Spezialist für Neuropathie finden: Ein umfassender Leitfaden

Die Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die durch Schädigung mehrerer Nerven gekennzeichnet ist und zu einer gestörten Reizweiterleitung führt. Schätzungsweise 5 bis 6 Millionen Menschen sind in Deutschland von dieser Krankheit betroffen, die jedoch nicht immer die erforderliche Beachtung findet. Die Erkrankung betrifft das periphere Nervensystem, also alle Nerven, die außerhalb des Rückenmarks und des Gehirns liegen.

Was ist Polyneuropathie?

Unter dem Begriff Polyneuropathie versteht man eine systemische Erkrankung von Nervenzellen des peripheren Nervensystems. Theoretisch können alle Nerven betroffen sein, die sich außerhalb von Gehirn und Rückenmark befinden - also außerhalb des zentralen Nervensystems. Häufig beginnt die Erkrankung im körperfernen Bereich und setzt sich dann in Richtung des Körperstammes fort. Die Polyneuropathie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Überbegriff für verschiedene Syndrome, die mit einer Schädigung von Nerven einhergehen.

Ursachen von Polyneuropathie

Es gibt eine Vielzahl möglicher Ursachen für Polyneuropathie. Die häufigsten sind eine fortgeschrittene Diabeteserkrankung und chronischer Alkoholmissbrauch. Weitere Stoffwechselerkrankungen (z.B. von Leber, Niere und Schilddrüse), Vitaminmangelzustände, Nebenwirkungen bestimmter Medikamente (z.B. Zytostatika) und Toxine können ebenfalls verantwortlich sein. Daneben können auch genetische, entzündliche, autoimmunologische und infektiöse Ursachen eine Rolle spielen. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass unter den diabetischen Polyneuropathien die autoimmun-entzündliche Polyneuropathie (CIDP) häufiger anzutreffen ist als unter „Nicht-Diabetikern“, insbesondere in der Altersgruppe über 50 Jahre. Ferner lassen sich bei den „Polyneuropathien unklarer Ursache“ bei beharrlicher Suche oft behandelbare Ursachen finden.

Die Polyneuropathien sind eine komplexe Gruppe von Erkrankungen, weshalb eine systematische Klassifikation schwierig ist. Eine häufige Einteilung erfolgt hinsichtlich der Ursache der Nervenschädigung.

Typen und Formen der Polyneuropathie

  • Hereditäre Polyneuropathien: Hierbei sind die Nervenschädigung oder eine Grunderkrankung, die zu einer Polyneuropathie führt, erblich bedingt. Beispiele sind Amyloidose und Porphyrie, bei denen Nerven durch krankhafte Ablagerungen geschädigt werden.
  • Metabolische Polyneuropathien: Diese entstehen durch Stoffwechselstörungen, wie bei der diabetischen Polyneuropathie (ca. 15-30% aller Polyneuropathien in Industrienationen) oder durch Vitaminmangel (vor allem Vitamin B12). Auch Störungen des Hormonhaushaltes, Schwangerschaften und Schilddrüsenerkrankungen können dazu gehören.
  • Entzündliche Polyneuropathien: Hier werden die Nerven durch Entzündungen geschädigt, die nicht immer durch Krankheitserreger verursacht sein müssen. Oft liegt eine Fehlregulation des Immunsystems vor, wodurch körpereigenes Gewebe angegriffen wird. Wichtige Ursachen sind rheumatische Erkrankungen oder das Guillain-Barré-Syndrom.
  • Toxische Polyneuropathien: Verschiedene Giftstoffe können periphere Nerven schädigen, wie Alkohol (ca. 15% der Fälle), bestimmte Medikamente (Chemotherapeutika) oder Schwermetalle (Blei).

Symptome der Polyneuropathie

Die Symptome einer Polyneuropathie sind vielfältig und hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind. Da die Erkrankung die peripheren Nerven betrifft, können die Symptome in Armen, Beinen und sogar den inneren Organen auftreten. Typischerweise beginnt eine Polyneuropathie mit Taubheitsgefühl und Missempfindungen an den Füßen. Im Verlauf kann sich die Symptomatik ausweiten und zu Lähmungen führen und/oder die oberen Extremitäten betreffen. Aber auch andere Manifestationsformen sind nicht selten. So kann eine Polyneuropathie auch mit der Schädigung eines einzelnen Nerven beginnen.

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Häufige Symptome sind:

  • Kribbeln der Haut
  • Taubheitsgefühl
  • Nachlassende Muskelkraft an Händen und Füßen
  • Verdauungsprobleme
  • Juckreiz
  • Schwellungsgefühl
  • Muskelkrämpfe
  • Schwindel
  • Gang- und Gleichgewichtsprobleme
  • Kraftlosigkeit und Ungeschicklichkeit
  • Schlafstörungen
  • Sprech- und Schluckstörungen
  • Kreislaufprobleme
  • Verstopfung, Durchfälle
  • Sexuelle Störungen

Neuropathische Schmerzen haben häufig einen brennenden Charakter. Im Anfangsstadium einer diabetischen Polyneuropathie zeigt sich die sensible Nervenschädigung oft in einer Störung des Vibrations- und Temperaturempfindens. Andere Polyneuropathieformen können mit dem sogenannten „Burning Feet Syndrom“ einhergehen, bei dem es zu Missempfindungen und brennenden Schmerzen im Bereich der Fußsohlen kommt.

Eine Schädigung von motorischen Nerven kann sich beispielsweise in Form von Muskellähmungen, Krämpfen oder einem schlaffen Muskeltonus präsentieren. Ebenso können auch Nerven betroffen sein, die vegetative Funktionen erfüllen. Hierzu gehören alle Körpervorgänge, die nicht willentlich gesteuert werden können. Mögliche Symptome bei einer Polyneuropathie können daher auch Störungen der Schweißproduktion, des Kreislaufs oder der Blasenfunktion sein.

Diagnose von Polyneuropathie

Besteht der Verdacht auf eine Polyneuropathie, sind verschiedene Untersuchungen notwendig, um die Diagnose zu bestätigen oder auszuschließen.

Die Diagnostik und Therapie von Polyneuropathien im stationären und ambulanten Bereich ist ein Schwerpunkt der Klinik für Neurologie.

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Die Abklärung umfasst typischerweise:

  1. Anamnese und körperliche Untersuchung: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und untersucht die Sensibilität und Funktionalität der peripheren Nerven.
  2. Laboruntersuchungen: Das Blut wird auf auslösende Faktoren wie Giftstoffe, Diabetes oder Vitaminmangel untersucht.
  3. Elektrophysiologische Diagnostik:
    • Elektroneurographie: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit.
    • Elektromyographie: Untersuchung der Muskelaktivität.
    • Ableitung evozierter Potentiale: Messung der Reaktion des Nervensystems auf Reize.
    • Untersuchungen des autonomen Nervensystems: z.B. Sudorimetrie und Kipptischuntersuchungen.
  4. Untersuchung des Nervenwassers (Liquor)
  5. Bildgebende Verfahren: In ausgewählten Fällen MR-Neurographie in Kooperation mit Kollegen der Neuroradiologie.
  6. Nerven-/Muskelbiopsie: In seltenen Fällen in Kooperation mit der Neurochirurgie.
  7. Hautbiopsie: ggf. nach standardisiertem Procedere.

Behandlung von Polyneuropathie

Die Behandlung der Polyneuropathie zielt darauf ab, die Grunderkrankung zu behandeln und die Symptome zu lindern. Die Therapie richtet sich je nach Art der Grunderkrankung.

  • Behandlung der Ursache: Bei Diabetes mellitus muss der Blutzucker adäquat eingestellt werden. Bei Tumor-assoziierter Polyneuropathie steht die Behandlung des zugrunde liegenden Tumors im Fokus. Bei autoimmun-entzündlichen Polyneuropathien steht die Behandlung des Immunsystems im Vordergrund, u.a. mit intravenösem Kortison oder intravenösem Immunglobulin (IVIG).
  • Symptomatische Therapie: Medikamente zur Schmerzlinderung, Physiotherapie und Ergotherapie zur Verbesserung der Muskelkraft und Koordination.

Die Behandlung wird individuell auf die zahlreichen krankheitsauslösenden Faktoren abgestimmt. Hierbei erfolgt bei bestimmten Krankheitsbildern eine interdisziplinäre Abstimmung mit z.B. Kollegen der Rheumatologie, Hämatoonkologie, Humangenetik oder Nervenchirurgie. Insbesondere bei Verletzungen des peripheren Nerven (Engpass-Syndromen, Nerventraumata) werden hier ggfs. operative Maßnahmen in Erwägung gezogen.

Reha bei Polyneuropathie

Der multimodale Behandlungsansatz von Polyneuropathien zielt einerseits, soweit möglich, auf die optimale Behandlung der zugrunde liegenden Ursache der Erkrankung ab. So erfolgen z. B. bei Diabetes-Patienten eine intensive Schulung zu Ursachen, Folgen und Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung, eine individuelle Ernährungsberatung und bei Bedarf weitere Maßnahmen zur Modifikation von Lebensumständen, die die Erkrankung ungünstig beeinflussen können. Andererseits erfolgen eine engmaschige Kontrolle und gegebenenfalls die Optimierung der medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlung des Diabetes. Ähnliches gilt für den chronischen Alkoholmissbrauch, die Erkrankungen von Niere, Leber oder Schilddrüse sowie Vitaminmangelzustände.

Spezifische Symptome der Polyneuropathie wie Lähmungserscheinungen sowie Gang- und Gleichgewichtsstörungen werden entsprechend individuell behandelt. Hier greifen Anwendungen aus Physiotherapie und Ergotherapie sinnvoll ineinander. Sensible Symptome erfordern Therapien aus den Bereichen Ergotherapie und physikalische Therapie, gegebenenfalls flankiert durch eine spezielle medikamentöse Schmerzbehandlung zur Linderung von quälenden sensiblen Reizerscheinungen. Bestehen aufgrund einer Mitbeteiligung von Hirnnerven Sprech- und/oder Schluckstörungen werden diese logopädisch therapiert. Depressionen in der Folge der Erkrankung werden bei Bedarf sowohl durch eine psychologische Betreuung als auch medikamentös mitbehandelt. Liegen besondere Ursachen der Erkrankung vor und sind spezielle medikamentöse Behandlungskonzepte erforderlich, können diese unter Umständen in unseren MEDIAN-Kliniken fortgeführt werden.

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Prävention und was Sie selbst tun können

Häufig kann durch die optimale Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung der Verlauf der Polyneuropathie günstig beeinflusst werden. Die optimale Behandlung eines Diabetes mellitus, Alkoholkarenz und die Substitution von fehlenden Vitaminen sind z. B. wichtige Basismaßnahmen. Um der Entstehung einer Polyneuropathie entgegenzuwirken, sollten die auslösenden Grunderkrankungen vermieden oder so gut wie möglich behandelt werden. Patienten mit Diabetes beispielsweise können bei ihrem Hausarzt in ein sogenanntes DMP (Disease-Management-Programme) eingebunden werden. Dieses beinhaltet unter anderem regelmäßige Kontrolluntersuchungen, wodurch auch eine Polyneuropathie bereits in frühen Stadien erkannt werden soll, sodass frühzeitig eine Therapie eingeleitet werden kann.

Spezialisten und Anlaufstellen für Polyneuropathie

Die Verdachtsdiagnose der Polyneuropathie stellt in der Regel der Hausarzt oder die Hausärztin. Dort findet das erste Gespräch und meist auch eine erste körperliche Untersuchung statt. Die endgültige Diagnose stellt im Normalfall ein Arzt oder eine Ärztin der Neurologie, also der Fachrichtung für Nervenheilkunde. Diese FachärztInnen leiten dann auch die Behandlung ein. Viele Rehabilitationskliniken bieten außerdem, begleitend zur Behandlung der Grunderkrankung, Physiotherapie oder Sporttherapie an, die zur Muskelstärkung der betroffenen Körperregion beitragen. Auch Ergotherapie kann dabei helfen, das Körperempfinden im Rahmen der Behandlung wieder zu stärken.

Bei der Suche nach einem Spezialisten für Polyneuropathie sollte man auf folgende Aspekte achten:

  • Fachrichtung: Neurologe mit Erfahrung in der Behandlung von Polyneuropathien.
  • Spezialisierung: Expertise in Elektrophysiologie und Nervenultraschall.
  • Diagnostische Möglichkeiten: Verfügbarkeit von Elektrophysiologie, quantitativen Testungen, Nervenultraschall, Laboruntersuchungen und ggfs. Nervenbiopsie.
  • Therapeutische Angebote: Individuelle Therapieplanung und interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachrichtungen.
  • Studienteilnahme: Möglichkeit zur Teilnahme an Studien zur Diagnosestellung von Polyneuropathien.

Diese Ambulanz bietet die Möglichkeit, Ursachen einer Polyneuropathie oder peripheren Nervenschädigungen (inkl. Zusatzuntersuchungen wie Elektrophysiologie, quantitativer Testungen, Nervenultraschall, Laboruntersuchungen, ggfs. Prof. Dr. DiagnostikNeben einer detaillierten klinischen Untersuchung besteht im Rahmen der Sprechstunde die Möglichkeit elektrophysiologische Messungen (z.B. Neurografien, Myografien) sowie Ultraschalluntersuchungen des peripheren Nerven oder der Muskeln durchzuführen. Additive Zusatzuntersuchungen wie spezielle Laboruntersuchungen, Liquordiagnostik, MRT-Bildgebung oder Nervenbiopsien können besprochen und geplant werden. Unter Umständen kann eine weitere, stationäre Abklärung von Nöten sein.Wir widmen uns neben hereditären, also erblichen und erworbenen Polyneuropathien auch der Diagnostik bei traumatischen Nervenschädigungen (in enger Kooperation mit den Kollegen der Neurochirurgie und Traumatologie). Ein Schwerpunkt der Ambulanz ist neben der Elektrophysiologie die Technik des hochauflösenden Nervenultraschalls. In ausgewählten Fällen schließt sich eine MR-Neurography in Kooperation mit Kollegen der Neuroradiologie an.Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit an verschiedenen Studien zur Diagnosestellung von Polyneuropathien, mit Schwerpunkt der Immunneuropathien sowie hereditärer Neuropathien teilzunehmen.

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