Das vaskuläre Parkinson-Syndrom (VPS) stellt eine besondere Herausforderung in der neurologischen Diagnostik und Therapie dar. Es ist wichtig, das VPS von anderen Parkinson-Syndromen zu unterscheiden, um eine zielgerichtete Behandlung zu ermöglichen. Dieser Artikel beleuchtet den Verlauf, die Diagnose und die verschiedenen Behandlungsansätze des vaskulären Parkinson-Syndroms.
Was ist das Vaskuläre Parkinson-Syndrom?
Das vaskuläre Parkinson-Syndrom, auch als subkortikale vaskuläre Enzephalopathie (SVE) bezeichnet, gehört zu den sekundären Parkinson-Syndromen. Es entsteht durch Schädigungen des Gehirns infolge von Durchblutungsstörungen, meist aufgrund von Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose). Diese Verkalkungen können durch langjährigen Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen oder chronischen Nikotinabusus verursacht werden. Die resultierenden Infarkte befinden sich vor allem in den vorderen Hirnlappen und können in einem späteren Stadium Parkinsonismus verursachen.
Das Konstrukt „vaskuläres Parkinson-Syndrom“ mit der klinischen Symptomkonstellation von axialen Symptomen und kognitiven Störungen bei bildmorphologisch simultanen vaskulären Läsionen ist keine nosologische Entität, sondern muss weiter in Subgruppen differenziert werden.
Abgrenzung zu anderen Parkinson-Syndromen
Es ist entscheidend, das VPS von anderen Parkinson-Syndromen zu unterscheiden, insbesondere vom idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS), auch Morbus Parkinson genannt, und von atypischen Parkinson-Syndromen (APS).
- Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS): Hierbei handelt es sich um die häufigste Form des Parkinson-Syndroms, bei der die Ursache meist unklar ist. Es kommt zu einem Mangel an Dopamin im Gehirn aufgrund des Absterbens von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra.
- Atypische Parkinson-Syndrome (APS): Diese umfassen seltene neurodegenerative Erkrankungen wie die Multisystematrophie (MSA), die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), das kortikobasale Syndrom (CBS) und die Demenz mit Lewy-Körpern (LBD). Im Vergleich zum IPS verlaufen die APS in der Regel schwerer und schneller und sprechen schlechter auf die für den M. Parkinson üblichen Medikamente an.
- Pseudovaskulärer Parkinsonismus: Hier liegt eine inzidentelle Komorbidität eines neurodegenerativen Parkinsonsyndroms und vaskulären Läsionen im höheren Lebensalter vor.
- Vaskulärer Pseudoparkinsonismus: Strategische, zerebrale Infarkte können parkinsonähnliche Symptome hervorrufen, wie z. B. einen akinetischen Mutismus bei mesiofrontalen Läsionen.
- Pseudovaskulärer Pseudoparkinsonismus: Dieser Begriff beschreibt Parkinson-Mimicks bei Vorliegen koinzidenteller vaskulärer Läsionen.
Verlauf des Vaskulären Parkinson-Syndroms
Der Verlauf des VPS unterscheidet sich von dem des idiopathischen Parkinson-Syndroms. Während sich die Symptome beim Morbus Parkinson meist langsam und schleichend entwickeln, können sie beim VPS plötzlich auftreten, insbesondere nach einem oder mehreren Schlaganfällen.
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Typische Symptome
Ein Patient mit Vaskulär-Parkinsonismus geht in der Regel mit kleineren Schritten, einem Trippelschritt. Es dauert oft länger, eine beliebige Bewegung ausführen zu können. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf verringert sich auch die Kraft und Schnellheit der Bewegungen von Armen und Beinen.
Zu den Hauptsymptomen des VPS gehören:
- Bewegungsverlangsamung (Bradykinese): Verlangsamung der Willkürbewegungen.
- Gangstörungen: Kleinschrittiger Gang, Trippelschritt, Startschwierigkeiten und Blockaden.
- Muskelsteifheit (Rigor): Erhöhter Muskeltonus, der zu Steifheit und Schmerzen führen kann.
- Posturale Instabilität: Verminderte Körperstabilität, die zu Unsicherheiten beim Stehen und Gehen führt.
- Kognitive Störungen: Demenzielle Entwicklung, Gedächtnisprobleme und Aufmerksamkeitsdefizite.
- Blasenstörungen: Häufiger Harndrang und Harninkontinenz.
Im Gegensatz zum IPS beginnen die Symptome beim VPS häufig an beiden Seiten des Körpers gleichzeitig. Zudem treten Lauf-, Sprach- und Schluckstörungen schneller auf. Mentale Störungen sind ebenfalls häufiger.
Prodromalphase
Vor Beginn der motorischen Symptome können bereits verschiedene Vorboten von Parkinson auftreten. Meist sind die Vorboten allerdings so unspezifisch, dass der Verdacht nicht sofort bei Parkinson liegt. Diese Vorläuferphase bezeichnet die Medizin als Prodromalphase.
Einflussfaktoren auf den Verlauf
Wie schnell ein Parkinson-Syndrom voranschreitet, ist von vielen individuellen Faktoren abhängig. Grundsätzlich verstärken sich die Parkinson-Symptome über die Zeit, weil nach und nach immer mehr Nervenzellen absterben. Bei vielen Patienten schwanken die Symptome auch täglich. In der Folge können Betroffene zeitweise oder dauerhaft in ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt sein.
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Spätstadium
Im fortgeschrittenen Parkinson-Stadium kommen neben den motorischen Symptomen weitere Begleiterscheinungen hinzu, die nicht so gut auf Medikamente ansprechen. Dazu gehören beispielsweise Schluckstörungen mit einem erhöhten Risiko von Lungenentzündungen, Gleichgewichtsstörungen, Störungen beim Wasserlassen und psychische Beschwerden.
Im Parkinson-Spätstadium kann der Betroffene mit abnehmender Selbstständigkeit pflegebedürftig werden. Dann kann für ihn und seine Angehörigen gegebenenfalls eine pflegerische Aufklärung hilfreich sein. Hinzu kommt, dass motorische Einschränkungen und die psychische Belastung die Pflege bei Parkinson erschweren. Hier sind viel Verständnis, Feingefühl sowie Akzeptanz gefordert. Grundsätzlich steht bei der Parkinson-Pflegeplanung im Vordergrund, die Selbstständigkeit des Patienten so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.
Diagnose des Vaskulären Parkinson-Syndroms
Die Diagnose des VPS basiert auf einer umfassenden neurologischen Untersuchung, der Anamnese des Patienten und bildgebenden Verfahren.
Neurologische Untersuchung
Die neurologische Untersuchung umfasst die Beurteilung der motorischen Funktionen, der Reflexe, der Koordination und der kognitiven Fähigkeiten. Dabei wird besonders auf die typischen Symptome des VPS geachtet, wie z.B. die Gangstörung, die Bradykinese und die Muskelsteifheit.
Anamnese
Die Anamnese beinhaltet die Erhebung der Krankengeschichte des Patienten, einschließlich der Risikofaktoren für vaskuläre Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Rauchen. Auch die Einnahme von Medikamenten, die Parkinson-Symptome auslösen können, wird erfasst.
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Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) und die Computertomographie (CT) des Gehirns sind entscheidend für die Diagnose des VPS. Sie ermöglichen den Nachweis von vaskulären Läsionen, wie z.B. Infarkten oder Durchblutungsstörungen, im Gehirn.
Differentialdiagnose
Wichtig ist die gute klinische Beurteilung der Patienten. Apperative Zusatzdiagnostik dient im wesentlichen dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Um eine unnötige bzw. ungezielte Diagnostik zu vermeiden, sollte die Indikation zur Bildgebung nur durch den Spezialisten gestellt werden. Ein MRT oder CT dient dazu, Parkinson-Syndrome z.B. aufgrund eines Normaldruckhydrozephalus einer spezifischen Behandlung zuführen zu können.
Zusätzliche Untersuchungen
Zusätzliche Untersuchungen können erforderlich sein, um andere Ursachen für die Parkinson-Symptome auszuschließen. Dazu gehören:
- L-Dopa-Test: Beurteilung des Ansprechens auf L-Dopa, ein Medikament, das zur Behandlung des Morbus Parkinson eingesetzt wird. Beim VPS ist das Ansprechen auf L-Dopa oft geringer als beim IPS.
- DAT-Scan: Nuklearmedizinische Untersuchung, bei der die Dichte von Dopamintransportern im Gehirn bestimmt wird. Diese ist bei allen neurodegenerativen Formen des Parkinson-Syndroms vermindert.
- Weitere bildgebende Verfahren: Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Einzelphotonen-Emissions-Tomographie (SPECT) können zur weiteren Abklärung eingesetzt werden.
Behandlung des Vaskulären Parkinson-Syndroms
Die Behandlung des VPS zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Da das VPS durch vaskuläre Schädigungen verursacht wird, ist die Behandlung der Grunderkrankung, d.h. der vaskulären Risikofaktoren, von entscheidender Bedeutung.
Behandlung der vaskulären Risikofaktoren
Die Behandlung der vaskulären Risikofaktoren umfasst:
- Blutdruckeinstellung: Medikamentöse Behandlung von Bluthochdruck.
- Diabeteskontrolle: Optimale Einstellung des Blutzuckerspiegels bei Diabetes mellitus.
- Cholesterinsenkung: Medikamentöse Behandlung von Fettstoffwechselstörungen.
- Rauchstopp: Verzicht auf Nikotin.
- Gesunde Lebensweise: Ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie des VPS kann die Symptome lindern, ist aber oft weniger wirksam als beim idiopathischen Parkinson-Syndrom. Folgende Medikamente können eingesetzt werden:
- L-Dopa (Levodopa): Dopamin-Ersatztherapie, die jedoch beim VPS oft nur eine begrenzte Wirkung zeigt.
- Dopamin-Agonisten: Medikamente, die die Wirkung von Dopamin im Gehirn nachahmen.
- MAO-B-Hemmer: Medikamente, die den Abbau von Dopamin im Gehirn verlangsamen.
- COMT-Hemmer: Medikamente, die den Abbau von L-Dopa im Körper verlangsamen und so die Wirkung von L-Dopa verlängern.
Nicht-medikamentöse Therapie
Nicht-medikamentöse Therapien spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung des VPS. Dazu gehören:
- Physiotherapie: Verbesserung der Beweglichkeit, der Koordination und des Gleichgewichts.
- Ergotherapie: Anpassung des Wohnumfelds undTraining vonAlltagsaktivitäten.
- Logopädie: Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
- Kognitives Training: Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten.
- Psychotherapie: Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung und Behandlung von Depressionen.
Tiefe Hirnstimulation (THS)
Die tiefe Hirnstimulation (THS) ist ein neurochirurgisches Verfahren, bei dem Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert werden. Die Elektroden stimulieren die Hirnregionen und können so die Symptome des Parkinson-Syndroms lindern. Die THS ist jedoch nicht für alle Patienten mit VPS geeignet.
Palliativpflege
Im fortgeschrittenen Stadium des VPS kann eine Palliativpflege sehr wertvoll sein. Sie konzentriert sich auf die Linderung von Symptomen und die Verbesserung der Lebensqualität des Patienten.
Leben mit dem Vaskulären Parkinson-Syndrom
Das Leben mit dem VPS kann eine Herausforderung sein. Es ist wichtig, sich frühzeitig über die Erkrankung zu informieren und sich Unterstützung zu suchen.
Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und von deren Erfahrungen zu profitieren.
Angehörigenunterstützung
Auch die Angehörigen von Patienten mit VPS benötigen Unterstützung. Sie können sich an Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen wenden.
Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass die medizinischen Wünsche des Patienten auch in unerwarteten Situationen respektiert werden.
Prognose
Da die Behandlung meist weniger anschlägt als bei Parkinson, ist die Prognose weniger gut und vermindert schnell die Lebensqualität. Die Lebenserwartung von Menschen mit VPS kann verkürzt sein, insbesondere wenn die vaskulären Risikofaktoren nicht ausreichend behandelt werden. Die Parkinson-Krankheit verläuft nicht unmittelbar tödlich. Menschen mit Parkinson sterben meist nicht direkt an der Erkrankung selbst, sondern an den Komplikationen, die im Krankheitsverlauf auftreten können. Wie alt Parkinson-Patienten werden, hängt immer vom individuellen Gesamtbild des Patienten und der Parkinson-Form ab.
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