, Taubheitsgefühl oder andere ungewöhnliche Empfindungen.
Die Schmerzen können konstant oder intermittierend auftreten und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Sie können zu Schlafstörungen, Depressionen, Angstzuständen und sozialer Isolation führen.
Diagnose
Die Diagnose einer PZN kann meist aufgrund von Anamnese und klinischem Bild gestellt werden. Wichtig ist, dass eine vorausgehende Zoster-Erkrankung anamnestisch festzustellen ist.
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Wenn eine vorausgehende Zoster-Erkrankung anamnestisch nicht festzustellen ist, dann ist bei entsprechender Symptomatik eine breitere differenzialdiagnostische Neuropathie-Abklärung notwendig, einschließlich Entzündungsparametern und Varizella-Zoster-Serologie in Blut und Liquor.
Differentialdiagnose
Es ist wichtig, andere Ursachen für neuropathische Schmerzen auszuschließen, insbesondere wenn keine klare Vorgeschichte von Herpes zoster vorliegt. Zu den möglichen Differentialdiagnosen gehören:
- Andere Neuropathien (z.B. diabetische Neuropathie)
- Nervenkompressionssyndrome
- Tumoren
- Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems
Therapie
Um eine Chronifizierung der Schmerzen zu vermeiden, wird eine frühestmögliche Behandlung in Form einer systemischen antiviralen Therapie, kombiniert mit einer konsequenten Analgesie und lokalen antiseptischen Behandlung angestrebt. Die Behandlung der PZN zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es gibt verschiedene Therapieansätze, die einzeln oder in Kombination eingesetzt werden können.
Medikamentöse Therapie
- Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI; z.B. Duloxetin, Venlafaxin) können neuropathische Schmerzen lindern.
- Antikonvulsiva: Gabapentin und Pregabalin sind Antikonvulsiva, die häufig zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden.
- Opioide: In schweren Fällen können Opioide (z.B. Tramadol, Oxycodon) zur Schmerzlinderung eingesetzt werden. Aufgrund des Suchtpotenzials sollten sie jedoch nur als letzte Option in Betracht gezogen werden.
- Topische Therapie: Lidocain-Pflaster und Capsaicin-Cremes können lokal schmerzlindernd wirken.
Für die medikamentöse Erstlinientherapie werden Antidepressiva oder Antikonvulsiva (Pregabalin oder Gabapentin) empfohlen. Ggf. kann auch eine topische Behandlung mit Lidocain- oder hochdosierten Capsaicin-Pflastern an erster Stelle stehen.
Nicht-medikamentöse Therapie
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): TENS kann helfen, Schmerzen zu lindern, indem es die Nerven stimuliert.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Beweglichkeit zu verbessern und Muskelverspannungen zu lösen.
- Psychotherapie: Psychotherapie kann helfen, mit den chronischen Schmerzen umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
- Akupunktur: Einige Studien deuten darauf hin, dass Akupunktur bei der Behandlung von PZN hilfreich sein kann.
Manche Betroffene profitieren von transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS). Besonders bei chronischen Verläufen ist eine multimodale Therapie mit psychoedukativen und -therapeutischen Elementen angezeigt. Bei sehr schweren therapieresistenten Verläufen evtl.
Invasive Verfahren
In einigen Fällen können invasive Verfahren wie Nervenblockaden oder Rückenmarkstimulation in Erwägung gezogen werden, um die Schmerzen zu lindern.
Prävention
Für Menschen ab dem 60. Lebensjahr empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) präventiv eine Impfung mit dem rekombinanten, adjuvantierten Herpes-zoster-Subunit (HZ/su)-Totimpfstoff Shingrix® als Standardimpfung.
Die Impfung gegen Gürtelrose kann das Risiko einer Erkrankung und die Entwicklung einer PZN deutlich reduzieren.
ICD-10-Code
Der ICD-10-Code für Post-Zoster-Neuralgie lautet B02.2†. Dieser Code wird in Verbindung mit einem weiteren Code verwendet, der die spezifische Lokalisation der Neuralgie angibt (z.B. G53.0* Krankheiten der Hirnnerven bei anderenorts klassifizierten Krankheiten, Neuralgie nach Zoster).
Fallbeispiele
- Fall 1: Eine 75-jährige Frau entwickelt nach einer Gürtelrose im Thoraxbereich eine PZN mit brennenden Schmerzen, die seit sechs Monaten bestehen. Die Schmerzen beeinträchtigen ihren Schlaf und ihre Lebensqualität erheblich. Die Patientin wird mit Gabapentin und einem trizyklischen Antidepressivum behandelt, was zu einer deutlichen Schmerzlinderung führt.
- Fall 2: Ein 62-jähriger Mann entwickelt nach einem Zoster ophthalmicus eine PZN mit starken Gesichtsschmerzen. Die Schmerzen sind so stark, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Der Patient wird mit Opioiden und topischen Schmerzmitteln behandelt, was jedoch nur zu einer geringen Schmerzlinderung führt. In diesem Fall wird eine Rückenmarkstimulation in Erwägung gezogen.
- Fall 3: Eine 80-jährige Frau entwickelt nach einer Gürtelrose eine PZN mit Allodynie. Sie kann keine Kleidung auf der betroffenen Hautstelle ertragen. Die Patientin wird mit Lidocain-Pflastern und Capsaicin-Creme behandelt, was zu einer deutlichen Reduktion der Allodynie führt.