Stoffwechselstörungen im Gehirn bei Kindern: Ursachen, Symptome und Behandlung

Stoffwechselstörungen im Gehirn von Kindern stellen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen dar, die durch genetisch bedingte Defekte in Stoffwechselprozessen verursacht werden. Diese Defekte können die Entwicklung und Funktion des Nervensystems beeinträchtigen und zu einem breiten Spektrum klinischer Symptome führen.

Ursachen von Stoffwechselstörungen im Gehirn

Die Ursachen für Stoffwechselstörungen im Gehirn sind vielfältig, wobei die meisten auf erblichen Gendefekten beruhen. Diese Gendefekte können zu folgenden Problemen führen:

  • Mangel an wichtigen Bausteinen: Es fehlen wichtige Substanzen für den Aufbau, die Erhaltung und die Funktion von Hirngewebe und Nervenzellen.
  • Anreicherung toxischer Stoffwechselprodukte: Toxische Stoffwechselprodukte werden nicht ordnungsgemäß abgebaut und lagern sich im Gehirn ab.

Einige spezifische Ursachen für Stoffwechselstörungen im Gehirn sind:

  • Genetische Defekte: Angeborene Stoffwechselerkrankungen (IEM) gehören zu den seltenen Erkrankungen, wobei die Prävalenz jeder einzelnen Erkrankung unter 1:2000 Einwohner in Europa liegt. Kumulativ ist allerdings mehr als 1 % der europäischen Bevölkerung von einer IEM betroffen.
  • Sauerstoffmangel: Verschiedenste Ursachen können einen Sauerstoffmangel im Gehirn auslösen. Vor und während der Geburt können Komplikationen auftreten, die zu Hirnschäden durch Sauerstoffmangel führen können. Dazu gehören unter anderem eine Sauerstoff-Mangelversorgung, eine vorzeitige Plazentalösung oder eine eingeklemmte Nabelschnur.

Symptome von Stoffwechselstörungen im Gehirn

Die Symptome von Stoffwechselstörungen im Gehirn können je nach Art und Schweregrad der Störung variieren. Einige häufige Symptome sind:

  • Entwicklungsverzögerungen: Betroffene Kinder erreichen möglicherweise nicht die altersgemäßen Meilensteine in der motorischen, kognitiven oder sprachlichen Entwicklung.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Lernschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisprobleme oder eine allgemeine intellektuelle Beeinträchtigung können auftreten.
  • Bewegungsstörungen: Ataxie (Koordinationsstörungen), Muskelkrämpfe, Dystonie (unwillkürliche Muskelkontraktionen) oder andere ungewöhnliche Bewegungen können beobachtet werden.
  • Epilepsie: Krampfanfälle unterschiedlicher Art und Schwere können auftreten.
  • Verhaltensauffälligkeiten: Reizbarkeit,Hyperaktivität, Aggressivität oder andere Verhaltensprobleme können auftreten.
  • Neurologische Regression: In einigen Fällen können Kinder, die sich zunächst normal entwickelt haben, beginnen, Fähigkeiten zu verlieren, die sie bereits erworben haben.
  • Hör- und Sehstörungen: Viele der jungen Patienten leiden zudem unter Krampfanfällen.
  • Hypotonie: Schwere Hypotonie, Apnoen sowie deutlicher Schluckauf.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Kinder mit diesen Symptomen eine Stoffwechselstörung im Gehirn haben. Eine gründliche medizinische Untersuchung ist erforderlich, um die Ursache der Symptome zu bestimmen.

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Diagnose von Stoffwechselstörungen im Gehirn

Die Diagnose von Stoffwechselstörungen im Gehirn kann eine Herausforderung sein, da die Symptome oft unspezifisch sind und viele verschiedene Erkrankungen ähnliche Symptome verursachen können. Die Diagnose umfasst in der Regel eine Kombination aus:

  • Klinische Untersuchung: Eine gründliche körperliche und neurologische Untersuchung, um die Symptome und den allgemeinen Gesundheitszustand des Kindes zu beurteilen. Wenn Ihr Kind zu uns in die Neuropädiatrie kommt, führen wir umfassende Untersuchungen durch, eine ausführliche klinisch-neurologische Untersuchung.
  • Anamnese: Eine detaillierte Erhebung der Krankengeschichte des Kindes und der Familie, um mögliche genetische Risikofaktoren zu identifizieren.
  • Laboruntersuchungen: Blut- und Urinuntersuchungen, um Stoffwechselprodukte zu messen und nach Anomalien zu suchen.
  • Bildgebende Verfahren: MRT-Bildgebung im Verlauf der Reha, um das volle Ausmaß der Schädigung zu sehen und Komplikationen auszuschließen.
  • EEG: Ein EEG, um Allgemeinveränderungen sowie eventuell verdeckte Zeichen für Epilepsie zu finden.
  • Evozierte Potentiale: Visuell und akustisch evozierte Potenziale - hierbei reizen wir ein Sinnesorgan, um die Durchgängigkeit der Wahrnehmung zu testen.
  • Lumbalpunktion: Für die Diagnosestellung des Glut1-DS sollte eine Lumbalpunktion mit Messung der Liquorglukose (<40 mg/dl in den meisten Fällen) sowie eine Berechnung der Liquor/Blut-Ratio erfolgen. Die Ratio ist bei klassischer Verlaufsform dramatisch reduziert (<0,4; Normbereich 0,62-0,68).

In einigen Fällen kann eine genetische Untersuchung erforderlich sein, um die spezifische genetische Ursache der Stoffwechselstörung zu identifizieren.

Behandlung von Stoffwechselstörungen im Gehirn

Die Behandlung von Stoffwechselstörungen im Gehirn zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, die Progression der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität des Kindes zu verbessern. Die Behandlung kann je nach Art und Schweregrad der Störung variieren und kann Folgendes umfassen:

  • Diätetische Maßnahmen: Eine spezielle Diät kann erforderlich sein, um bestimmte Stoffwechselprodukte zu reduzieren oder zu vermeiden, die sich im Gehirn anreichern. Die Therapie der Wahl ist die ketogene Diät und damit die Bereitstellung einer alternativen Brennstoffquelle für das Gehirn. Die ketogene Diät führt zu einer Verbesserung der Anfallskontrolle (>50 % Anfallsfreiheit).
  • Medikamente: Medikamente können eingesetzt werden, um Krampfanfälle zu kontrollieren, Muskelkrämpfe zu reduzieren oder andere Symptome zu lindern.
  • Enzymersatztherapie: Bei einigen Stoffwechselstörungen kann eine Enzymersatztherapie eingesetzt werden, um das fehlende Enzym zu ersetzen. Auch für einige andere dieser seltenen neurodegenerativen Erkrankungen bei Kindern existieren wirkungsvolle Behandlungsansätze, bei denen fehlende Substanzen oder Enzyme von außen zugeführt werden, so etwa bei der MLD und einer speziellen Form der NCL.
  • Gentherapie: Bei einigen Erkrankungen wie beispielsweise der X-ALD kann eine Transplantation von blutbildenden Stammzellen (hämatopoetischen Stammzellen) oder eine Gentherapie hilfreich sein. Die Gen-Therapie scheint diesbezüglich wirksamer zu sein und ist zudem die einzige Therapieoption für die spätinfantile MLD, allerdings nur bei asymptomatischen oder frühsymptomatischen Patienten.
  • Transplantation: In einigen Fällen kann eine Knochenmarktransplantation oder eine Lebertransplantation eine Option sein, um die Stoffwechselstörung zu behandeln. Die derzeit einzig wirksame Therapie bei männlichen Patienten mit zerebraler X-ALD ist die HSCT. Diese hat eine umso bessere Prognose, wenn die MRT-Veränderungen noch gering sind und keine neurologischen Auffälligkeiten bestehen, weil die Erkrankung nach erfolgreicher HSCT noch 6-9 Monate fortschreitet.
  • Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie: Diese Therapien können helfen, die motorischen, kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten des Kindes zu verbessern.
  • Unterstützende Maßnahmen: Psychologische Beratung,Elternschulung und andere unterstützende Maßnahmen können helfen, die Lebensqualität des Kindes und der Familie zu verbessern.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Behandlung von Stoffwechselstörungen im Gehirn oft komplex und multidisziplinär ist. Ein Team von Spezialisten, darunter Neurologen, Stoffwechselexperten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden, arbeitet zusammen, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.

Spezifische Stoffwechselstörungen im Gehirn

Es gibt viele verschiedene Arten von Stoffwechselstörungen, die das Gehirn betreffen können. Einige häufige Beispiele sind:

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  • Metachromatische Leukodystrophie (MLD): MLD sind autosomal-rezessiv vererbte degenerative lysosomale Speicherkrankheiten, die durch eine Akkumulation von Sulfatiden im zentralen (ZNS) und peripheren Nervensystem (PNS) bedingt sind.
  • Morbus Krabbe: Der Morbus Krabbe ist eine seltene autosomal-rezessive lysosomale Speichererkrankung, verursacht durch Varianten des GALC-Gens, die zu einer Defizienz der β-Galaktozerebrosidase führt.
  • X-chromosomale Adrenoleukodystrophie (X-ALD): Die X-chromosomale Adrenoleukodystrophie ist ein X-chromosomal vererbter Defekt des ALDP-Proteins, eines ATP-abhängigen peroxisomalen Membrantransporters, der durch Varianten im ABCD1-Gen (Xq28) verursacht wird.
  • Glukosetransporter-Typ-1-Mangel-Syndrom (Glut1-DS): Das Glukosetransporter-Typ-1-Mangel-Syndrom (Glut1-DS) wird durch Varianten im SLC2A1-Gen hervorgerufen.
  • Nichtketotische Hyperglycinämie (NKH): Die nichtketotische Hyperglycinämie (NKH) ist eine angeborene Störung im Glycinstoffwechsel, die durch einen enzymatischen Defekt im Glycincleavage-System (GCS) zu einer Akkumulation großer Mengen von Glycin in allen Körpergeweben einschließlich des Gehirns führt.
  • Cerebrale Folatdefizienz (CFD) 2009 entdeckte und beschrieb das Team um die Göttinger Kinder-Neurologin Prof. Dr. Jutta Gärtner, die auch am DZNE forscht, erstmals eine bis dahin nicht bekannte Form der Kinderdemenz: die cerebrale Folatdefizienz (CFD).

Kinderdemenz als Folge von Stoffwechselstörungen

Demenz ist nicht allein eine Frage des Alters. Auch Kinder und Jugendliche können von fortschreitenden neurodegenerativen Erkrankungen des Gehirns betroffen sein. Mehr als 250 verschiedene Erkrankungen sind mittlerweile bekannt, die die kognitiven Fähigkeiten von Kindern beeinträchtigen. Diese zusammenfassend als „Kinderdemenz“ bezeichneten Erkrankungen zählen zu den seltenen Krankheiten: Je nach Krankheitsform der Kinderdemenz sind zwischen 1 von 2.000 und 1 von 500.000 Neugeborenen betroffen. Beispiele sind die zerebrale Form der X-chromosomalen Adrenoleukodystrophie (X-ALD), die Metachromatische Leukodystrophie (MLD), die Neuronalen Ceroidlipofuszinosen (NCL), das Alpers Syndrom und die Nieman-Pick-Krankheit Typ C. Manche Formen der Kinderdemenz sind so selten, dass Fachleute weltweit nur wenige Fälle beschrieben haben. In den meisten Fällen entwickeln sich die betroffenen Kinder und Jugendlichen zunächst völlig unauffällig und haben altersgemäße, kognitive und motorische Fähigkeiten. Abhängig von der Erkrankungsform verlieren sie diese Fähigkeiten jedoch unaufhaltsam wieder, es kommt zu Störungen oder zum gänzlichen Verlust motorischer und kognitiver Fähigkeiten sowie häufig auch zu Hör- und Sehstörungen. Viele der jungen Patienten leiden zudem unter Krampfanfällen. Die betroffenen Kinder werden zunehmend pflegebedürftig und schließlich bettlägerig. Meist führen die Erkrankungen in den ersten beiden Lebensjahrzehnten zum Tod.

Ursache für Kinderdemenz sind erbliche Gendefekte, die oftmals einen gestörten Stoffwechsel im Gehirn zur Folge haben. Das kann bedeuten, dass wichtige Bausteine für den Aufbau, die Erhaltung und die Funktion von Hirngewebe und Nervenzellen fehlen. Oder toxische Stoffwechselprodukte werden nicht ordnungsgemäß abgebaut und lagern sich ab.

Hypoxischer Hirnschaden

Grundsätzlich kann man Hirnschäden durch Sauerstoffmangel nicht rückgängig machen. Trotz eines hypoxischen Hirnschadens kann sich der Zustand der Betroffenen jedoch bessern. Die eigentliche Hirnschädigung ist zunächst umgeben von einer Schwellung. Hirnareale, die nur angeschwollen sind, nehmen, wenn sie sich erholt haben, ihre Funktion wieder auf. Das Gehirn organisiert sich bereits während der Heilung neu. Wird das Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff oder Blut versorgt, sterben Hirnzellen ab. Oft bleiben daher nach solchen kritischen Ereignissen, etwa nach einer Reanimation, schwere, dauerhafte Schädigungen zurück. Häufig gelingt es jedoch dem Gehirn, neue Verbindungen entstehen zu lassen und so die Funktion von geschädigten Zellen zu ersetzen.

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