Robotergestützte Therapie in der Schlaganfallrehabilitation: Aktuelle Studien und Erkenntnisse

Jährlich erleiden in Deutschland über 200.000 Menschen einen Schlaganfall. Ein wesentliches Ziel der Rehabilitation ist die Wiederherstellung der Gehfähigkeit sowie der Arm- und Handfunktion. Allerdings sind drei Monate nach dem Insult etwa ein Viertel der Patienten noch auf den Rollstuhl angewiesen, und bei etwa 60 Prozent ist die Ganggeschwindigkeit im Alltag relevant vermindert. Circa 30 Prozent der Patienten leiden unter einer funktionslosen oberen Extremität.

Traditionelle Therapieansätze und ihre Grenzen

In Deutschland ist die Bobath-Therapie vorherrschend, die auf eine Normalisierung des Muskeltonus und die Wiederherstellung physiologischer Bewegungsmuster abzielt. Studien zeigen, dass dieses Konzept im Vergleich zu anderen krankengymnastischen Techniken gleichwertig oder sogar unterlegen sein kann. Eine große Studie mit 282 akuten Patienten zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen der Bobath-Therapie und anderen Therapieansätzen.

Zur Intensivierung der Gangrehabilitation wurde in den 1990er-Jahren die Laufbandtherapie mit partieller Körpergewichtsentlastung eingeführt. Ein Nachteil ist jedoch der hohe körperliche Aufwand für die Therapeuten. Metaanalysen haben gezeigt, dass die Laufbandtherapie der konventionellen Therapie nicht überlegen ist.

Robotergestützte Rehabilitation als innovative Lösung

Um die Rehabilitation zu intensivieren und gleichzeitig die körperliche Überanstrengung der Therapeuten zu vermeiden, werden seit Ende der 1990er-Jahre Gangmaschinen eingesetzt. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich für die obere Extremität ab, insbesondere für schwer betroffene Patienten, die von traditionellen Programmen wie dem erzwungenen Gebrauch der betroffenen Hand oder Armfähigkeitstraining nicht profitieren können.

Die robotergestützte motorische Rehabilitation eröffnet neue Perspektiven für Schlaganfallpatienten. Sie ermöglicht eine Intensivierung der Therapie, ohne die Therapeuten zu überfordern. Die bisherigen Ergebnisse scheinen die Entwicklung trotz der nach wie vor mangelhaften Datenlage zu rechtfertigen.

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Methodische Übersicht

Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2007 suchte in Datenbanken wie PubMed/Medline, Embase und CINHAL nach Artikeln zum Thema roboter- und gerätegestützte Rehabilitation der oberen und unteren Extremität nach Schlaganfall, die zwischen 1980 und März 2007 erschienen waren.

Zur Beurteilung der Gehfähigkeit wird die "functional ambulation category" (FAC) von 0 bis 5 verwendet. Der Fugl-Meyer-Score (0 bis 66) dient zur Beurteilung der motorischen Kontrolle der oberen Extremität.

Ergebnisse der Gangrehabilitation

Die Bewegung der Beine beim Gehen variiert nur wenig und eignet sich daher gut für eine Geräteunterstützung. Hauptprobleme sind das Gewicht der Patienten und die Beschleunigung.

Exoskelett-Systeme

Colombo et al. entwickelten ein Exoskelett-System mit einem Laufband und einer Orthese, die dem Beinskelett nachempfunden ist. Eine Studie mit 30 akuten, nicht gehfähigen Schlaganfallpatienten zeigte jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Wiederherstellung der Gehfähigkeit und der Verbesserung der Ganggeschwindigkeit im Vergleich zur Physiotherapie.

Mayr et al. publizierten 2007 eine randomisierte und kontrollierte Crossover-Studie mit 16 Patienten. Die Ergebnisse zeigten zum Ende der ersten Phase keine signifikanten Unterschiede zwischen der Exoskelett-Therapie und der Physiotherapie, jedoch nach Ende der dritten Phase zugunsten der Exoskelett-Gruppe.

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Elektromechanische Gangtrainer

Hesse und Uhlenbrock entwickelten einen elektromechanischen Gangtrainer, der auf dem Endeffektor-Prinzip basiert. Die multizentrische Deutsche Gangtrainer-Studie (DEGAS) mit 155 akuten, nicht gehfähigen Schlaganfallpatienten zeigte, dass signifikant mehr Patienten der Lokomotionsgruppe selbstständig gehfähig wurden (53 % gegenüber 22 % in der Physiotherapiegruppe). Die Zunahme der Ganggeschwindigkeit war in der Lokomotionsgruppe ebenfalls signifikant größer. Auch sechs Monate später war die überlegene Gehfähigkeit in der Lokomotionsgruppe noch vorhanden.

Tong et al. untersuchten 50 akute, nicht gehfähige Patienten und stellten fest, dass sowohl die Gangtrainer-Gruppe als auch die Gruppe mit funktioneller Elektrostimulation im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikante Steigerung der Gehfähigkeit und Ganggeschwindigkeit erreichten.

Peurala et al. untersuchten bereits gehfähige Patienten im chronischen Stadium und fanden heraus, dass alle Patienten ihre Gehgeschwindigkeit und -ausdauer verbesserten, wobei es keine Unterschiede zwischen den Gruppen gab.

Mögliche Nebenwirkungen

Potenzielle Nebenwirkungen der gerätegestützten Gangrehabilitation sind die zu starke Belastung der Gelenke, insbesondere bei vorbestehender Arthrose, und die kardiovaskuläre Überforderung der Patienten.

Ergebnisse der Arm-/Handrehabilitation

Für die Arm-/Handrehabilitation wurden sieben kontrollierte Studien identifiziert.

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Endeffektor-basierte Systeme

Ein Pionier ist ein endeffektor-basiertes System des Massachusetts Institute of Technology (MIT), bei dem der Patient einen in der Horizontalebene beweglichen Roboterarm mit seiner Hand umfasst. Zwei Studien mit insgesamt 76 schwer betroffenen akuten Schlaganfallpatienten verglichen die Therapie mit dem Roboter mit einer Scheintherapie. Es ergab sich ein signifikant größerer Kraftzuwachs für die Schulter-Ellenbogen-Muskulatur in der experimentellen Gruppe.

Ein weiteres endeffektor-basiertes Gerät verfolgt einen bilateralen distalen Ansatz, bei dem jede Hand einen Griff umfasst. Eine Studie mit 44 akuten Schlaganfallpatienten mit einer plegischen Hand zeigte, dass die Experimentalgruppe nach Ende der Intervention und zum Follow-up eine signifikant bessere Kraft und Kontrolle motorischer Funktionen der paretischen oberen Extremität aufwies.

Masiero und Kollegen entwickelten einen Seilkinematikroboter, der das frühe Üben einer dreidimensionalen Schulter-Ellenbogen-Bewegung erlaubt. Eine Studie mit 35 Patienten ergab, dass die Robotergruppe einen signifikant größeren Zugewinn an motorischer Kontrolle und Kraft der oberen Extremität erzielte.

Studien mit chronischen Patienten

Chronische Patienten wurden mit drei Geräten in randomisierten, kontrollierten Studien untersucht. Ein Gerät erlaubt eine bilaterale Schulter-Ellenbogen-Bewegung, bei der die gesunde Seite führt und die betroffene Extremität folgt. Eine Studie mit 27 chronischen Patienten zeigte, dass die Robotergruppe ihre motorische Kontrolle und Kraft während der Intervention signifikant verbesserte.

Ein weiteres Gerät ist ein eindimensionales System, das den Arm in einer Schiene vor und zurück bewegt. Eine Studie mit 19 moderat betroffenen chronischen Patienten ergab, dass sich die Kraft der oberen Extremität zugunsten der Experimentalgruppe unterschied.

Ein passives Exoskelett-System mit fünf Freiheitsgraden wird in einer laufenden Studie mit chronischen Schlaganfallpatienten eingesetzt. Vorläufige Ergebnisse (n = 23) zeigen, dass die Armtrainergruppe einen signifikant größeren Zugewinn im Fugl-Meyer-Score erzielte.

Mögliche Nebenwirkungen

Eine potenzielle Nebenwirkung der Robotertherapie der oberen Extremitäten ist eine Überanstrengung der Gelenke und Sehnen.

Aktuelle Studien und Entwicklungen

Aktuelle Studien in Deutschland, wie die von Prof. Dr. Thomas Platz und Prof. Dr. Brigitte Stemmer, untersuchen die klinischen Effekte einer intensivierten ambulanten Armrehabilitation nach Schlaganfall und die Verbesserung der Spastik durch robotergestützte Intensivtherapie. Die Ergebnisse von Prof. Dr. Stemmer zeigen, dass es bei 70 % der behandelten Patienten zu einer Verbesserung des Tonus kam.

Das ROBMIT-Team setzt eine Software zur Robotersteuerung ein, um den betroffenen Arm zu bewegen und haptische Rückmeldungen durch die virtuelle Umgebung zu ermöglichen. Eine Pilotstudie evaluiert eine neuartige Therapie der Handsensorik bei Personen nach einem Schlaganfall mit Hilfe eines Roboters und eines Tablet-Computers.

Ergotherapie Laborn kombiniert eine robotergestützte Therapie mit einer ergotherapeutischen Standardtherapie zur Behandlung der Hand- und Fingerspastik. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Spannungszustand und die Spastizität von Hand und Finger im Rahmen einer kombinierten robotergestützten Intensivtherapie verbesserten.

Vorteile der robotergestützten Therapie

Die robotergestützte Therapie bietet mehrere Vorteile:

  • Intensivierung der Therapie: Roboter ermöglichen eine höhere Anzahl von Wiederholungen und eine längere Therapiedauer.
  • Unterstützung der Therapeuten: Roboter können Bewegungen unterstützen, die Patienten alleine nicht mehr ausführen können, und so die körperliche Belastung der Therapeuten reduzieren.
  • Individualisierung der Therapie: Die Therapieintensität und -dauer können individuell an den Patienten angepasst werden.
  • Präzise Belastungssteuerung: Roboter liefern messbare Trainings- und Entwicklungsdaten, die eine präzise Steuerung der Belastung ermöglichen.
  • Förderung der neuronalen Plastizität: Intensive Trainingsreize mit hohen Wiederholungszahlen können die neuronale Plastizität fördern und die Wiedererlangung verlorengegangener Funktionen unterstützen.
  • Verbesserung der Körperwahrnehmung: Roboter-gestütztes Gangtraining kann die Körperwahrnehmung verbessern und die Mobilisierung von Patienten mit Pusher-Symptomatik erleichtern.
  • Messung des Bewegungsverhaltens: Roboter können das Bewegungsverhalten und die motorische Erholung messen.

Herausforderungen und Ausblick

Trotz vielversprechender Ergebnisse gibt es auch Herausforderungen:

  • Kostenübernahme: Die Kosten für robotergestützte Therapie werden nicht immer von den Krankenkassen übernommen.
  • Verordnung: Gerätegestütztes Training für neurologische Indikationen ist nicht im Heilmittelkatalog aufgeführt und kann daher nicht explizit verordnet werden.
  • Individualisierung: Nicht jedes Gerät ist für jeden Patienten geeignet. Die Therapie muss individuell angepasst werden.
  • Transfer in den Alltag: Es ist wichtig, den Transfer der erlernten Funktionen in den Alltag zu fördern.

Für die Zukunft sind weitere Studien erforderlich, die die Wirksamkeit der robotergestützten Therapie im Vergleich zu etablierten Therapien untersuchen und auch Kostenaspekte berücksichtigen. Mobile Exoskelette könnten in Zukunft bei der Behandlung von Patienten mit Pusher-Symptomatik eingesetzt werden und eine freie Bewegung im Raum ermöglichen.

Alternativen zur robotergestützten Therapie

Für Patienten, die keinen Zugang zu robotergestützten Therapiezentren haben, gibt es alternative Therapieansätze:

  • Physiotherapie: Verbessert die motorischen Fähigkeiten, Beweglichkeit und Balance.
  • Ergotherapie: Konzentriert sich auf Alltagsaktivitäten und hilft den Patienten, ihre Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit zu verbessern.
  • Sporttherapie: Verbessert Ausdauer, Kraft und allgemeine körperliche Fitness.
  • Logopädie: Behandelt Störungen in der Kommunikation, beim Sprechen und Schlucken.
  • Laufbandtraining: Kann effektiv bei der Gangrehabilitation unterstützen.

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