Querschnittlähmung: Ursachen, Folgen und Leben mit der Diagnose

Ein Unfall oder eine Erkrankung können das Leben eines Menschen schlagartig verändern. Eine schwere Verletzung des Rückenmarks kann zu einer Querschnittlähmung führen, die das Leben der Betroffenen grundlegend verändert. In Deutschland sind rund 140.000 Menschen von einer Querschnittlähmung betroffen. Etwa 60 Prozent der Betroffenen sind teilweise gelähmt. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Querschnittlähmung, von den Ursachen und Symptomen bis hin zu den Behandlungsmöglichkeiten und dem Leben mit dieser Erkrankung.

Was ist eine Querschnittlähmung?

Eine Querschnittlähmung liegt vor, wenn das Rückenmark - oder die darin befindlichen Nervenstränge - infolge einer Verletzung oder einer Erkrankung so stark geschädigt ist, dass verschiedene Körperfunktionen teilweise oder vollständig ausfallen. Hauptsymptom sind Lähmungen der Extremitäten (Beine, Arme). Oft sind auch andere Funktionen wie die Entleerung von Darm und Blase sowie die Sexualität stark beeinträchtigt. Mediziner sprechen daher auch von einem "spinalen Querschnittsyndrom", da in der Regel mehrere Symptome gleichzeitig auftreten.

Beim kompletten Querschnittssyndrom sind Betroffene unterhalb der Verletzung vollständig gelähmt, während beim inkompletten Syndrom Restfunktionen erhalten bleiben.

Das Rückenmark: Zentrale Schaltstelle des Nervensystems

Das Rückenmark bildet zusammen mit dem Gehirn das zentrale Nervensystem. Alle anderen Nervenbahnen des Körpers gehören zum peripheren Nervensystem. Das Rückenmark ist die Fortsetzung des Gehirns und liegt, umgeben von einer Flüssigkeit (Liquor), gut geschützt im Wirbelkanal, der von den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule gebildet wird. Es reicht von den Halswirbeln bis hinunter zum ersten oder zweiten Lendenwirbel.

Die Wirbelsäule besteht aus vier Abschnitten:

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  • Halswirbelsäule (HWS): 7 Wirbel (C1 bis C7)
  • Brustwirbelsäule (BWS): 12 Wirbel (Th1 bis Th12)
  • Lendenwirbelsäule (LWS): 5 Wirbel (L1 bis L5)
  • Sakralwirbelsäule (SWS): Kreuzbein (Os sacrum) und Steißbein (Os coccygi)

Aus dem Rückenmark entspringen an beiden Seiten der Wirbelkörper die sogenannten Spinalnerven. Diese zweigen sich wiederum in verschiedene Nervenäste auf, sodass der gesamte Körper mit Nerven versorgt ist. Das Rückenmark hat die Aufgabe, Signale des Gehirns an die Muskeln und inneren Organe weiterzugeben. Umgekehrt überträgt es Empfindungen wie Berührung, Temperatur oder Schmerz sowie die Position von Armen und Beinen an das Gehirn.

Ist diese Nervenverbindung im Rückenmark gestört oder unterbrochen, fällt die Weiterleitung dieser Signale in beide Richtungen aus. Abhängig davon, in welcher Höhe die Rückenmarksverletzung liegt, kommt es zu Lähmungen der Beine (und Arme) sowie zu Funktionsstörungen in verschiedenen Bereichen des Körpers - am häufigsten zu Problemen mit der Urin- oder Stuhlentleerung und Sexualfunktionsstörungen.

Die genaue Bezeichnung der Querschnittlähmung richtet sich nach dem letzten funktionsfähigen Rückenmarkssegment. Eine Verletzung unterhalb von L4 bedeutet beispielsweise, dass das Segment des vierten Lendenwirbels mit seinen Spinalnerven noch intakt ist, während alle unterhalb liegenden Segmente geschädigt sind.

Beeinträchtigte Nervensysteme

Eine Querschnittlähmung kann verschiedene Nervensysteme alleine oder kombiniert beeinträchtigen:

  • Motorische Nerven: Notwendig für die bewusste Bewegung von Armen und Beinen.
  • Vegetative Nerven: Steuerung der Entleerung von Darm und Blase, Schweißbildung, Herz-Kreislauf-Kontrolle, Atemfunktion, Sexualität.
  • Sensible Nerven: Vermittlung von Berührungs- und Schmerzempfinden.

Welche Ausfälle sich entwickeln, hängt von der Schwere und dem Ort der Rückenmarksverletzung ab.

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Einteilung nach Schweregrad

  • Komplette Querschnittslähmung (Plegie, Paralyse): Die Nerven sind an einer bestimmten Stelle vollständig durchtrennt. Abhängig vom Ort der Schädigung sind Arme, Beine und der Rumpf vollständig gelähmt, Muskelkraft und Empfindungsvermögen fehlen gänzlich. Körperfunktionen wie die Entleerung von Darm und Harnblase sowie die Sexualfunktion sind stark beeinträchtigt.
  • Inkomplette Querschnittslähmung (Parese): Die Nerven sind stark geschädigt, aber nicht vollständig durchtrennt. Muskelkraft und Empfindungsvermögen sind teilweise erhalten.

Einteilung nach Höhe der Verletzung

  • Tetraplegie/Tetraparese: Die Rückenmarksschädigung liegt im Halsbereich - oberhalb des ersten Brustwirbels. Mediziner sprechen auch von einem "hohen Querschnitt". "Tetra" steht für die griechische Vorsilbe der Zahl vier, die Begriffe Tetraplegie beziehungsweise Tetraparese beschreiben daher die Lähmung beider Arme und Beine (sowie des Rumpfes). Da auch das Zwerchfell nicht mehr von den Nerven versorgt wird, haben Betroffene schwerwiegende Probleme beim Atmen.
  • Paraplegie/Paraparese: Liegt die Rückenmarksschädigung im Bereich der Brust- oder Lendenwirbelsäule - unterhalb des ersten Brustwirbels - sind die Beine und Teile des Rumpfs gelähmt. Die Arme sind nicht betroffen.

Wichtig zu betonen ist, dass eine Querschnittlähmung erhebliche Auswirkungen auf etliche Körperfunktionen hat, aber nie die geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt!

Häufigkeit

Pro Jahr erleiden etwa 20 bis 100 Menschen pro einer Million Einwohner eine Querschnittlähmung - etwa die Hälfte davon durch ein Trauma (Unfall, Verletzung), die andere Hälfte durch nichttraumatische Rückenmarksschädigungen (angeborene oder erworbene Krankheiten). Männer erleiden mit rund 80 Prozent deutlich häufiger eine traumatisch bedingte Querschnittlähmung als Frauen, das durchschnittliche Alter liegt bei 40 Jahren.

Ursachen einer Querschnittlähmung

Querschnittlähmungen können verschiedene Ursachen haben. In etwa 45 Prozent der Fälle ist die Ursache ein Unfall, wobei Verkehrs- und Sportunfälle die häufigsten unfallbedingten Ursachen darstellen. In etwa 55 Prozent der Fälle ist die Ursache eine Erkrankung.

Verschiedene Auslöser können eine Querschnittlähmung verursachen:

  • Unfälle: Schwere Stürze, Sportverletzungen oder Verkehrsunfälle können zu Schädigungen des Rückenmarks führen.
  • Erkrankungen, die die Wirbelsäule schädigen: Bandscheibenvorfälle, Multiple Sklerose, bakterielle Rückenmarksentzündungen oder Blutungen im Spinalkanal der Wirbelsäule können das Rückenmark schädigen und zu einer Querschnittlähmung führen.
  • Tumore am Rückenmark: Tumore können auf das Rückenmark drücken und es schädigen.
  • Angeborene Fehlbildungen: In seltenen Fällen kann eine Querschnittlähmung angeboren sein, zum Beispiel bei Spina bifida, umgangssprachlich auch als offener Rücken bekannt.
  • Rückenmarksinfarkte: Eine mangelnde Durchblutung des Rückenmarks kann ebenfalls zu einer Querschnittlähmung führen. Ursache für die Unterversorgung kann beispielsweise ein verengtes Blutgefäß sein.

Symptome einer Querschnittlähmung

Welche Symptome auftreten, hängt vom Ausmaß und der Art der Rückenmarksverletzung ab. Im Rückenmark befinden sich unterschiedliche Nervenbahnen: Sensorische Nerven für Empfindungen wie Wärme, Kälte, Berührungen oder Schmerzen und motorische Nerven, die die Bewegungen steuern. Abhängig davon, welche Bahn betroffen ist, unterscheiden sich auch die Beschwerden.

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Symptome in der Akutphase (spinaler Schock)

Unabhängig davon, welches Ausmaß die Rückenmarksverletzung langfristig haben wird, tritt als Folge von fast jeder akuten Schädigung zunächst ein spinaler Schock auf. Er entwickelt sich meist innerhalb von 30 bis 60 Minuten nach der Verletzung und dauert wenige Tage bis zu mehreren Wochen an. In dieser Zeit kommt es zum vollständigen Funktionsverlust aller Nerven unterhalb der Verletzung. Abhängig davon, in welcher Höhe die Rückenmarksverletzung liegt, sind unter Umständen auch lebensnotwendige Organe wie die Lunge oder das Herz betroffen.

In der Phase des spinalen Schocks benötigen Patienten deswegen eine intensivmedizinische Betreuung, um lebenswichtige Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Erst nach Abklingen des Schocks ist es möglich, das tatsächliche Ausmaß der bleibenden Schäden abzuschätzen.

Merkmale des spinalen Schocks:

  • Vollständige schlaffe Lähmung der Muskeln unterhalb der Verletzungshöhe
  • Kein Berührungs- und Schmerzempfinden unterhalb der Verletzungshöhe
  • Fehlende Reflexe unterhalb der Verletzungshöhe
  • Blasen- und Mastdarmlähmung
  • Darmverschluss durch gelähmte Darmmuskulatur
  • Versagen der Atmung durch Zwerchfelllähmung bei Schäden oberhalb des vierten Halswirbels
  • Kreislaufschwäche
  • Niedrige Körpertemperatur
  • Nierenstörungen

Symptome bei kompletter Querschnittlähmung

Erst nach Abklingen des spinalen Schocks wird das tatsächliche Ausmaß der Lähmung sichtbar. Sind die Nervenbahnen im Rückenmark vollständig durchtrennt, handelt es sich um eine komplette Querschnittlähmung. Betroffene verlieren die Fähigkeit, die Beine (bei hohem Querschnitt auch die Arme) zu bewegen und zu spüren.

Symptome bei inkompletter Querschnittlähmung

Bei der inkompletten Querschnittlähmung hängen die Symptome davon ab, welche Nervenbahnen geschädigt wurden. Verletzungen der motorischen Nervenbahnen führen dazu, dass es nicht mehr möglich ist, die Beine (bei hohem Querschnitt auch die Arme) zu bewegen, Empfindungen wie Schmerz oder Temperatur nimmt der Betroffene aber noch wahr. Sind die sogenannten sensorischen Bahnen betroffen, lassen sich die Gliedmaßen noch bewegen. Schmerz, Berührung und Temperatur nehmen Betroffene jedoch nicht mehr wahr.

Weitere mögliche Symptome sind:

  • Verstärkte Muskelreflexe
  • Geringes bis gar kein Temperatur- und Schmerzempfinden, eventuell Phantomschmerzen
  • Störung des vegetativen Nervensystems, zum Beispiel Bluthochdruck
  • Inkontinenz
  • Spastische Muskelkrämpfe
  • Bei Schädigung der Halswirbelsäule oberhalb des vierten Halswirbels: Zwerchfelllähmung mit Atmungsversagen

Störung der Darm- und Blasenentleerung

Nahezu alle Menschen mit Querschnittlähmung entwickeln Darmentleerungs- und Blasenentleerungsstörungen.

Darmentleerungsstörungen sind:

  • Verstopfung
  • Durchfall
  • Darmverschluss

Da auch der Schließmuskel im Enddarm betroffen ist, haben Betroffene kaum oder keine Kontrolle mehr über den Stuhlgang.

Blasenentleerungsstörungen:

  • Betroffene verlieren unkontrolliert Urin.

Störung der Sexualfunktion

Eine Querschnittlähmung wirkt sich bei nahezu allen Patienten auf den Sex aus. Während das sexuelle Verlangen (Libido) erhalten bleibt, leiden Männer häufig an Erektions- oder Ejakulationsstörungen. In der Regel gehen auch die Qualität und Beweglichkeit der Spermien zurück, was wiederum die Fruchtbarkeit negativ beeinflusst. Bei Frauen wird die Scheide nicht mehr oder kaum noch feucht. Betroffene Frauen sind jedoch nach wie vor fruchtbar. Auch eine Schwangerschaft wird durch die Lähmung nicht oder nur wenig beeinflusst. Erschwerend kommt bei Männern und Frauen hinzu, dass sie im gelähmten Körperareal nur noch wenig oder nichts mehr spüren.

Mögliche Komplikationen und Langzeitfolgen

Die Muskellähmungen beziehungsweise Sensibilitätsstörungen haben langfristige Folgen, die das Leben vieler Querschnittgelähmter beeinflussen.

Mögliche Komplikationen und Langzeitfolgen sind unter anderem:

  • Harnwege: Dranginkontinenz, wiederkehrende Blasenentzündungen, Nierenfunktionsstörungen
  • Magen-Darm-Trakt: Verstopfung, Durchfall, Stuhlinkontinenz, Darmverschluss
  • Gefäße: Erhöhtes Risiko für Gefäßverschlüsse (vor allem tiefe Beinvenenthrombosen)
  • Bewegungsapparat: Rückbildung der Muskeln (Muskelatrophie), Muskelkrämpfe (Spastik), Sehnenverkürzungen (Kontrakturen)
  • Chronische Schmerzen (neuropathische Schmerzen) zeigen sich durch ständiges Brennen, Kribbeln oder elektrisierende Empfindungen.
  • Beeinträchtigung der Sexualfunktion: verminderte Gleitfähigkeit der Scheide, eingeschränkte Erektionsfähigkeit beim Mann
  • Geschwüre an druckbelasteten Stellen (Dekubitus) wie am Sitzbein, Kreuz- und Steißbein, am Oberschenkelknochen (Trochanter major) oder an den Fersen
  • Knochenschwund (Osteoporose) im gelähmten Körperabschnitt
  • Anfallsartige Erhöhung des Blutdrucks mit Herzrhythmusstörungen und verlangsamtem Herzschlag (autonome Dysreflexie, AD) bei Verletzung oberhalb des sechsten Brustwirbels
  • Störung der Atmung mit Sekretstau, Lungenentzündung oder Kollaps der Lungenflügel bei Verletzung oberhalb des vierten Brustwirbels (Zwerchfelllähmung)
  • Erhöhtes Risiko für Adipositas

Diagnose einer Querschnittlähmung

Eine Rückenmarksverletzung ist immer ein medizinischer Notfall. Bei jedem Verdacht auf eine solche Verletzung sollte sofort der Notarzt gerufen werden.

Im Krankenhaus oder in einem spezialisierten Behandlungszentrum werden Betroffene gründlich untersucht. Der Arzt testet, ob sich der Patient bewegen kann oder Reize spürt, die er beispielsweise mit einer Nadel auslöst. Außerdem werden die Reflexe sowie die Atem-, Blasen-, Darm- und Herzfunktion überprüft.

Anamnese

Bei Rückenmarksverletzungen durch einen Sturz oder Unfall liefert die Schilderung des Hergangs dem Arzt erste Hinweise auf eine mögliche Querschnittlähmung.

Klinisch-neurologische Untersuchung

Der Arzt testet, ob sich der Patient bewegen kann oder Reize spürt, die er beispielsweise mit einer Nadel auslöst. Außerdem überprüft er die Reflexe sowie die Atem-, Blasen-, Darm- und Herzfunktion.

Bildgebende Verfahren

Bildgebende Verfahren wie Röntgen, Computer- oder Magnetresonanztomografie können Aufschluss über das betroffene Segment und das Ausmaß der Rückenmarksschädigung geben. Röntgenuntersuchungen oder eine Computertomografie (CT) geben Aufschluss über Verletzungen der Wirbelsäule wie beispielsweise Wirbelbrüche oder Bandscheibenvorfälle, die mitunter zu einer Rückenmarksverletzung führen. Das Rückenmark selbst beurteilt der Arzt mithilfe einer Magnetresonanztomografie (MRT). Damit lassen sich Entzündungen, Tumore oder Durchblutungsstörungen im Knochenmark feststellen.

Untersuchung von Blut und Liquor

Proben der Rückenmarksflüssigkeit und des Blutes können im Labor untersucht werden, um beispielsweise eine bakterielle Infektion auszuschließen. Die Probenentnahme des Liquors bezeichnen Ärzte als „Lumbalpunktion“. Dafür führt der Arzt im Bereich der Lendenwirbelsäule eine dünne Hohlnadel zwischen zwei Wirbelkörpern von hinten in den Wirbelkanal ein. Anschließend entnimmt der Arzt wenige Milliliter Nervenwasser (Liquor) durch die Nadel und lässt es im Labor auf Veränderungen untersuchen.

Eine Diagnose zu eventuell bleibenden Schäden ist jedoch erst möglich, nachdem der spinale Schock abgeklungen ist. Ärzte unterscheiden bei bleibenden Lähmungen zwischen einer kompletten Lähmung, medizinisch Plegie, und einer inkompletten Lähmung, medizinisch Parese. Bei einer Parese können Betroffene auch unterhalb der Verletzung Berührungen spüren, sich bewegen und beispielsweise weiterhin Blase und Darm kontrollieren. Eine Rückenmarksverletzung wird nach der American Spinal Injury Association, kurz ASIA, in fünf Schweregrade eingeteilt.

Muskuläre Dysbalancen und Elektromyographie (EMG)

Muskuläre Dysbalancen treten auf, wenn bestimmte Muskelgruppen stärker oder schwächer sind als ihre Gegenspieler, was zu einer unausgewogenen Belastung des Skeletts und der Gelenke führen kann. Ein weiteres wichtiges Diagnosewerkzeug ist die Elektromyographie (EMG). Das EMG misst die elektrische Aktivität der Muskeln und hilft zu verstehen, wie gut die Nerven und Muskeln nach einer Rückenmarksverletzung funktionieren. Die gesammelten Daten geben Aufschluss über den Zustand der Nerven und Muskeln.

Behandlung einer Querschnittlähmung

Eine Querschnittlähmung ist bisher nicht heilbar. Ziel der Behandlung ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und ihnen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Akutversorgung

Während des spinalen Schocks werden Patienten intensivmedizinisch versorgt, um alle Körperfunktionen engmaschig zu überwachen. Auf Basis der Voruntersuchungen entscheidet ein Ärzteteam darüber, ob mit einer Operation geschädigte Nerven entlastet oder weitere Verletzungen versorgt werden können. Ist keine Operation notwendig, wechselt ein Pflegender regelmäßig und fachgerecht die Liegeposition, um möglichen Komplikationen wie Wundliegen (Dekubitus) vorzubeugen. Leiden Patienten beispielsweise unter chronischen Schmerzen, erhalten sie eine Schmerztherapie.

Rehabilitation

Die Rehabilitation wird in sechs Phasen unterteilt und beginnt bereits direkt nach der Notfallversorgung. Ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Pflegenden, Physio- und Ergotherapeuten unterstützt die Betroffenen dabei, Schritt für Schritt in den Alltag zurückzufinden. Je intensiver die Patienten bei den Therapiemaßnahmen mitarbeiten, desto höher sind die Chancen, dass ihre Symptome gelindert werden können und Folgeerkrankungen vorgebeugt werden kann.

Die Reha hat das Ziel, intensivmedizinische Maßnahmen in eine ambulante Behandlung zu überführen. Außerdem können sich die Patienten dabei Fähigkeiten aneignen, die es ihnen ermöglichen, selbstbestimmt zu leben. Verschiedene Ansätze können sie dabei unterstützen:

  • Gegen Inkontinenz helfen gezielte Maßnahmen zur Darmkontrolle.
  • Mit Physiotherapie und Rollstuhltraining stärken die Patienten ihre Kraft und Ausdauer.
  • In der Ergotherapie können sie neue Bewegungsabläufe trainieren, um Alltagstätigkeiten wie Anziehen oder Essenszubereitung wieder selbstständig auszuführen.
  • In einer Psychotherapie können sie Strategien erlernen, die dabei helfen, ihre neue Situation besser zu bewältigen.
  • Leiden sie unter Sprach- oder Schluckstörungen, können logopädische Übungen hilfreich sein.
  • Selbst wenn das Zwerchfell vollständig gelähmt ist, können sie lernen, mithilfe von Atemhilfstechniken tagsüber mehrere Stunden selbstständig zu atmen.

Medikamentöse Behandlung

Medikamente dienen zum Beispiel dazu, chronische Schmerzen zu senken oder Tumore beziehungsweise Gerinnungsstörungen zu behandeln.

Innovative Ansätze

Forscher arbeiten daran, zukünftig auch Querschnittlähmungen heilen zu können. 2018 gelang es unterschiedlichen Forscherteams, einzelne Patienten wieder zum Laufen zu bringen. Dazu stimulierten sie bestimmte Rückenmarksnerven bei den Gelähmten mit elektrischen Impulsen. Monatelange, intensive Physiotherapie unterstützte diese Nervenreanimation. Nach Einschätzung der Forscher überbrücken bei etwa der Hälfte der Querschnittgelähmten noch einzelne Nervenbahnen die Verletzung. Diese könnten möglicherweise für diese Funktion genutzt werden. Trotz guter Ergebnisse steht die Forschung aber erst ganz am Anfang. Aktuelle Forschungsprojekte verfolgen verschiedene Ansätze. Einige konzentrieren sich darauf, Wege zu finden, wie sich die Regeneration von Zellen im Rückenmark stimulieren lässt. Große Hoffnungen ruhen auf Stammzelltherapien. Schließlich feiern Therapien erste Erfolge, die auf die Kombination aus Physiotherapie und Elektrostimulation, eine Art Rückenmarkschrittmacher, setzen.

Querschnittlähmung und Immunfunktion

Forschende unter Leitung der Charité - Universitätsmedizin Berlin haben jetzt untersucht, inwiefern Rückenmarksverletzungen auch zu einer eingeschränkten Immunfunktion beitragen. Im Fachmagazin Brain* beschreiben sie unter anderem, wie komplette Querschnittlähmungen zu Immunschwäche und einem erhöhten Infektionsrisiko führen. Diese können die neurologische Erholung behindern oder gar lebensbedrohlich sein. Vorbeugung hingegen kann die Risiken mindern. Akut querschnittgelähmte Patient:innen sind besonders anfällig für Infektionen, etwa für Atem- oder Harnwegsinfekte. Die genaue Ursache dafür war lange Zeit unklar. Komplikationen dieser Art sind im schlimmsten Fall tödlich oder aber sie beeinträchtigen die Regeneration. Die Forschenden gehen davon aus, dass es infolge der schweren Verletzung zu einer gestörten Kommunikation zwischen dem Gehirn und Teilen des autonomen Nervensystems im Rückenmark kommt. Die ausbleibende Koordination von Nerven- und Immunsystem mündet schließlich in einer systemischen Immunschwäche. Marker im Blut, die mit einem solchen Defizit einhergehen, sollen dabei helfen, die Infektionsanfälligkeit von Patient:innen frühzeitig individuell abzuschätzen und zu behandeln. Je höher und schwerer die Verletzung, umso ausgeprägter die Immunschwäche. Eine Immunschwäche nach Rückenmarkverletzung wird auch Spinal Cord Injury-induced Immune Deficiency Syndrome (SCI-IDS) genannt. Wie die aktuelle Studie zeigt, ist sie bei Patient:innen mit schweren, neurologisch vollständigen Rückenmarkverletzungen oberhalb der Brustwirbelsäule am stärksten ausgeprägt. Das zeigt sich besonders deutlich im Vergleich mit Patient:innen, die nur eine leichtere Verletzung im Bereich der unteren Brust- oder Lendenwirbelsäule erlitten hatten. Insgesamt sind Rückmarkverletzte deutlich stärker betroffen als Patienten:innen mit einer reinen Wirbelsäulenverletzung ohne Beteiligung des Rückenmarks.

Leben mit einer Querschnittlähmung

Eine Querschnittlähmung stellt Betroffene vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, sich реабилитации Unterstützung zu suchen und реабилитации Angebote zu nutzen.

Hilfe im Alltag

Wer nicht mehr laufen kann, muss sein Leben komplett neu organisieren. Nun stellen sich viele Fragen - zum Beispiel, wie sich die Wohnsituation verändert oder ob der Beruf weiterhin ausgeübt werden kann. Ein Sozialarbeiter kann zu diesen Themen beraten und gegebenenfalls bei der Antragstellung für Heil- und Hilfsmittel unterstützen. Informationen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und am Arbeitsleben finden sich auch auf der Plattform Einfach teilhaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Über einen Verein wie die Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e. V. können sich Betroffene mit anderen Betroffenen austauschen. Manche bieten auch ein Tandemprogramm, bei dem ein erfahrener Rollstuhlfahrer im Alltag zur Seite steht.

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